Von Joachim Lienert ‒ 6. Dezember 2024
Der Gemeinderat freue sich auf eine fröhliche Gemeindeversammlung, eröffnete Gemeindepräsident Sascha Ullmann den Abend. Fröhliche Momente gab es einige – die Portion Kritik kam zum Schluss. Vier der fünf Traktanden winkt die grosse Zahl von 317 Stimmberechtigten im voll besetzten Gemeindesaal – nicht der schönste Saal der Gemeinde, doch dazu später – praktisch durch. Das Budget: eine Freude, wie Finanzvorsteherin Sylvie Sieger feststellt: «Die Steuern sprudeln nach wie vor.» Den Einnahmen von 209 Millionen Franken stehen Ausgaben von fast 213 Millionen gegenüber. Seit März steht Zollikon ohne Schulden da. Bewusst soll das finanzielle Polster weiter abgebaut werden, hat die Gemeinde doch ein Nettovermögen von über 100 Millionen Franken. Viktor Sauter, der Präsident der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK), empfiehlt das Budget zur Annahme, mahnt zugleich zur Vorsicht und zeigt einen interessanten Vergleich: Im Jahr 2010 betrug der Gesamtaufwand der Gemeinde noch 167 Millionen Franken; mittlerweile liegt er bei knapp 213 Millionen.
Es stehen grosse Investitionen an. Für 2025 sind knapp 38 Millionen Franken budgetiert, 20 Millionen allein für die Sanierung des Schwimmbads Fohrbach. Die Anwesenden nehmen das Budget praktisch ebenso einstimmig an wie den Steuersatz, der unverändert bei 76 Prozent bleibt.
Kaum zu reden geben auch die Traktanden Photovoltaikanlage auf dem Gemeindesaal, Ersatz der Wärmeerzeugung der Schulanlage Rüterwis im Zollikerberg und Erhöhung der Entschädigung des Friedensrichteramts. Praktisch immer gehen alle Hände hoch: ja.
Mehr Brisanz hatte man im Vorfeld von der Weiterführung eines Restaurants in der Trichtenhausermühle erwartet. Liegenschaftenvorsteher Patrick Dümmler sagt denn auch: «Wahrscheinlich sind heute viele wegen dieses Geschäfts gekommen.» Der ZoZuBo berichtete darüber: Letztes Jahr hiess die Gemeindeversammlung die Einzelinitiative von Fritz Wolf gut, die verlangt, dass das Restaurant mit Saal erhalten bleibt. Die Gemeinde legt nun einen Vorschlag zur Abstimmung vor, wie sich dieses Anliegen umsetzen liesse. Dieser sieht einen Vertrag mit den Grundeigentümern der Trichtenhausermühle vor, mit dem sie sich verpflichten, das Gebäude zu sanieren und anschliessend 30 Jahre lang einen Restaurationsbetrieb zu führen bzw. führen zu lassen. Die Gemeinde würde pro Betriebsjahr 50 000 Franken ausrichten, total 1,5 Millionen. Ein emotionales Thema, wie die Voten zeigen. Renate Diener vom Quartierverein Zollikerberg betont: «Die Trichti ist wichtig für unsere Gemeinde. Sie ist ein ganz spezieller Ort für alle.» Felix Heer von der FDP entgegnet: «Wenn ich die Menükarte des heutigen Abends anschaue, wird uns wahrlich dicke Kost serviert. Der Gemeinderat erhält die Befugnis, in Eigenregie mit der Besitzerfamilie einen Vertrag auszuhandeln, doch es gibt keine Sicherheit, dass über die 30 Jahre wirklich ein Gastrobetrieb weitergeführt wird.» Thomas Gugler sagt: «Der Saal der Trichtenhausermühle ist der letzte im Zollikerberg, der schön ist.» Und fügt unter Gelächter an: «Seien wir ehrlich, der Charme dieses Saals hier ist bescheiden.» Bei der Abstimmung wird es zum einzigen Mal an diesem Abend knapper – und bleibt doch deutlich: 221 Anwesende stimmen für den Kredit, 84 dagegen. Die schwere Kost ist gegessen.
Noch schwerer wird es erst nach den Traktanden. Eingegangen sind drei Anfragen nach §17 des Gemeindegesetzes. Sie betreffen die Deponie Zollikerberg, das Schwimmbad Fohrbach und das ehemalige Altersheim am See. Als erahne er die kommende Schelte, sagt Sascha Ullmann: «Der Gemeinderat stellt fest, dass gerne und vermehrt die Möglichkeit genutzt wird, Anliegen nach §17
des Gemeindegesetzes ausserhalb der traktandierten Geschäfte an der Gemeindeversammlung anzusprechen.» Um dieses Bedürfnis aufzunehmen, wolle er deshalb neu das Format eines politischen Themenabends einrichten. Die Bevölkerung solle dabei Themen ansprechen können, die nicht an einer Gemeindeversammlung traktandiert sind. Ein solcher Anlass wird erstmals am 9. April 2025 um 19.45 Uhr stattfinden.
Dann kommt die Rute: Thomas Gugler hatte eine mehrteilige Anfrage zum Schwimmbad Fohrbach eingereicht. Er will unter anderem wissen, seit wann die Gemeinde vom Anliegen eines Nachbarn wisse, schliesslich sei das Fohrbach seit dem 1. Oktober geschlossen, doch wegen eines hängigen Rechtsmittelverfahrens konnte man mit dem Umbau nicht beginnen. Die Antworten, die André Müller im Namen des Gemeinderats vorträgt, überzeugen ihn nicht. Thomas Gugler kritisiert, man habe rund fünf Monate bei der Sanierung des Schwimmbads verloren, «aber nicht wegen der Einsprechenden. Für jeden war offensichtlich, dass am 1. Oktober nichts ging. Es dauerte bis am 19. November, als ich meine Frage stellte, worauf die Gemeinde am 25. November eine Medienmitteilung herausgab. Sie insinuierte, dass die (einsprechenden, die Red.) Damen und Herren schuld seien an der Verzögerung; aber dem ist nicht so.» Die Gemeinde habe lange gebraucht, bis eine Vereinbarung zur Unterschrift vorlag, obwohl die Einsprechenden schon vorher zu einer Einigung bereit gewesen seien. Zum Schluss bittet er den Gemeinderat eindringlich: «Agiert – und reagiert nicht, führt – und verwaltet nicht! Es geht um ein Projekt von 50 Millionen Franken, das wir alle bezahlen, wenn dieses Geld überhaupt reicht …» Plötzlich wirkt das Filetstück des Abends, die 1,5 Millionen für die Trichtenhausermühle, im Vergleich erstaunlich leicht.
Der Gemeinderat nimmt die Schelte kommentarlos entgegen. Um 22.30 Uhr schliesst Gemeindepräsident Sascha Ullmann die Versammlung mit den besten Wünschen für eine schöne Weihnachtszeit. Trotz vorgerückter Stunde unterhalten sich noch gegen hundert Teilnehmende angeregt beim Apéro.
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