Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 20. September 2024
In Zumikon ist Tobias Berndt als «Berufsjugendlicher» bekannt. Gemeinsam mit Line Kacprzak hat er die Jugendarbeit aufgebaut. Über fünf Jahre war er auf den Strassen unterwegs, hat Jugendliche angesprochen, Projekte unterstützt oder einfach zugehört. Vor zwei Jahren suchte der mittlerweile 50-Jährige eine neue berufliche Herausforderung – wieder im soziokulturellen Bereich. Dabei ist diese Arbeit nur eine seiner Leidenschaften.
Viel Liebe steckt nämlich auch in kreativer Arbeit – was zurzeit in der Galerie Milchhütte zu sehen ist. Dort zeigt der Wahlzürcher Fotoarbeiten. Das Besondere daran: Die Bilder sind analog entstanden. Er setzt nicht auf die alte Technik, weil er ein Verfechter von «Früher war alles besser» ist. «Ich mag die Begrenzung. Ich habe einen Film mit zwölf Bildern eingelegt. Da muss ich sicher sein, wenn ich etwas aufnehme.» Die Vorliebe für das Analoge zieht sich weiter. Er hört auch Musik gerne von einem alten Plattenspieler – und notiert Termine handschriftlich im Kalender. Er ist damit nicht allein. «Gerade die analoge Fotografie ist wieder im Aufwind. Kameras und Filme werden vermehrt gekauft. Ich glaube, viele sind auf der Suche nach mehr Ruhe, nach Langsamkeit.»
Das kreative Talent wurde ihm durchaus mit in die Wiege gelegt, die seinerzeit in Wien stand. Der Vater war in der Werbung tätig, die Mutter in der Modewelt zu Hause. Nach der Schulzeit in der österreichischen Hauptstadt folgten ein paar Semester Publizistik. Doch parallel realisierte Tobias Berndt schon musikalische und visuelle Projekte. «Wir organisierten viele Partys mit Live-Acts, Super 8 und Dia-Installationen in der damals boomenden elektronischen Wiener Musikszene», erzählt er. Gemäss seiner Passion für Bilder, für das Gestalten absolvierte er eine Ausbildung als Multimediadesigner – in einer Zeit, als das noch Neuland war. Dann kam der Zivildienst in einer Anlaufstelle für Obdachlose. «Der Unterschied zwischen Klientel und Betreuer war manchmal etwas verschwommen …» Das Interesse für die soziale Arbeit war damit geweckt.
Doch zunächst zog er nach Zürich um. Für ein Theaterstück in Wien war er für die Musikauswahl zuständig. Während eines Essens mit dem Ensemble kam er mit einem Zürcher ins Gespräch, der von der wunderschönen Stadt an der Limmat schwärmte. Die Kurzversion: Er besuchte den Zürcher und nach ein paar Aufenthalten verlegte er seinen Lebensmittelpunkt der Liebe wegen dorthin. Er habe schon früh aus Wien weggewollt, dachte allerdings, er schaffe es etwas weiter weg. «Das Ziel war Barcelona», sagt er lachend. In Zürich arbeitete er im Grafik- und Webbereich und kümmerte sich parallel um die beiden Kinder. Als diese in die Schule kamen, begann der Weg auf der sozialen Schiene. Er absolvierte Weiterbildungen, unter anderem soziokultureller Art und im Gemeinwesen, machte schliesslich seinen Master in «Community Development». Mittlerweile ist er bei einer Genossenschaft engagiert und arbeitet viel mit Freiwilligen aller Altersklassen. Sein Atelier beherbergt auch eine Sammlung von Leuchtbuchstaben, die er für Kunstinstallationen verwendet und auch zu Lampen umrüstet.
Tobias Berndt sorgt jedoch dafür, dass ihm genug Zeit bleibt, um mit der Mittelformatkamera loszuziehen. Manchmal mache er sich auf in die Berge. «Dann nehme ich drei Filme mit und habe nur die 36 Schüsse.» Manchmal zieht er durch ein Quartier oder durch die Natur. Er möchte mehr zeigen als schöne Momente oder schöne Landschaften. Jedes Bild hat eine zweite Ebene, einen Bruch. Seine Fotos sollen die Betrachtenden im besten Fall kurz innehalten lassen. So wie er selbst innehalten muss, um das Besondere eines Motivs zu erkennen und einzufangen.
Das ist die Suche nach Ruhe. Mit einer Digitalkamera oder mit dem Smartphone sind schnell 20, 30 Fotos geschossen. «Aber in der Begrenzung liegt auch ein Wert.» Mit Erstaunen stellt er bei den eigenen Kindern diese Suche fest. «Sie entscheiden sich mittlerweile extra für eine kleinere Speicherkarte oder für eine Einmalkamera und entgehen bewusst der Flut der Möglichkeiten.» Er kenne wenige Menschen, die sich regelmässig durch ihre unzähligen Aufnahmen auf dem Handy scrollen. «Das Allerschönste ist doch das Wühlen in Fotokisten und die Abzüge wirklich in den Händen zu halten.»
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