Von Brigitte Selden ‒ 13. Dezember 2024
Im Frühling dieses Jahres stellte die kantonale Baudirektion die «Gesamtschau Deponien» vor, die als Grundlage für eine Teilrevision des kantonalen Richtplans dient. Von rund 400 geprüften Standorten blieben 23 übrig, die der Kanton als geeignet für den künftigen Bedarf an Deponievolumen identifizierte. Unter diesen Standorten ist auch die Geländekammer «Brunnenwisen» an der Binzstrasse im Zollikerberg. Aus Sicht des Gemeinderats Zollikon ist dieses Gebiet als Deponiestandort gänzlich ungeeignet. Deshalb setzt er sich mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln zur Wehr. Zusammen mit der IG DepoNIE-Zollikon rief der Gemeinderat im Sommer einen runden Tisch ins Leben. Dieser fand am 3. Dezember zum vierten Mal statt, um alle Interessierten über den bevorstehenden Planungsprozess und bereits eingeleitete Massnahmen zu informieren sowie Gelegenheit zur Vernetzung und Diskussion zu geben.
Gemeinderat Dorian Selz erinnerte die knapp 50 Teilnehmenden, die der Einladung zum runden Tisch gefolgt waren, an die Ausgangslage: «Der Kanton hat uns diese Situation aufgedrückt, zu der wir wie die Jungfrau zum Kind gekommen sind.» Der Gemeinderat sei nicht vorab informiert und von der Standortwahl überrascht worden. Fakt sei, dass Zollikon zurzeit mit Platz 2 ganz oben auf der Rangliste stehe. Als Konsequenz aus dieser Situation habe der Gemeinderat das Berner Ingenieurbüro Emch+Berger mit einer umweltfachlichen und verkehrstechnischen Beurteilung beauftragt. Die bisher erarbeiteten Erkenntnisse und Abklärungen standen denn auch im Zentrum des Abends. Der verantwortliche Projektleiter Matthias Rohner stellte vor allem Kriterien vor, die gegen diesen Standort sprechen könnten. Das Ergebnis habe gezeigt, dass das Gebiet in Bezug auf die Punktevergabe der kantonalen Definition zwar bei 29 Kriterien mit dieser konsistent sei. Bei acht Kriterien hingegen sei keine Konsistenz festgestellt worden. So seien etwa der Transport zur Deponie, die Verkehrsüberlastung am Knoten Zollikon und die Luftschadstoffemission kritisch zu beurteilen. Zudem müsse der Abstand zu Wohngebäuden gemäss Definition bei 500 Metern liegen. In besagtem Gebiet wären es nur 80 Meter oder sogar weniger bis zu den ersten Häusern. Aus diesen Ergebnissen könne sich eine Punkteverschiebung zugunsten eines Ausschlusses ergeben, erklärte der Experte weiter. Garantiert sei dies jedoch nicht.
Auf Matthias Rohners Ausführungen folgten die Ergebnisse einer umfangreichen Untersuchung der Flora und Fauna. Ein Team um den Zoologen und Schneckenexperten Peter Müller und den Naturschutzbiologen Markus Gabathuler hatte das Gebiet nach geschützten Arten abgesucht und neun gefährdete Arten gefunden. Darunter zwei Moosarten, eine Schneckenart sowie zwei vom Aussterben bedrohte respektive gefährdete Flechtenarten. «Diese beiden Flechtenarten sind inzwischen offiziell gemeldet und somit bekannt», führte Markus Gabathuler aus. Bei den Flechten handelt es sich um millimetergrosse Gewächse. «Das Kleinste ist jetzt verantwortlich für das Grösste», brachte Dorian Selz die Bedeutung dieser Funde für mögliche Einwendungen auf den Punkt.
«Die rechtlichen Einwendungen seitens der Gemeinde Zollikon werden zum grössten Teil auf
den Abklärungen der Experten basieren und auf die Themen Verkehr und Natur fokussieren», erläuterte Rechtsanwalt Felix Huber im Anschluss: «Arten auf der Roten Liste sind definitiv ein Ausschlusskriterium.» Fraglich sei allerdings, ob der Kanton sich an seine Kriterien halte oder durch deren Relativierung ein Schlupfloch öffne. Das bleibe abzuwarten.
Am vergangenen Freitag, 6. Dezember, wurde nun die Teilrevision des kantonalen Richtplans öffentlich aufgelegt und das offizielle Mitwirkungsverfahren somit gestartet. In dessen Rahmen können sich die Bürgerinnen und Bürger bis 14. März 2025 äussern und ihre Stellungnahmen einreichen. Die im Rahmen der Anhörung und öffentlichen Auflage eingegangenen Einwendungen werden vom Kanton ausgewertet und fliessen in die Überarbeitung der Richtplanvorlage ein.
Der Fokus liege jetzt auf der Erarbeitung der Einwendungen, für die die Gemeinde nach Auflage des Richtplans 60 Tage Zeit hat, erklärte Dorian Selz. «Unser Ziel ist, 30 Tage nach der Auflage einen Entwurf vorzulegen, der für alle einsehbar ist.» Alle Interessensgruppen, Quartiervereine, Parteien, Organisationen und Interessierte seien aufgerufen, sich zu beteiligen, nachzustossen und die Eingabe der Gemeinde zu unterstützen. Er wies daraufhin hin, dass Zollikon durch die Abklärungen und Erkenntnisse der Experten sehr gut unterwegs sei: «Keine Gemeinde ist im Prozess so weit fortgeschritten wie wir, was uns einen gewissen Vorteil gegenüber den anderen betroffenen Gemeinden gibt.»
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