Blinde Passagiere auch im Zürichsee

Von Franziska Müller ‒ 12. Juli 2024

Sie reisen sogar auf dem Stand-up-Paddel mit: Invasive Neobiota können sich an Brett und Paddel festkleben, an Bootsrumpf, Anker und Schiffschraube. Um die Verbreitung der schädlichen Neobiota zu stoppen, ist ­Prävention alles.

Wuchernde Quaggamuschel-Kolonien setzen sich an Tauen, ­Schiffschrauben, Rohren fest. (Bild: M. Bourqui)
Wuchernde Quaggamuschel-Kolonien setzen sich an Tauen, ­Schiffschrauben, Rohren fest. (Bild: M. Bourqui)

Als aquatische Neobiota werden Tiere und Pflanzen im Wasser bezeichnet, die ursprünglich nicht bei uns heimisch waren. ­Diese Tiere und Pflanzen sind nicht per se problematisch, weil sie fremd sind. Die Probleme beginnen mit ihrer invasiven Ausbreitung. Weil sie in unseren Gewässern ­keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich überpropor­tional und bedrohen damit das Gleichgewicht von Ökosystemen. Sie ­können enorme Schäden anrichten. Eingeschleppte Schwarzmundgrundeln beispielsweise verdrängen einheimische Fischarten von ihren Laich- und Futterplätzen. Auch Krankheiten, die invasive ­Tieren einschleppten, können verheeren. Einheimische Krebspopulationen sind beispielsweise durch die Krebspest ausgelöscht worden, die mit dem invasiven Signalkrebs aus Nordamerika verbreitet wurde. Zudem beschädigen sie die Infrastruktur; als wuchernde Muschelkolonien können Quaggamuscheln Wasserleitungssysteme oder Bootsmotoren verstopfen.

Unbemerkt verschleppt

Aquatische Neobiota werden oft unbemerkt durch den Menschen verbreitet: Sie werden mit Schiffen von einem Gewässer zum nächsten verschleppt. Dies geschieht nicht mit Absicht; viele dieser tückischen Tierchen sind sehr klein und werden leicht übersehen. Wasserflöhe etwa sind bloss ein paar Millimeter gross, Larven von Muscheln noch kleiner. Haften sie an einem Bootsrumpf, bleiben sie oft unentdeckt. Ebenso, wenn sie sich in Wasserrückständen auf der Ausrüstung aufhalten. So reisen diese Lebewesen als blinde Passagiere von einem Gewässer ins nächste. Neobiota wie Muscheln und Fischeier können mehrere Stunden bis Tage ausserhalb des Wassers überleben. Das Hauptproblem bei allen im Wasser lebenden invasiven Tieren und Pflanzen ist die Tatsache, dass es kaum möglich ist, sie wieder loszuwerden. Deshalb ist Prävention so wichtig.

Die Quaggamuschel befällt Infrastrukturen. (Bild: M. Bourqui)
Die Quaggamuschel befällt Infrastrukturen. (Bild: M. Bourqui)

Kontrollieren, reinigen, trocknen

Es gilt: Vor jedem Gewässerwechsel müssen Wassersportgeräte wie Tauchausrüstung, Schlauchboote, Stand-up-Bretter und Boote inklusive Anker, Taue und Motoren auf Rückstände von Pflanzen und Tieren kontrolliert werden. Ebenso wichtig ist es, sämtliches Material gründlich, wenn immer möglich mit heissem Wasser zu reinigen, Boote mit Hochdruckreiniger. Bilgen- und Restwasser müssen am Ursprungsgewässer vollständig abgelassen werden. Alle Ausrüstung muss vor der Nutzung in anderen Gewässern vollständig trocknen. Es gibt eine ganze Anzahl Bootsreinigungsplätze im Kanton; auf der Webseite des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (www.zh.ch) kann die Liste heruntergeladen werden.

Entledigte Liebschaften
Bald geht’s in die Ferien – nur ­wohin mit den Fischen im Aquarium, wenn niemand zum Füttern da ist? Es kommt tragischerweise immer wieder vor, dass Fische, Schildkröten und andere lebende Schmuckstücke aus dem Aquarium ausgesetzt werden – oder ganze Aquarien mitsamt Wasser, Steinen und Pflanzen in Teichen oder Seen entsorgt werden. Das ist nicht nur schädlich und dumm, sondern auch strafbar. Wer gebietsfremde Tiere und Pflanzen aus einem Aquarium oder einem Gartenteich in die Natur aussetzt, kann damit grossen Schaden an der Biodiversität anrichten.

Das Schmalrohr zum Beispiel ist eine für Aquarien beliebte Wasserpflanze aus Afrika. Sie wurde durch das Leeren von Aquarien in verschiedene Seen gebracht und breitet sich rapide aus. Sie kann ruhige Gewässer vollständig bedecken oder den Seegrund, hier am Genfersee, komplett über­wuchern. Ab 1. September 2024 ist sie deshalb verboten.

Die Kantone informieren auf ihren Websites über die Probleme, die solch illegalen Aktionen verursachen und geben Empfehlungen ab für Personen, die ihre Aquarien oder Gartenteiche nicht mehr behalten können oder wollen. Der wichtigste Grundsatz lautet aber, so das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft: Bereits vor der Anschaffung sollte man sich Gedanken machen, ob die nötige Zeit und Liebe für Pflege und Unterhalt auch langfristig vorhanden ist.

Das Bild zeigt den Seegrund am Genfersee bei La-Tour-de-Peilz, der von Schmalrohr überwuchert ist.
Die beliebte Aquarienpflanze Schmalrohr kann grossen Schaden ­anrichten. (Bild: Adrian Möhl)
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