Schlendern ist Luxus

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 15. November 2024

Schulwege in Zollikon und Zumikon: besser zu Fuss, am besten gemeinsam. Begegnungszone soll nicht kommen, dafür sollen Elterntaxis zu Hause bleiben.

Kein Trottoir, aber reger Autoverkehr: Eltern der Oescher-Primarschule wünschen sich den Vortritt für Fussgänger. Der Gemeinderat sieht aktuell keinen Bedarf. (Bild: bms)
Kein Trottoir, aber reger Autoverkehr: Eltern der Oescher-Primarschule wünschen sich den Vortritt für Fussgänger. Der Gemeinderat sieht aktuell keinen Bedarf. (Bild: bms)

Der Zolliker Gemeinderat hat entschieden: Es gibt vorerst keinen Antrag an die Kantonspolizei für die Einrichtung einer Begegnungszone. Bis Klarheit herrsche über die ­Zukunft des Beugi-Areals und die Gestaltung des öffentlichen Raums im Gebiet Alte Landstrasse, mache eine Begegnungszone wenig Sinn. «Bei der Alten Landstrasse handelt es sich um eine Tempo-30-Zone, mit Sofortmassnahmen konnte das Parkieren ausserhalb der Parkplätze reduziert werden. Zur Entlastung der Alten Landstrasse ist zudem eine Steigerung der Attraktivität des Parkhauses mit Gratisparkplätzen für die erste Stunde und einer verbesserten Signaletik für das Parkhaus geplant», erklärt Kommunikationsfachfrau Melanie Marday-­Wettstein.

Die Projektgruppe der Oescher-­Primarschule hatte im Oktober den Antrag zur Errichtung einer Begegnungszone für die Strasse gestellt – aktuell wird auch im Hirslanden-Quartier diese Regelung kontrovers diskutiert. «Eine solche Begegnungszone ist keine Fussgängerzone», betont Karin Ulrich von der Projektgruppe. Damit würde lediglich die Vortrittsregelung geändert. Das heisst: Die Fussgänger hätten Vortritt. Zudem würde eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h gelten. «Über die Alte Landstrasse gehen die Mädchen und Jungen nicht nur am Morgen und am Nachmittag, sondern auch zwischendurch, zum Beispiel zur Musikschule oder zum Religionsunterricht», führt Karin ­Ulrich aus. Von der neuen Regelung wären die Parkplätze nicht betroffen. «Es gäbe keine Nachteile für das Gewerbe.» Aktuell erlebe sie immer wieder, dass Autofahrer angesichts der vielen Fussgänger die notwendige Rücksicht nicht aufbrächten. «Da es eben kein Trottoir gibt und die Fahrbahn sehr schmal ist, kommt es häufig zu Konfliktsituationen.»

Nicht zufrieden ist die engagierte Mutter zudem mit dem Parkplatz zwischen Gemeindehaus, Polizei/Feuerwehr und beiden Schulen. Es seien aber nicht die Elterntaxis, die für eine Gefährdung sorgten. Der Parkplatz werde vielseitig genutzt: von Kunden der Gemeinde und der Banken an der Bergstrasse, Besuchern bei der Polizei und Handwerkern. Und nach Schulschluss würden Schüler und Schülerinnen der Buechholzschule auf den Bus rennen – oft direkt über den Platz und die Zufahrt, ohne nach links oder rechts zu schauen. «Das ist eher eine Frage der Infrastruktur und auch der Bus-Taktung.» Nach ihrer Wahrnehmung werde der Parkplatz kaum von Müttern und Vätern zum Ein- oder Ausstieg genutzt. Es sei einfach gefährlich, wenn sich die Kinder zwischen den Autos ihren Weg bahnen.

Das weiss auch Manuela Sereinig. Doch die Zolliker Polizistin, verantwortlich für den Bereich Schulweg und Kinder, sieht es anders. «Die Zustände dort sind mir wirklich ein Dorn im Auge.» Immer wieder werde an Informationsveranstaltungen darauf hingewiesen, was bei vielen Eltern auf taube Ohren stosse. «Viele Mütter oder Väter parkieren nicht mal richtig, sondern halten nur.» Dazu seien die Autos immer grösser geworden. Es werde unüberschaubarer. «Dann kommen eben noch die grösseren Schüler, die sich da durchquetschen müssen, um ihren Bus noch zu bekommen. Diese ­Situation schätzt sie als wesentlich gefährlicher ein als die Lage an der Alten Landstrasse. «Das ist bereits eine 30er-Zone. Zusätzlich haben wir Massnahmen ergriffen, die das Überqueren sicherer machen.» Am Ende der Buchholzstrasse gebe es eine Wartezone mit aufgemalten Füssen, von wo die Kinder einen guten Überblick über die Strasse ­haben. «Aber natürlich muss, wie überall, gut geschaut werden.»

Drop-off-Zone

In Zumikon sind die so genannten Elterntaxis auch bekannt – vor allem durch die International School (ICS). Wer morgens um halb zehn oder nachmittags um halb vier über den Kreisel zwischen Migros und Coop will, muss sich Zeit lassen. Das ist so eingeplant. Die ICS hat eine eigene Drop-off-Zone, wo Väter und Mütter ihre Kinder ein- und aussteigen lassen können. Bei der Primarschule oder auch beim Chindsgi sei das kein grosses Thema. «Natürlich kommt es immer mal wieder vor, dass ein Auto um 8.20 Uhr fast auf dem Pausenplatz hält und ein Kind in die Schule stürmt. Aber das ist die Ausnahme», erklärt Schul­leiter Philipp Apafi. Auch, wenn es zeitlich eng werden sollte, rät er davon ab, das Kind zu chauffieren. «Dann kommt es halt zu spät zum Unterricht. Das wird dann schon seine Wirkung haben.»

Weil die Zufahrt zur Schule durch die Unterführung verboten ist, wird die Leugrueb zur Haltestelle für Eltern-Taxis. (Bild: bms)
Weil die Zufahrt zur Schule durch die Unterführung verboten ist, wird die Leugrueb zur Haltestelle für Eltern-Taxis. (Bild: bms)

Apropos Wirkung: Auf die positiven Auswirkungen des Schulwegs weisen seit langem unterschiedlichste Institutionen hin. Die Kinder haben Bewegung, sie werden sicherer im Verkehr, sie erkunden ihre Welt, haben soziale Kontakte und werden selbstständiger. «Wenn das Kind wirklich mit dem Auto gebracht werden muss, reicht vielleicht eine Teilstrecke. Wenn es im Dorf aussteigt, hat es noch die Chance, auf Mitschüler und Mitschülerinnen zu treffen.»

Grundsätzlich erlebt der Schulleiter aber die Haltung, dass die Kinder ihren Schulweg allein zu Fuss, mit dem Trottinett oder dem Velo meistern sollten. Das bestätigt auch eine Umfrage der Zumiker Elternmit­wirkung vor einigen Jahren. Mehr als 85 Prozent der Befragten war es wichtig, dass das Kind den Schulweg selbstständig bewältigen kann. Von 445 Fragebögen kam knapp die Hälfte ausgefüllt zurück. » Ein Ergebnis der Umfrage war auch der Wunsch, den Übergang an der Gössiker Strasse sichtbarer zu machen – was durch die Abteilung Tiefbau geschehen ist.

Neuralgischer Punkt

Wenn es in Zumikon einen neuralgischen Punkt gibt, liegt er genau dort: Ecke Leugrueb, Gössikerstrasse. Direkt oberhalb der Unterführung ist es am Morgen und am Mittag manchmal eng. Da die ­Zufahrt zur Schule verboten ist, klappen hier nun die Autotüren auf und zu. «Es ist ja nicht verboten, sein Kind mit dem Auto zur Schule zu fahren», betont Roger Ryser, Chef der Zumiker Polizei. Doch sporadisch – und gerade zu Beginn des Schuljahres – seien er und Kollegen immer mal wieder vor Ort, um zu sensibilisieren. Die Argumentationskette ist dabei kurz: mehr Autos, mehr Verkehr; mehr Verkehr, mehr Unfälle.

Was sie jedoch beobachten sei, dass die Schüler und Schülerinnen in Gruppen laufen. «Manchmal ist noch eine erwachsene Begleit­person dabei. Das ist dann doch optimal.»

Etwas anders sieht die Situation beim Chindsgi aus. «Früher hatten wir die Kindergärten in den Quartieren», weiss Philipp Apafi. Da ­waren die Wege automatisch kurz. Nun gibt es nur einen Chindsgi am Farlifang. Da könnte sich der Weg für Kinder, die am Fallacher an der Grenze zu Küsnacht oder oben am Chapf wohnen, schon mal ziehen. Doch bei solch überlangen Schulwegen bietet die Zumiker Schule einen eigenen Taxidienst an, sodass auch hier Mama oder Papa sich nicht hinter das Lenkrad setzen müssen.

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