«Mir ist immer bewusst, dass ich hier Gast bin»

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 26. Juli 2024

Philipp Rösler, Festredner zum 1. August, über Tradition, Unternehmertum und seine Zweitheimat Zumikon.

Philipp Rösler, ehemaliger deutscher Politiker und VorstandsmitgliedWEF hält die Festrede zum Geburtstag der Schweiz in Zumikon. (Bild: zvg)
Philipp Rösler, ehemaliger deutscher Politiker und Vorstandsmitglied WEF hält die Festrede zum Geburtstag der Schweiz in Zumikon. (Bild: zvg)
Herr Rösler, wie überrascht waren Sie, als sie als Festredner angefragt wurden?

Sehr. Denn ich weiss, dass es generell eine grosse Ehre ist, eine Rede zum 1. August halten zu dürfen, und dass ich noch dazu als Deutscher gefragt wurde, hat mich überrascht – und noch mehr gefreut.

Sie haben in der Westschweiz ­gelebt, sind nun schon länger in Zumikon ansässig und darüber ­hinaus viel im Land unterwegs. Gibt es für Sie den Schweiz-Faktor?

So unterschiedlich die einzelnen Landesteile auch sind, die Liebe zur Heimat und der Stolz auf das Erreichte habe ich überall in der Schweiz ähnlich erlebt.

Sie reisen nicht nur viel innerhalb der Schweiz, sondern sind regelmässig in der alten Heimat Deutschland und auch in Asien unterwegs. Welche Schweizer Eigenart, welche Tradition fehlt Ihnen dann am meisten?

Deutschland und die Schweiz auf der einen Seite und Vietnam auf der anderen sind natürlich recht unterschiedlich, aber ich freue mich immer, wenn ich Unternehmertum, hartes Arbeiten und Selbstdisziplin in den unterschiedlichsten Kulturen wieder entdecke. Was manchmal fehlt, ist, dass Dinge einfach funktionieren. Das gilt gar nicht so sehr in Vietnam, aber leider mehr und mehr für Deutschland.

Als ehemaliger deutscher Politiker verfolgen Sie sicherlich auch die Entwicklungen in der BRD. Was macht Ihnen Angst? Was Hoffnung?

Die zunehmende Entfremdung der Politiker und ihrer Politik von den Menschen macht mir Sorgen. Das führt zu Populismus, der für eine freie Gesellschaft sicher nicht gut ist – in Deutschland, Europa und weltweit. Ich hoffe, als ehemaliger, dass die aktiven Politiker alsbald erkennen, dass – wenn ganz normale Politikerinnen und Politiker endlich wieder ganz normale Politik für die ganz normalen Menschen machen würden – die ganz normalen Menschen auch wieder ganz normale Politikerinnen und Politiker wählen würden.

Die Schweizer gelten oftmals als reserviert bis feindlich den Deutschen gegenüber. Haben Sie das auch so erlebt?

Das nicht, aber mir war in den letzten zehn Jahren hier in der Schweiz immer bewusst, dass ich Gast bin und so habe ich mich auch entsprechend verhalten. Ich höre ja auch gelegentlich, dass es eine Reserviertheit gibt, aber stelle mir dann vor, wie wohl die Menschen in Deutschland reagieren würden, wenn es eine Ausländerquote von über 20 Prozent in Deutschland gäbe. Ich finde, das relativiert es ein wenig.

Die Entwicklung in Zumikon wird seit Monaten behindert. Rund um den Dorfplatz, in der Tiefgarage oder mit dem Asylanten-Wohnprojekt geht es nicht weiter. Wieviel Verständnis haben Sie für diese Einsprachen-Politik?

Für Fortschritt braucht es eine richtige Balance zwischen Veränderung und Schutz des Bestehenden oder bestehender Rechte. So ganz ist diese Balance noch nicht gefunden. Zumikon ist ein grossartiges Dorf und wenn die Zumikerinnen und Zumiker eine politische Entscheidung getroffen haben, dann ist es schade, wenn man juristisch mit Hinweis auf Einspruchsrechte eine solche Entscheidung torpediert. Das hilft weder Zumikon noch den Einspruchsrechten.

Wie gut ist Ihr Schwyzerdütsch und wie sicher sind Sie beim Singen der Hymne?

Verstehen kann ich es. Sprechen versuche ich gar nicht erst und singen sollte ich im Interesse meiner Mitmenschen besser nicht. Politiker – auch die ehemaligen – sollten wissen, was sie können und eben auch was sie nicht können.

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