Von Franziska Müller ‒ 18. Oktober 2024
Nach der Geburt der Glocke und Werkabnahme letzte Woche können die Beteiligten aufatmen: Alles ist gut. «Es war sogar eine Punktlandung», ruft Christian Thesen fröhlich ins Telefon. Punktlandung bedeutet, dass die Glocke gelungen ist. «Das ist für uns eine grosse Belohnung, wenn eine solch anspruchsvolle Arbeit dermassen gut wird. Natürlich streben wir Glockengiesser dies immer an; trotzdem ist es nicht immer so.» Christian Thesen ist Mitglied der Geschäftsleitung der Firma Rüetschi, 1367 gegründet, die älteste Glocken- und Kunstgiesserei der Schweiz, die noch in Betrieb ist. Er selbst hat das Glockengiessen in einer deutschen Manufaktur vor knapp dreissig Jahren gelernt.
Die Geburt einer Glocke ist eine körperlich anstrengende Arbeit. Geburt – so heisst der Vorgang tatsächlich, wenn die ausgekühlte Bronze aus ihrer Gussform befreit wird. Mit Hammer und Meissel wird der Kern aus gemauertem Ziegelstein und Lehm herausgehauen. Manchmal kommt gar eine Brechstange zum Einsatz, das Material ist durch Guss und Brand steinhart geworden. Der Mantel wird abgehoben, schliesslich werden die Insignien sorgfältig ziseliert und die Oberfläche mit Sand und Wasser sauber gebürstet und gerieben. Die dunkle Gusshaut der Glocke soll unverletzt bleiben; ihre glatte, authentische Oberfläche ist der Stolz der Glockengiesser.
Das Glücken einer Glocke hängt von vielen Faktoren ab. Jede Giesserei hat ihre eigenen Geheimisse, Rezepte, Formen («Rippen» in der Fachsprache). Für «Bruder Klaus» wurde das Lehmschichtverfahren angewendet und die Gussform in vielen Schichten aufgetragen. Damit die Form dem immensen Druck während des Giessens standhält, muss sie fest, und doch eine Spur elastisch sein. Diese Elastizität erreichen die Glockengiesser, indem sie Pferdemist in den Lehm einarbeiten. Die Rezeptur sei eine Art Betriebsgeheimnis «und wohl auch eine Glaubensfrage», sagt Christian Thesen. Er erinnert sich an Betriebe, in denen ein Pferd gehalten wurde, einzig um den allerfrischesten Mist zur Verfügung zu haben. Es gipfelte sogar darin, dass das Pferd eine spezielle Diät zu fressen bekam – im Glauben an die besondere Qualität des so produzierten Mists. «Bei uns jedenfalls wird einfach Pferdemist verwendet», er müsse nicht frisch sein.
Der Ton der «Bruder Klaus» ist rein. «Wobei», erklärt Christian Thesen eine der Wunderlichkeiten der Glockenakustik, «den Ton, den wir laut und deutlich hören, ist in der Glocke nicht vorhanden». Der Anschlagton, oder Nominalton in der Fachsprache, ist physikalisch nicht messbar. Er setzt sich nämlich aus vielen Teiltönen zusammen. Erst diese Frequenzen nimmt unser Ohr als tiefe Brumm- und helle Summtöne wahr. Diese Teiltöne, die unter- oder oberhalb des Nominaltones liegen, bilden das charakteristische Klangspektrum einer Glocke. «Wir nehmen alles darum herum wahr, einen Korb voller Frequenzen, wenn man so will. Doch genau den Ton a1 der ‹Bruder Klaus› hören wir nicht.» Doch er ist da, als Ganzes. Übrigens kann man eine gegossene Glocke «stimmen», jedoch nur, wenn sie zu hoch klingt. Durch Abschleifen im Inneren wird sie tiefer. «Umgekehrt ist unmöglich.»
Kein Mensch wird die Zier der Glocke sehen, hängt sie erst im Kirchturm. Und doch sind die Symbole und Zeichen mit Bedacht gewählt. Die Textzeilen «Heiliger Bruder Klaus bitte für uns» und «Zollikerberg – Zumikon» stehen unter einem Kreuz- und Radsymbol. Die Worte und das Kreuz sind klar, aber das Rad? Es stelle Bruder Klaus’ spirituelle Visionen dar, erklärt Christian Thesen. «Das Rad symbolisiert seine Lehre der inneren Einkehr und der Zwiesprache mit Gott; Bruder Klaus betrachtete Gott als ruhenden Mittelpunkt eines Rades.» Und die Speichen? «Sie repräsentieren die Aspekte des weltlichen Lebens, die durch das Zentrum – also Gott – zusammengehalten werden.»
Wer ist Bruder Klaus?
Niklaus von der Flüe, Bruder Klaus genannt, 1417 in der Region Obwalden geboren, war ein Einsiedler und Mystiker. Er lebte als Bauer, Politiker und Familienvater, bevor er sich mit fünfzig Jahren in die Einsamkeit zurückzog. Er machte sich einen Namen als Friedensstifter der zerstrittenen Eidgenossenschaft und war über die Konfessionsgrenzen hinaus eine geachtete Persönlichkeit. 1984 durch Papst Johannes Paul II heiliggesprochen, erhoben ihn zahlreiche Kirchen und Kapellen zum Patron. So auch in Zumikon. Die Namensgebung der neuen Glocke soll den Zusammenhalt in der Pfarrei unterstreichen, die Katholikinnen und Katholiken von Zumikon als auch vom Zollikerberg vereint.
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