In Menschen schauen und Kunst sehen

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 29. November 2024

Garda Alexanders Weg von der Medizin in die Welt der Farben und Formen. Nach 15 Jahren verlässt sie die Villa Meier-Severini.

Noch geniesst Garda Alexander die Wohnung in der Villa Meier-Severini, umgeben von Kunstarbeiten der vergangenen 15 Jahre. (Bild: bms)
Noch geniesst Garda Alexander die Wohnung in der Villa Meier-Severini, umgeben von Kunstarbeiten der vergangenen 15 Jahre. (Bild: bms)

Frau Alexander, wie oft wurden Sie schon mit falschem Vornamen angesprochen?

Das kommt tatsächlich oft vor. Garda Alexander ist mein Künstlername, damit ich eine Identität habe in meinem künstlerischen Wirken. Mein Mädchenname lautet Christine Hildegard Schulte, mein angeheirateter Name Christine Hildegard Zinsli. Meine Werke mit unterschiedlichen Namen zu zeichnen ist nicht vorteilhaft. Der Künstlernamen bleibt, er ist sozusagen mein Label. Übrigens steht dieser im deutschen, wie im Schweizer Pass. Jede Person, die künstlerisch professionell arbeitet, kann einen Künstlernamen beantragen.

Wie kam es, dass Sie in der Villa Meier-Severini wohnen konnten – sicher ein Traumort für eine Künstlerin?

Als ich 2009 eine Einzelausstellung in der Villa Meier-Severini realisierte, eine kleine Retrospektive mit der Einführung meiner Monografie «Licht Farbe Form», fragte ich, warum die Wohnung im Dachgeschoss leer sei. Die Antwort war, der Nutzungsplan für das Haus sei noch unklar. Als Gegenfrage kam: sind sie interessiert? Das war ich – und mietete die Wohnung, mittlerweile wohne ich bald 15 Jahre hier.

Wie beurteilen Sie das neue Konzept für die Villa?

Die Villa Meier-Severini soll ein Haus für Kunst und Kultur sein – das ist, denke ich, die ursprüngliche Idee, und ich freue mich, dass es nun ein Begegnungsort wird, ein Museum, ein Kunst- und Kulturort für die Gemeinde und über die Gemeinde hinaus.

Und was sollte Ihrer Meinung nach mit dem Haus passieren, in dem das Ortsmuseum jetzt beheimatet ist?

Das Haus eignet sich bestimmt für Wohnungen oder vielleicht als Wohn- und Atelierort – was es in früheren Zeiten auch war. Zudem wünsche ich mir für die Gemeinde, dass man die Geschichte dieses Hauses nach der Umgestaltung noch spüren und erleben darf.

Wie sind Sie selbst zur Kunst gekommen, zur Künstlerin geworden?

Die Veranlagung hatte ich schon als Kind. Meine Eltern haben mir früh Farben und Stifte gegeben, ­obwohl sie nicht aus der Kunstwelt kommen. Mein Zuhause war die Landwirtschaft, meine Familie lebte in einem kleinen Weiler. Später haben meine Lehrer die Eltern überredet, mich ins Gymnasium gehen zu lassen. Dort haben die Zeichenlehrer und -lehrerinnen mich gefordert, gefördert. Die Leidenschaft war da, aber diesen Weg tatsächlich zu gehen, war eine ­Herausforderung, die viel Disziplin erforderte. Da die finanziellen ­Mittel fehlten, arbeitete ich, um die Ausbildung zu finanzieren. Zudem gab es noch einen Umweg. Mein Vater starb, als ich 21 Jahre alt war. Der Schmerz, die Trauer haben viele Fragen aufgeworfen. Ich wollte wissen, warum wir krank werden, wie unser Körper funktioniert – und beschloss, Medizin zu studieren. Pathologie und Physiologie, in Menschen hineinschauen zu können, das faszinierte mich. Dieses Studium hat mich auch künstlerisch inspiriert: Ein grosses Thema ist «Kreation und Vergänglichkeit» und das Potential unseres Geistes. Kurz zusammengefasst: Ich habe das klassische Medizinstudium ­abgebrochen, aber als Naturärztin abgeschlossen. Nach meiner Scheidung habe ich 1993 auch meine Praxis aufgegeben und bin ganz in die Kunst abgetaucht. Eine ­Entscheidung, die ich nie bereut habe – es ist mein Herzensweg. Ein zwar streckenweise steiniger Weg, doch ohne den Glauben, dass ich über meine Werke etwas zu sagen habe, dass diese inspirieren, erfreuen können, wäre ich diesen Weg nicht weiter gegangen.

Sie haben dieses Jahr in Irland einen Kraftort gefunden. Was bedeutet Ihnen ein solcher Ort?

Solche Orte zu erleben, ist ein grosses Geschenk. Ich bin dankbar, dass ich für diesen Artist in Residence-Aufenthalt ausgewählt wurde und an einem kulturhistorisch so bedeutenden Ort ein Projekt realisieren durfte. Kraftorte zu recherchieren, zu finden, und Räume in Kraftorte zu transformieren, ist die Essenz meiner Arbeit. Ich arbeite auch für Auftraggeber. Hier ist meine Mission und Aufgabe, Wohn- und Arbeitsräume in Orte der Kraft, in inspirierende wie erholsame Räume zu verwandeln.

Sie haben in den verschiedensten Ländern gelebt und gearbeitet. Inwiefern widerspiegeln sich die Länder in Ihren Arbeiten?

Meine Themen sind vielfältig, aber doch konzentriert auf zwei grosse Kernthemen: Licht, Farbe, Form sowie Kreation und Vergänglichkeit. Die Inspirationen von Ländern und Kulturen haben das Spektrum geöffnet, diese Themen mit unterschiedlichen Techniken und Materialien umzusetzen. Ich erschaffe Wahrnehmungsräume, in die ich die Betrachtenden einlade, ein­zutauchen. Andererseits rege ich Reflektionen an: wie kraftvoll wir sind, all unsere Gedanken kreieren Realitäten.

Sie arbeiten auch im Auftrag. Ist es in Ihren Augen legitim, wenn Menschen Kunst passend zum Sofa und Teppich auswählen?

Dieses spezielle Thema wird seitens der Kunstwelt kritisch betrachtet. Ich finde es zulässig, wenn der Mensch in seinen Lebensbereichen über Farbe und Form Harmonie kreieren möchte. Das heisst noch lange nicht, dass diese Kunst Dekoration ist. Ausschlaggebend ist die Wahl des Werkes, die Platzierung und Anordnung mit den anderen Elementen im Raum.

Sie sind in Deutschland aufgewachsen. Was sind für Sie die grössten Unterschiede zwischen dem Leben dort und dem Leben in der Schweiz?

Wie schon gesagt, ich komme vom Land. Ich liebe die Natur und in der Natur zu sein. Hier in der Schweiz bin ich in einem Naturparadies und zugleich nahe der Stadt mit ihrer Vielfalt an Kultur und Kunst. Ich lebe schon länger im Kanton Zürich als im Ort, wo ich aufgewachsen bin. Zollikon ist meine Heimat geworden. Wenn ich mit offenem Geist und Herzen auf Menschen und neue Situationen zugehe, dann kommt es immer gut – egal in welchem Land ich bin.

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