Von Franziska Müller ‒ 28. März 2025
Dr. Karin Lindauer, Gynäkologin am Frauenambulatorium im Spital Zollikerberg, ist die treibende Kraft hinter diesem Pilotprojekt. Das Angebot, das sie seit November letzten Jahres in der Klinik anbietet, ist das erste seiner Art in der Schweiz. Bis dahin war es behinderten Frauen weitgehend unmöglich, sich einer gynäkologischen Untersuchung zu unterziehen – eine Tatsache, die selbst Karin Lindauer kaum glauben konnte.
Die Ärztin, selber Mutter einer Tochter mit Rett-Syndrom, einer genetischen Erkrankung, die mit körperlicher und geistiger Behinderung einhergeht, wurde auf dieses Defizit durch andere betroffene Familien des Rett-Vereins aufmerksam. Andere Eltern berichteten, dass ihre erwachsenen Töchter – trotz des fortgeschrittenen Alters – noch nie eine gynäkologische Untersuchung durchlaufen hatten.
Besonders an diesem Projekt ist nicht nur die Tatsache, dass erstmals auf die speziellen Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen eingegangen wird. Es bedeutet auch einen Schritt in Richtung gesellschaftlicher Inklusion dieser besonders verletzlichen Gruppe. Die Vereinten Nationen haben in ihrer Behindertenrechtskonvention längst festgelegt, dass Menschen mit Behinderungen dieselben Rechte auf sexuelle und reproduktive Gesundheitsleistungen haben wie alle anderen auch. In der Schweiz ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) seit über zwanzig Jahren in Kraft. Doch die Realität sieht anders aus. In vielen Fällen wurde die gynäkologische Betreuung dieser Frauen schlichtweg nicht berücksichtigt. Sie wurden einfach vergessen, ihre Behandlung als nicht notwendig angesehen. In der Praxis führte dies häufig zu einem Leben ohne präventive Gesundheitsversorgung. So war nicht nur die körperliche Gesundheit vieler dieser Frauen gefährdet, es fehlt teilweise auch an sexueller Aufklärung; ein wichtiger Schutz vor Missbrauch und Krankheiten.
Die neu eingeführten Sprechstunden am Frauenambulatorium Zollikerberg unterscheiden sich erheblich von normalen gynäkologischen Untersuchungen. Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, auf die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen einzugehen – denn es gibt viele Formen von Behinderung. Sprache und Umgang müssen behutsam und sehr individuell den physischen und psychischen Einschränkungen angepasst werden.
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