Das Klima treibt um

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 8. November 2024

Der Vortrag der Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne unterstrich die Notwendigkeit des schnellen Handels: «Wir sind nicht annähernd auf Kurs.»

Alessandro Monti und Katharina Schweizer (l.) von den heimischen Grünen und der grüne Kantonsrat 
Thomas Forrer (2.v.r) begrüssten Sonia Seneviratne und Ueli Mäder.
Alessandro Monti und Katharina Schweizer (l.) von den heimischen Grünen und der grüne Kantonsrat
Thomas Forrer (2.v.r) begrüssten Sonia Seneviratne und Ueli Mäder.

 Es war kein erbaulicher Vortrag, den Sonia Seneviratne vergangene Woche in Zumikon hielt. Auf die Leitfrage «Wie viel Zeit bleibt uns, um unser Klima zu retten?» ­hatte die Wissenschaftlerin eine erschreckende Antwort: Eigentlich keine mehr. Und trotzdem schaffte es die international anerkannte Forscherin, motivierend und hoffnungsvoll zu informieren. Sachlich führte sie durch einen kurzweiligen Abend. Viele Besucher und Besucherinnen waren der Einladung der Grünen in den Kirchgemeindesaal gefolgt, um Fakten aus erster Hand zu hören. Als ordentliche Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH Zürich und Mitglied des Weltklimarats ist Sonia Seneviratne umfassend informiert. Sie zeigte aktuelle Bilder aus Spanien, wo just an dem Tag Überschwemmungen für viele Tote und Chaos gesorgt hatten. Sintflutartige Regenfälle einerseits und Dürren ­andererseits seien die besonderen Herausforderungen des Klimawandels. Mit Bildern aus Europa, Pakistan, Libyen und auch Kanada unterstrich sie die weltweite Bedrohung. «Wir können das Rad nicht zurückdrehen, aber wir können es etwas bremsen.» Mittlerweile sei die globale Erderwärmung bei 1,3 Grad ­angekommen, was irreversibel und auch beispiellos in den vergangenen 100 000 Jahren sei. «2023 war das wärmste Jahr, das wir jemals gemessen haben.» Auch mit Blick auf die Schweiz hatte die Referentin keine guten Nachrichten. Hier liege die Erderwärmung bereits bei 2,5 Grad. Der Eindruck, den viele vom Wetter haben, spiegelt sich im Klima wider; die Temperaturen steigen ebenso wie die Niederschlagsmengen.

Probleme publik machen

Aber Sonia Seneviratne sieht es nicht als ihre Aufgabe, schlechte Nachrichten zu verbreiten. Vielmehr möchte sie die Probleme sichtbar und publik machen. «Wir müssen weniger Energie verbrauchen und gleichzeitig Energie anders gewinnen.» Die Verbrennung fossiler Brennstoffen bei gleichzeitiger Abholzung müsse besser heute als morgen gestoppt werden. «Aktuell sind wir nicht mal annähernd auf Kurs.» Es gehe kein Weg am Ausbau erneuerbarer Energie vorbei, ein Umdenken in der Gesellschaft sei unabdingbar. Es gebe grosses Potenzial zur Minderung der Emissionen, und viele Optionen seien sogar kostengünstiger als die fossilen Energieträger. «Eine Welt ohne Kohlenstoffdioxid könnte schön sein», betonte sie und verwies auf die sinkende Lärmbelastung, eine bessere Luftqualität und geopolitische Sicherheit. Gerade mit Blick auf unsere Kinder seien das weltweite Bewusstsein zu schärfen und Massnahmen umzusetzen.

So glücklich die Wahl der Referentin war, so unglücklich war die Wahl des Moderators. Ueli Mäder, Soziologe und Autor, vergass über weite Strecken seine eigentliche Aufgabe. Er hätte selbst Fragen stellen und auch diejenigen aus dem Plenum aufnehmen müssen. Doch er erging sich in eigenen Thesen und Philosophien, beantwortete seine eigenen Fragen und musste vom ­Publikum lautstark an seine eigentliche Aufgabe erinnert werden.

Versöhnlicher Abschluss

Angesprochen auf die weltweit fehlende Bereitschaft, sich auf den Klimawandel einzustellen, hielt Sonia Seneviratne den Zuhörenden den Spiegel vor. «Wir sind nicht so fortschrittlich, wie wir vielleicht denken. Wenn wir unseren Konsum betrachten, steht die Schweiz ziemlich schlecht da.» Für einen versöhnlichen Abschluss des Abends sorgte Grafiker Roland Siegenthaler. Während des Vortrags hatte er mit schnellem Stift pointierte Skizzen zu Papier gebracht und gab sie dem Publikum mit einem Schmunzeln auf den Heimweg.

Zur Person
Sonia Seneviratne ist eine international anerkannte Klima­expertin und eine der führenden Expertinnen für die Mechanismen extremer Wetterereignisse. Die Professorin ist eine Hauptautorin des Weltklimaratsberichts zur 1.5°C Klimaerwärmung (2017–2018) und koordinierende Hauptautorin des 6. Klimaberichts (2018–2021) des Weltklimarats.
1974 in Lausanne geboren, studierte sie Biologie an der Universität Lausanne sowie Umweltphysik an der ETH Zürich und am Massachusetts Institute of Technology. Sie promovierte in Klimaforschung am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH und war Postdoktorandin an der NASA/Goddard Space Flight Center. 2007 wurde sie zur Assistenzprofessorin an der ETH gewählt, 2013 zur ausserordentlichen Professorin und 2016 zur ordentlichen Professorin.

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