Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 13. Dezember 2024
Eigentlich müsste Heinz Brunner an der Spitze von «Senioren für Senioren» eine absolute Fehlbesetzung sein. Der 74-Jährige sagt von sich selbst, dass er überhaupt kein Vereinsmensch sei. Zudem habe er sich lange in Zollikon nicht wirklich heimisch gefühlt. Dabei zog er mit der Familie bereits zum Schuleintritt der Kinder vor rund 40 Jahren nach Zollikon; doch er war viel in der Deutschschweiz unterwegs und im Dorf nicht präsent.
Als Halb-Bündner ist er in Zürich aufgewachsen und studierte Deutsch, Englisch und Philosophie. Heinz Brunner hat auf allen Stufen – von der Primarstufe bis zur Universität – unterrichtet und sich parallel zum Berater im Bereich Coaching und Organisationsentwicklung ausgebildet. «Ich war damals am Gymnasium Wetzikon tätig, und der Deal war, dass die Schule mir die Zeit für die Ausbildung gibt, ich diese aber selbst finanzierte.» Später konnte er das neue Wissen im Qualitätsmanagement der Schule einbringen. Als Lehrer habe er sich oft am Rande des Möglichen getummelt. Er hat eine Schülerzeitung initiiert, eine Theatergruppe geleitet, Skitouren und -lager organisiert. Das grosse Feld der ganzheitlichen Wissensvermittlung war seine Leidenschaft. In der Bildungslandschaft sei eben auch vieles nicht gut gelaufen. Als Berater wirkte er dem entgegen – bis sein Körper ihm mit 58 Jahren signalisierte, dass er diesem zu viel zugemutet hat. Er konzentrierte sich ganz auf die Beratung. «Ich war vor allem im Non-Profit-Bereich tätig. Natürlich war das finanziell nicht so attraktiv.» Aber ihm war es wertvoll genug. «Ausserdem hatte ich den Stallgeruch der Pädagogik, das hat mir Türen geöffnet.»
Sein Weg bei «Senioren für Senioren» begann mit einem Spaziergang. «Ich kam wie die Jungfrau zum Kinde in mein aktuelles Amt.» Während der Coronazeit war er – wie viele damals – in der Natur unterwegs, als ihn eine Bekannte ansprach. «Eigentlich war sie schon an mir vorbei gegangen, drehte sich aber um und fragte mich, ob ich nicht Präsident des Vereins werden wolle.» Er habe damals laut gelacht und gar nicht gewusst, dass es diese «Senioren für Senioren» gibt. Aber die Frage liess sich in seinem Kopf nieder. Er meldete sich beim Vorstand, ging zu einer Sitzung und staunte. «Die Leute sind in einer ganz feinen Art miteinander umgegangen. Da war Kooperation statt Konkurrenz gefragt.» Das habe ihm sehr gefallen. Ein halbes Jahr lang besuchte er die Vorstandssitzungen. «Und niemand hat Druck auf mich ausgeübt.» Er wusste aber um diesen Druck und gab sich einen Ruck, forderte aber «eine Doppelspitze». Gemeinsam mit dem Interimspräsidenten Urs Häfliger leitete er den grossen Verein. «Die Arbeit ist für mich ein richtiger Herzöffner, und heimisch bin ich auch geworden.» Mittlerweile hat er mit Regula Fuchs als Co-Präsidentin eine Frau an der Seite. «Wir ergänzen uns sehr gut.» 2023 wurde die neue Führung bestätigt, doch Heinz Brunner denkt schon weiter. Er hat das Projekt «SfS 2028» ins Leben gerufen. Er will die Zukunft gestalten. Wo soll der Verein stehen, wenn die vierjährige Legislaturperiode vorbei ist? So wie sich die Gesellschaft verändert, verändert sich auch die Generation der Senioren. Sie seien weniger verbindlich, zudem viel agiler. Eine Herausforderung für den Vermittlungsdienst – dem Herzstück des Vereins. An fünf Tagen der Woche ist die Koordinationsstelle von 8 bis 18 Uhr zu erreichen. Dort sammeln sich die Anfragen, und dort werden die potenziellen Helfer gefunden. Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft sind einfach: Mitglieder müssen mindestens 60 Jahre alt sein und in Zollikon wohnen. «Und jedes Mitglied hat Anspruch auf Dienstleistung», führt Heinz Brunner aus. Doch die Rekrutierung neuer Mitglieder sei – wie bei jedem Verein – schwierig. Und irgendwann stünde auch im Vorstand ein Generationenwechsel an. Parallel beschäftigen ihn die Zahlen. Zwar wird der Verein von der Gemeinde und durch Spender und Spenderinnen unterstützt. Auf der anderen Seite stünden astronomische Rechnungen an für den IT-Bereich. Da gilt es Lösungen und neue Wege zu finden.
Auch Heinz Brunner geht einen neuen Weg. Der führt ins Obergeschoss des Hauses. Sei seine Frau im Kelleratelier künstlerisch tätig, liege ein Stockwerk als Puffer dazwischen, wenn er Saxofon spielt. Musik gehörte schon früh zu Heinz Brunner. Er lernte früh Klavier, Orgel, Gitarre und Mundharmonika. Und als echter 68er spielte er in Rockbands und stand als Bob Dylan-Kopie auf der Bühne. Nun ist es das Saxofon. Jeden Tag spielt er mindestens eine Stunde, nimmt auch Unterricht, liebt den Jazz und Improvisationen. «Doch in meinem Alter wird man zwar nicht mehr richtig gut, dafür soll das Musizieren Freude bereiten.» Das ist für jemanden, der mit dem Leistungsgedanken gross geworden ist, Neuland. Auch eine Tätigkeit, die einfach nur Freude bringt, hat ihre Berechtigung – vielleicht sogar eine besondere.
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