Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 28. Juni 2024
Annette Syz sprudelt nur so vor Energie. «Ich bewege mich einfach gerne», lacht sie. Und wenn sich die Wahlzollikerin bewegt, profitiert nicht nur sie selbst davon, sondern zum Beispiel auch Kinder. Annette Syz engagiert sich seit fünf Jahren für «Right To Play». Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet die Stiftung an schwierigsten und gefährlichsten Orten der Welt, um Kindern zu helfen, in der Schule zu bleiben und ihren Abschluss zu machen, sich gegen Ausbeutung zu wehren und Vorurteile zu überwinden, sich vor Krankheiten zu schützen und sich von Krieg oder Missbrauch zu erholen. «Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht das Spiel», ist die Devise der international tätigen Organisation. Die positive Wirkung von spielbasiertem Lernen ist wissenschaftlich belegt. Spiele machen wichtige Themen erlebbar und fördern kognitive, soziale, emotionale und physische Lebenskompetenzen.
Annette Syz’ Aufgabe besteht neben der Geschäftsentwicklung von «Right To Play Switzerland» darin, Sponsorengelder zu akquirieren. Sie könnte gemütlich vom Schreibtisch aus potenzielle Geldgeber und Geldgeberinnen kontaktieren. Sie könnte Bettelbriefe verschicken, auf Botschaften über Social Media setzen. Macht sie aber nicht. Sie wird lieber selbst aktiv. Manchmal bis über die Schmerzgrenze.
So wie 2021, als sie mit dem Rennrad über zehn Schweizer Pässe mit 12 000 Höhenmetern fuhr und für «ihre» Institution warb. Der Ursprung dieser Tour von mehr als 600 Kilometern war eine Hüftverletzung. Weil die passionierte Läuferin nicht joggen konnte, sondern auf dem Spinningvelo radeln sollte, dachte sie: «Wenn ich sowieso auf dem Rad sitze, kann ich das auch draussen tun.» Der Erfolg war immens: Über 50 000 Franken kamen zusammen. «Das war in der Coronazeit. Wir konnten keine Events durchführen und ich wusste, ich muss selbst initiativ werden.» Leicht sei ihr die Tour wahrlich nicht gefallen. «Ich habe auch gelitten unterwegs. Es hat von sieben Tagen an fünfen geregnet, aber ich wusste immer, wofür ich das mache.» Dabei geht es ihr auch um die mentale Erfahrung, um die Frage: Wie weit kann ich gehen?
Diese Frage will sie demnächst neu beantworten: Am 17. August nimmt sie mit ihrer Kollegin Sonja Ringdal eine Wanderstrecke von hundert Kilometern in Angriff. Innerhalb von nur 24 Stunden geht es rund um den Zürichsee. Innerhalb der Rock-and-Hide-Challenge starten die beiden Frauen mit Stirnlampe und Rucksack via Panoramaweg. Unterstützer und Unterstützerinnen sollen möglichst viele der 100 000 Meter sponsern. «Diese Herausforderung wird uns an unsere Grenzen bringen. Die Füsse werden schmerzen, der Puls wird in die Höhe schnellen. Aber wir wollen lifere, nöd lafere.» Getragen wird sie vom Wissen, dass sie eben nicht nur für sich läuft, sondern um benachteiligten, auch traumatisierten Kindern eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen, in der sie Sicherheit und Zugehörigkeit finden. Dabei gilt im wahrsten Sinne: Der Weg ist das Ziel. Über Auffahrt hat Annette Syz den Rigi-Marsch absolviert, immerhin 50 Kilometer. Die letzten Höhenmeter brachten sie im Morgengrauen auf den Gipfel. «In dem Moment waren alle ganz still. Vorher ist die Gruppe ein wichtiges Element. Man stärkt und motiviert sich gegenseitig.» Eine nächste Vorbereitungstour führte dann rund um den Walensee.
So wie Aktivität das Leben der gebürtigen Küsnachterin prägt, so gross ist ihr Wunsch zu helfen, und zwar mit persönlichem Einsatz. Was sie angeht, verfolgt sie zu hundert Prozent. Nach dem Abschluss an der École hôtelière de Lausanne im Januar 2001 war sie viele Jahre leidenschaftlich im Eventbereich rund um die Formel-1-Szene unterwegs. Während der Pandemie engagierte sie sich im Sektor Gesundheit – und nun schlägt ihr Herz für Kinder und Jugendliche in den 14 «Right To Play»-Ländern, unter anderem in Mosambik, Uganda, Ruanda, Burundi und Äthiopien. «Right To Play» ist hauptsächlich in Afrika, Asien und im Nahen Osten aktiv und verbessert die Welt der Kinder durch die positive Kraft des Spiels. Ein paar Zahlen belegen den Sinn der Stiftung eindrucksvoll: 94 Prozent der Jungen in Pakistan sind betroffen von Gewalt unter Mitschülern – diese Zahl konnte dank Programmen der Stiftung um 25 Prozent reduziert werden.
83 Prozent der Kinder im Konfliktgebiet Burundi haben dank dieser Hilfe ihre Fähigkeiten in Friedensförderung und Konfliktlösung deutlich verbessert. In Mali verringerte sich die Zahl der Kinder, die von Kinderarbeit in ihren Gemeinden erzählten, von 83 auf 35 Prozent.
Spielerisches Lernen kann in allen Altersstufen funktionieren. Die ganz Kleinen lernen bei einem einfachen Fangspiel, wie sie sich vor Malaria schützen können. Grössere Kinder begreiffen in einem Fussballmatch Werte wie Toleranz und Teamwork. Annette Syz selbst wird im Herbst nach Ghana reisen und Projekte vor Ort besuchen. Bestimmt wird die Mutter dreier Teenager mit einem Rucksack aussergewöhnlicher Erlebnisse zurückkehren. Und mit Ideen, wie sie andere mit neuen (sportlichen) Aktivitäten für ihre Sache begeistern kann.
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