Von Franca Siegfried ‒ 11. Oktober 2024
Die Zeiten, in denen Gemeinden im Alleingang alle Aufgaben stemmen müssen, sollen der Vergangenheit angehören. Zuwenig Fachkräfte, wachsende Bevölkerung, digitale Transformation, zunehmend anspruchsvollere Aufgaben, steigende Kosten usw. bringen sie unter Druck. Nicht zuletzt auch die Rekrutierung von Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, im Milizsystem mitzuwirken. Eine Arbeitsgruppe hat im Rahmen der Plattform «Gemeinden 2030» nach Lösungen für eine Zusammenarbeit der Gemeinden gesucht. Am Gemeindeforum vom kommenden 12. November werden die Erkenntnisse vorgestellt. Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, wird das Forum eröffnen. Ab dem Jahr 2030 sollten die Strukturen der 160 Gemeinden im Kanton Zürich für die Zukunft gerüstet sein.
Die Umstrukturierung der Gemeinden in funktionale «Räume für Zusammenarbeit» muss gemäss Arbeitsgruppe nach dem «Bottom-up-Prinzip» geschehen. Kurz gesagt, Gemeinden entscheiden für sich und stehen nicht unter der Fuchtel des Kantons. Die Gruppe für «Interkommunale Zusammenarbeit» besteht aus 28 Mitgliedern: Vertreterinnen und Vertreter des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich, der Gemeinden und kantonalen Stellen. Zumikon und Zollikon sind nicht dabei. Gemäss Generalsekretariat der Justizdirektion sei eine Mitgliedschaft jedoch jederzeit möglich.
Aufgaben erfüllen, Ämter zusammenlegen? Auf die Frage nach einer möglichen Fusion betonte das Generalsekretariat, dass es um Zusammenarbeit und nicht um Fusion gehe. Fusion ist jedoch die radikalste Form der Zusammenarbeit. Im Kanton Zürich fusionierten zwischen 2014 und 2023 insgesamt acht Gemeinden. Das ist wenig im Vergleich mit anderen Kantonen. Der Kanton Tessin beispielsweise ist daran, seine 135 Gemeinden auf 23 zu reduzieren. Ein Vorhaben, das Verwaltungen besonders effizient gestaltet und garantiert Kosten einspart. Die politischen Auswirkungen von Fusionen auf die direkte Demokratie wird von Politologen beobachtet und erforscht, etwa am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA). Der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsgrösse einer Gemeinde und Demokratie ist in der Politikwissenschaft seit den 1970er-Jahren ein Thema. Der Effekt der Grösse politischer Systeme auf deren Kapazität und demokratische Prinzipien (Partizipation, Repräsentation usw.) bekommen mit Fusionen ein neues Gewicht.
Wird eine Zusammenarbeit konkret, dann können laut Generalsekretariat Stimmberechtigte an einer Gemeindeversammlung oder an der Urne abstimmen. Wegen der interkommunalen Zusammenarbeit werde es keine kantonale Abstimmung geben. An Gemeinde-versammlungen ist jeweils eine grosse Identifikation für die Wohngemeinde des Souveräns wahrnehmbar – eine «geschlossene Gesellschaft». Doch wie wird der Souverän von der Idee «Gemeinden 2030» überzeugt? Die Kommunikation liege allein bei den Gemeinden. Politologe Daniel Kübler, Professor an der Universität Zürich, schreibt in einer Studie «Demokratie nach Gemeindefusionen»: «Neben harten politischen Faktoren spielen auch weiche Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle bei Fusionen. Es scheint wichtig zu sein, Traditionen der kleineren Gemeinde weiterzupflegen, zur Identitätswahrung beizutragen, um Ängsten vor der Assimilation in einer grösseren Gemeinde vorzubeugen.»
Die Zusammenarbeit der Gemeinden wird in sogenannten «funktionalen Räumen» erfolgen. Gemäss Arbeitspapier gehört Zollikon und Zumikon zum Raum «E1». Die Arbeitsgruppe schlug Küsnacht als Zentrum vor. Dieser «funktionale Raum» unterstütze die Zusammenarbeit der Gemeinden. Küsnacht stünden jedoch keine Vorrechte zu, sondern wurde aufgrund der Gemeindegrösse vorgeschlagen, so das Generalsekretariat.
Ein zweiter richtungsweisender Vorschlag der Plattform «Gemeinden 2030» betrifft die Bezirke. Die Einteilung existiert seit 1831 mit zwei Ausnahmen: 1989 wurde Zollikon vom Bezirk Zürich dem Bezirk Meilen zugewiesen und der Bezirk Dietikon wurde eigenständig. Zur bestehenden Einteilung haben sechs Gemeinden (Dietlikon, Embrach, Freienstein-Teufen, Wallisellen, Bülach, Opfikon) die Behördeninitiative «Für eine zeitgemässe dezentrale Organisation des Kantons Zürich» im Kantonsrat eingereicht. Vorgeschlagen ist eine Reduktion der Bezirke von heute zwölf auf maximal zehn. Sie würden deckungsgleich mit den funktionalen Räumen der zusammenarbeitenden Gemeinden. Der Kantonsrat unterstützte die Initiative (März 2022). Sie liegt nun beim Regierungsrat. Dieser Umsetzungsvorschlag wird auch am Gemeindeforum vom 12. November diskutiert. Danach erfolge eine Onlinebefragung bei den betroffenen Gemeinden. Resultate von Befragung und Forumsdiskussion werden dem Regierungsrat Basis des Umsetzungsvorschlages sein. Auch für «Gemeinden 2030» gilt – Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Prozess.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.