Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 15. November 2024
Die Jugend von heute liest fast nicht mehr – und wenn, dann höchstens WhatsApp-Nachrichten oder SMS. Das mag auf manche Jugendliche zutreffen. Nicht auf Sofia Vuskovic. Die junge Zollikerin liest nicht nur. Sie schreibt sogar. Nun ist ihr erster Roman erschienen.
Doch der Reihe nach. Aufgewachsen im Zollikerberg besuchte sie die Schule Rüterwis, als Papa beruflich für zwei Jahre nach Kalifornien musste. Die Eltern packten die Koffer und flogen mit den drei Töchtern in die USA. «Es war eine wunderschöne Zeit», erinnert sich Sofia Vuskovic. Ihr Englisch sei zunächst fürchterlich gewesen, doch sie lebte sich schnell ein, begann das Land zu lieben. «Die Leute sind so offen, man fühlt sich gleich willkommen. Alle wirken so entspannt, die Lebenseinstellung ist leichter.» Sie besuchte in der Nähe von San Francisco eine zweisprachige Schule. Als bei einem Schulprojekt einmal alle das machen durften, was ihnen wirklich Spass machte, entschied sich Sofia für Gedichte. Ein bisschen habe sie schon zuvor mit Sprache gespielt. «Doch das war das erste Mal, dass ich mich bewusst für Gedichte über Migration entschieden habe. Das Thema berührt mich und ist mir wichtig.» Bei der Vorstellung der Projekte, wurde auch ihr Gedichtheft verteilt. «Viele haben es mitgenommen. Ich weiss natürlich nicht, ob sie die Gedichte auch gelesen haben.»
Die zwei Jahre vergingen im Flug, und schon ging es wieder Richtung Schweiz, wo Sofia ins Gymnasium Rämibühl eintrat. Das Interesse für Literatur blieb; sie engagierte sich nicht nur regelmässig an den Erzählnächten der Schule, sondern beteiligte sich auch am Schulwettbewerb «Zwischenstunde» – gekrönt mit dem zweiten Rang. Der Erfolg bestätigte und spornte an. Während der Sommerferien vor der vierten Klasse las sie den Roman «Der wiedergefundende Freund» von Fred Uhlman. Das Buch erzählt die Geschichte zweier 16-jährigen Jungen, welche die gleiche exklusive Schule besuchen. Der eine ist Sohn eines Arztes, der andere stammt aus einer reichen Adelsfamilie. Zwischen den beiden entsteht eine innige Freundschaft, ein vollkommenes, magisches Einverständnis. Ein Jahr später ist die Beziehung zerbrochen. Das geschah 1933 in Deutschland. «Die Geschichte hat mich berührt und traurig gemacht. Am Schluss sass ich da und war einfach nur ergriffen.» Sie habe sich gefragt, was sie mit den Gedanken und Gefühlen anfangen soll – und begann zu schreiben. Der Roman «Auf dem Meer segeln Papierschiffchen» nahm Gestalt an. Die Worte seien wie von allein geflossen. Im Mittelpunkt steht ebenfalls eine zerbrochene Freundschaft, aber auch die Frage: Wollen wir nicht häufig zu viel? «Wir empören uns oft über Kleinigkeiten, streben immer nach noch mehr.» Die Autorin möchte mit ihrem Roman anregen, mal über sich selbst nachzudenken und über den Umgang mit anderen. Angesiedelt ist die Geschichte in Italien – eine Hommage an ihre Mutter aus dem Tessin. «Wir sprechen zuhause italienisch, aber trotzdem schreibe ich lieber auf deutsch.» Auch ihre Schwestern kommen indirekt vor. Als sie noch klein gewesen seien, hätten sie oft Papierschiffchen auf einem Fluss treiben lassen. «Eine klitzekleine Welle reicht schon, und die Schiffchen gehen unter.» Diese Sensibilität und Fragilität möchte die Autorin durchschimmern lassen. Auch ein eigenes Gedicht unter dem Titel «Papierschiffchen» findet sich im Roman, das eine der grossen Tragödien unserer Zeit thematisiert: das Massensterben von Fluchtsuchenden in den Weltmeeren.
Sofia Vuskovic schickte das Manuskript an den Novum-Verlag und bat um ein Feedback. «Ich wollte nur wissen, ob die Geschichte Potential hat.» Der Verlag entschied sich, das Buch – natürlich gegen einen Druckkostenbeitrag – zu drucken. Nun ist es über jede Buchhandlung und im Internet zu bestellen. «Das kann ich immer noch nicht ganz glauben», sagt Sofia Vuskovic lachend. Mittlerweile ist sogar die Übersetzung ins Englische in Bearbeitung. Das eigene Buch bekannten oder auch fremden Lesern zu präsentieren, mache verletzlich. Doch die Grosseltern, Eltern und auch Freundinnen seien begeistert. «Aber immer, wenn mir jemand erzählt, er habe mein Buch gelesen, werde ich gleich etwas nervös und hoffe, dass er es gut gefunden hat.»
Eigentlich müsste die Autorin nun auf Lesereise gehen, mehr Zeit in die Vermarktung stecken. Aber da ist ja noch die Schule. Ihr Buch bekannter zu machen, falle ihr schwerer als gedacht, meint sie. «Was aber enorm hilft, ist eine Bewertung für die Buchhandlung Orell Füssli zu schreiben.» Sofia Vuskovic ist just im schweren fünften Jahr, möchte nächstes Jahr die Matura erlangen, um dann wahrscheinlich Jura zu studieren. «Das ist noch nicht in Stein gemeisselt, aber ich kann es mir gut vorstellen.» Das Schreiben möchte sie nicht zum Beruf machen. Zu ungewiss seien Verdienstmöglichkeiten und Karrierechancen. «Das wäre mir zu unsicher; ich möchte die Lust am Schreiben behalten.» Ein Zwischenjahr will sie sich nicht gönnen, sondern so schnell wie möglich mit dem Studium loslegen. «Ich hätte sonst ein wenig Angst, dass ich das Lernen verlerne.»
Ideen für neue Bücher hat sie auf jeden Fall. «Die aktuellen Geschehnisse bieten so viel Stoff, da würde mir sicherlich eine weitere Geschichte einfallen. Aber jetzt bin ich erstmal mit meinen Papierschiffchen unterwegs.» Mal sehen, in wie vielen Häfen die anlegen.
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