225-mal über den Zürichsee

Von Aline Sloksnath ‒ 30. August 2024

Über 200 Schwimmerinnen und Schwimmer, 1800 Meter quer über den Zürichsee, vom Hafen Mönchhof in Kilchberg bis zur Seebadi Zollikon. Am Samstag fand die 52. Zolliker Seeüberquerung statt. Unsere Redaktorin ist mitgeschwommen.

225 weisse Badekappen und gelbe Restubes – aus der Vogelperspektive ein lustiges Bild. (Bild: Mario Carol)
225 weisse Badekappen und gelbe Restubes – aus der Vogelperspektive ein lustiges Bild. (Bild: Mario Carol)

Ein fast spiegelglatter See, erstes Sonnenlicht glitzert leicht im Wasser, beinahe lautlos gleiten ein paar Ruderboote vorbei. Es ist 6.45 Uhr in der Zolliker Seebadi, noch zwei Stunden bis zum Start der diesjährigen Seeüberquerung. Die Teilnehmenden trudeln langsam ein, die ersten Startnummern werden vergeben. Die Stimmung ist ruhig, vorfreudig – das Wetter passt. Letztes Jahr musste der Sportanlass aufgrund einer Gewitterwarnung kurzfristig abgesagt werden.

Ich hingegen bin nervös. Teilnehmen dürfen alle, «die fähig sind, 1800 Meter zu schwimmen». So der Wortlaut auf der Webseite des Schwimmclubs Zollikon (SKZ). Doch die Fähigkeit zu einer Seeüberquerung lässt sich nur bedingt in der Realität testen – ausser man ist schon mal über den See geschwommen. Mein letztes Mal ist fünf Jahre her.

Die SeeQ, wie die Überquerung genannt wird, ist ein Traditionsanlass des SKZ und weit über die Zürichsee-Region hinaus beliebt. «Jedes Jahr reisen auch internationale Teilnehmende extra für unseren Anlass an», berichtet Organisatorin Simone Huber vom SKZ, welcher den Anlass seit jeher organisiert und finanziert. Nur schon aus Sicherheitsgründen braucht es eine hervorragende Organisation. Über 50 freiwillige Helferinnen und Helfer – sowohl an Land als auf dem Wasser – machen die Zolliker SeeQ erst möglich. Die Seeretter Zollikon, Kilchberg und Küsnacht sowie der Zürcher Limmatklub, Züri Urban Kayak und private Bötler überwachen die Schwimmenden. An Land sind es Mitglieder des Samaritervereins Zollikon und weitere Freiwillige, die bei der Organisation und Verpflegung mithelfen.

Auf die Plätze, fertig, los

114 Schwimmerinnen starten gleichzeitig vom Hafen Mönchhof in Kilchberg. (Bild: Mario Carol)
114 Schwimmerinnen starten gleichzeitig vom Hafen Mönchhof in Kilchberg. (Bild: Mario Carol)

Kurz nach halb 8 Uhr legt die MS Etzel Richtung Kilchberg ab. Kurz vor 8 Uhr folgt die zweite Überfahrt. An den Tischen im Inneren des Schiffes wird geredet und gelacht. «Wie viele Male hast du schon teilgenommen?» – «Sicher ein Dutzend Mal. Und selbst?» – «Das erste Mal.» Angesichts seines «Ironman»-Shirts (Schwimmdistanz 3,8 Kilometer) wird es keine zu schwere Aufgabe werden.

Im Hafen Mönchhof angekommen werden die gelben Restubes (Airbags fürs Wasser) aufgeblasen, die weissen Badekappen montiert. Beides ist obligatorisch. Jene, die sich in Kilchberg anmelden, bekommen noch ihre Startnummer mit wasserfestem Edding auf den linken Oberarm geschrieben.

Soll ich meine Kleider noch anbehalten oder alles ohne Stress schon einpacken? Das Gepäck wird später mit Boot zuerst ins Ziel kommen. Noch eine Banane zur Stärkung, Wasser trinken, Wasser lassen. Die Schlange vor den zwei Toiletten ist lang. Man ist sich einig, dass dies nicht während des Starts geschehen soll. «Bei über 200 Personen würde das ein bisschen warm», scherzt jemand.

Um 8.45 Uhr ertönt das Startsignal für die Schwimmer innen. 114 Frauen schwimmen gleichzeitig los. Zehn Minuten später folgen die 112 Männer. Zuvorderst weist ein Kayak mit gelbem Ballon die Richtung. Die schnellsten Schwimmerinnen ziehen davon, bald ist der gelbe Ballon nur noch ein kleiner Punkt am Horizont. Immer Richtung reformierten Kirchturm schwimmen, hiess es vor dem Start. Oder einfach den anderen weissen Badekappen hinterher. Mit beschlagener Schwimmbrille kein leichtes Unterfangen. Immer wieder muss ich die Brillengläser von innen abwischen. Das nervt. Doch ändern lässt sich das mitten auf dem Zürichsee kaum – abziehen will ich sie nicht. Doch der Kirchturm kommt näher und näher, ab der Streckenhälfte ist er auch mit trüber Sicht gut zu sehen.

Faszination der Tiefe

Das Tempo ist schnell, Kopf an Kopf wird der Zürichsee überquert. (Bild: Mario Carol)
Das Tempo ist schnell, Kopf an Kopf wird der Zürichsee überquert. (Bild: Mario Carol)

An der tiefsten Stelle misst der Zürichsee 136 Meter. Weit nach unten sieht man nicht. Türkisgrünes vermeintliches Nichts schimmert mir entgegen. Ob das nicht beängstigend sei, fragen viele vor einer Seeüberquerung. Thalassophobie nennt sich die Angst vor tiefem Wasser. Mir macht das nichts aus – ich finde das Erlebnis sogar aufregend, mitten im See zu sein und unter sich nichts zu sehen.

«Der schönste Moment für mich ist, wenn ich die Schwimmerinnen, Schwimmer und Boote sehe, wie sie näherkommen. Dann fühle ich gleichzeitig Ruhe und Erfolg», resümiert Simone Huber. «Und natürlich ist es grossartig, den Finishern zu gratulieren.» In Zollikon wird die Zeit professionell gemessen – alle bekommen ein Zeitmessgerät ums Fussgelenk. Also nicht nur ein Plauschanlass. Das Tempo im vorderen Feld ist zügig. Die schnellste Schwimmerin, Danielle Villars aus Zürich, bewältigt die 1800 Meter in 30 Minuten und 19 Sekunden. Darren Schwab, ebenfalls aus Zürich, ist mit einer Zeit von 29 Minuten 57 der Schnellste an diesem Tag. Die Zweitplatzierten kommen sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen aus den Reihen des Schwimmclubs Zollikon – die Zumikerin Federica Schmidt und der Zürcher Jarno Spichiger. Eine wärmende Bouillon, etwas vom Grill und Giveaways der Sponsoren warten auf die nassen Ankömmlinge.

«Überquerung erfolgreich geschafft», denke ich mir und steige aus dem Zürichsee. Nach 1800 Meter und knapp 50 Minuten sind die Beine wackelig, ich muss mich an Land erst wieder orientieren. 225-mal wurde der Zürichsee an diesem Samstagmorgen erfolgreich überquert. Eine Person wollte lieber mit dem Boot zurück. Kurz nach der Siegerehrung löst sich die Gruppe auf – bis nächstes Jahr wieder miteinander, nebeneinander und gegeneinander geschwommen wird.

Werbung

Verwandte Artikel

Newsletter

Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter und lesen sie die neusten Artikel einen Tag vor der Print-Veröffentlichung.

Dieses Feld wird benötigt.

ANMELDEN

Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.