Von Franziska Müller ‒ 9. August 2024
Wie passend unser Arbeitstitel mit «Blick über den Tellerrand» gewählt ist, stellt sich bereits vor der Führung durchs Haus heraus. Das Mühlerama ist ein Museum, bei dem sich alles ums Essen dreht – ums Essen von damals, heute und in der Zukunft. In diesem «Kompetenzzentrum für Esskultur und Ernährungspolitik» geht es auch um Lebensmittelproduktion und Ökologie, um Genuss und Gesundheit. Ein gewaltiger Tellerrand!
Es wird schnell klar: Mehl ist nicht einfach eine Zutat für Gebäck. Es ist viel mehr: Ein symbolträchtiges Lebensmittel, das am Anfang unserer Zivilisation steht. Wie vermittelt man diese grosse Sache rund ums Brot möglichst so, dass es Spass macht, Neugier weckt und alle Sinne anspricht?
«Am besten mit viel Handarbeit – im Sinne von selbst tätig sein und sinnlich entdecken», erklärt Julia Graf. «Das Erlebnis bei uns soll eine Mischung aus Lernen und Genuss sein.» Die Leiterin der Back- und Kochschule empfängt uns während der kurzen Betriebsferien in einer zwar leeren, aber noch nicht leergefegten Mühle.
«Das Mühlerama ist mehr als ein Museum; es ist ein lebendiger Werkplatz. Wer will, kann nach dem Besuch bei uns mit einem selbstgebackenen Brot nach Hause gehen; das ist im Ticketpreis inbegriffen.» Das Mehl dazu wird ebenfalls selbst gemahlen. Dafür gibt es diverse Mahlstationen; neben Handmühlen sogar eine Steinplatte mit einem Reibstein aus der Pfahlbauerzeit. In der Backwerkstatt des Museums lässt sich dann ein Teig kneten und ein Laib formen.
Hier wird das Brot auch in den Ofen geschoben. Während es aufgeht, kann das Haus in einem Rundgang erkundet werden – mit Hörgeschichte, die von der historischen Mühle erzählt: Von der ältesten Mühle im Raum Zürich, die immer noch in Betrieb ist. Fast täglich wird hier in der über 100-jährigen Industriemühle Mehl produziert. Anhand digitaler Animationen erhalten Besucherinnen und Besucher einen Überblick über den aufwändigen Weg vom Korn zum Brot und das uralte Handwerk der Müllerei.
Es ist Ferienzeit, die Mühle steht still. Die Brotskulptur, vom Künstlerduo Steiner/Lenzliger als eine Art Altarbild beim Museumseingang aufgebaut, liegt unter Plastik, geheimnisvoll verhüllt. Staubsaugerpfeifen in der Luft, Kabelrollen und Staubflusen am Boden. Auf unserem Rundgang bis in den
4. Stock treffen wir emsige Putzleute mit grossen Staubwedeln. Eine Mühle muss blitzsauber sein, sonst macht sich schnell allerhand Ungeziefer breit. Gibt es denn Mäuse? «Ja, die gibt es; rund um die Mühle herum haben wir schon welche gesichtet – aber zum Glück nie hier drinnen», erzählt Julia Graf lachend und ergänzt, dass es ein Kinderangebot im Museumsprogramm gäbe, das «Mäuseabenteuer» heisst. «Die einzigen Mäuse, die man im Mühlerama von Zeit zu Zeit antreffen kann, sind als Mäuse verkleidete Kinder!»
Die viel kleineren, heimlichen Untermieter wie Reismehlkäfer und Motten sind allerdings überall zu finden, wo Mehl produziert wird. «Auch industriell hergestelltes Mehl fängt früher oder später an ‹zu leben› », erklärt sie lapidar; es ist ein öffentliches Geheimnis. Von diesem «Tabu der Mühlen» wird Andreas Bommer, Leiter Mühle und Vermittlung, den Gästen erzählen. Um die ungeliebten Tierchen in Schach zu halten, hat man ausgeklügelte Reinigungsprozeduren für das Innenleben der Mühle, die Leitungsrohre und das ganze Räderwerk erfunden. Die Mühle wird deshalb in der Sommerpause teilweise zerlegt; Verschalungen abmontiert, Kästen, Schränke geöffnet und bis in die hintersten Winkel geputzt. Dann wird über mehrere Tage hinweg das ganze Haus auf über 60 Grad aufgeheizt; nach dieser Wärmebehandlung ist die Anlage wieder frisch und sauber.
Zu guter Letzt: Ein schön verschnürter Mehlsack war der Stolz jedes Müllers. Aber schwer! Einst waren die Säcke aus Stoff, Seit 1950 verwendet man Einwegsäcke aus Papier, und seit 1964 holen Lastwagen das Mehl auch offen und unverpackt ab. Die Rutschbahn, auf der früher die prallen Säcke aus dem
4. Stock ins Erdgeschoss kollerten, ist immer noch in Betrieb: Ein Highlight bei grossen und kleinen Gästen; auf Mehlsäcken lässt sich der Rundgang rasant abschliessen.
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