Die Baustellen und Bausteine der Gemeinde

Von Joachim Lienert ‒ 4. April 2025

In den letzten Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, in Zollikon fielen einige Bau­projekte buchstäblich aus dem Kosten- und Zeitrahmen. Läuft etwas schief? Wir haben acht Bausteine für die Probleme ausgemacht.

Nüchterner Rahmen: Bis vor einem Jahr wurde mehr in einem Sitzungs- denn in einem stimmungsvollen Trauzimmer geheiratet.
Nüchterner Rahmen: Bis vor einem Jahr wurde mehr in einem Sitzungs- denn in einem stimmungsvollen Trauzimmer geheiratet. (Bild: Archiv)

Sie sorgen teilweise seit Monaten für Schlagzeilen, meist für unliebsame, die Bauprojekte der Gemeinde. Betreuungshaus Rüterwis, Schwimmbad Fohrbach, Schulsportanlage Buechholz, Photovoltaik­anlage Gemeindesaal, Umbau Musikschule gehören zu den bekanntesten. Kosten werden überschritten, der Bau verzögert sich, zusätzliche bauliche Massnahmen sind erforderlich. Was ist der Grund? Als Ressortvorsteher Liegenschaften steht Gemeinderat Patrick Dümmler im Scheinwerferlicht. Was sagt er dazu? «Ja, es sind viele Schlagzeilen in letzter Zeit, und ja, es gibt Probleme. Aber wir kommunizieren sie transparent und ergreifen Massnahmen.» Er weist darauf hin, dass die Gemeinde momentan sehr viele Bauprojekte durchführt. «Wir könnten sogar mehr machen, schöpften letztes Jahr das Budget nicht aus, haben aber schlicht zu wenig Ressourcen.» Diese beziffert er konkret.

Baustein eins: Ressourcen

Knapp 200 Stellenprozente hat die Abteilung Liegenschaften für die Leitung von Bauprojekten. Die Gemeinde schiebe einen Investitionsstau vor sich her. Gemäss Finanzplan muss sie Dutzende kleinerer und eine Handvoll grösserer Projekte realisieren. Die Schülerzahlen steigen, es stehen viele Renovationen bei Bauten an, «all das machen wir mit den gleichen personellen Ressourcen». Er fügt an: «Ich bin kein Freund eines aufgeblasenen Verwaltungsapparats. Aber es ist bestimmt sinnvoll, zusätzliche Projektleiter einzustellen, um die externen Fachpersonen zu führen.»

Baustein zwei: Projektvielfalt

Die Gemeinde führt Bauprojekte unterschiedlichster Art durch, von Schulhäusern über Sportanlagen, Feuerwehrgebäude und Wohngebäude bis zum Gemeindehaus. Kein Projekt gleicht dem anderen. «Ein Fachmann für Einfamilienhäuser weiss alles über Einfamilienhäuser, aber wir haben so viele verschiedene Projekte, dass wir nicht für jedes Fachleute in den ­eigenen Reihen haben. Also holen wir externe hinzu.»

Von einer solchen externen Fachperson wollte der Zolliker Zumiker Bote wissen, wie sie die Bausituation in Zollikon beurteilt. Jürg Bachmann führt hier seit 24 Jahren ein Architekturbüro. Er sagt: «In Zollikon läuft sehr viel. Auch wegen des grossen Bestands an überalterten Liegenschaften – ein Thema, das man in der ganzen Schweiz kennt.» ­Heute müssten viel mehr Umbauprojekte gestemmt werden als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Zudem bemängelt er, dass Planer immer neue Gesetze einhalten müssen, jedes Jahr werden etwa die Energiegesetze verschärft. Dass aber bei der Sportanlage Buechholz die Entwässerung vergessen ging, kann er nicht nachvollziehen. «Bei so einem Projekt würde ich einen Ingenieur beiziehen, der das Vorhaben abklärt.» Patrick Dümmler erklärt: «Genau das wurde gemacht. Es war der extern beigezogene Ingenieur, der die Anpassung der Entwässerung vergessen hat.» Jürg Bachmann findet, schon bei der Baubewilligung hätte auffallen müssen, dass die Entwässerung abzuklären sei.

Bald wird’s wärmer dank einem der nächsten Bauprojekte der Gemeinde: Beim Sportplatz Riet kommt die Fernwärmezentrale zu stehen. (Bild: jli)
Bald wird’s wärmer dank einem der nächsten Bauprojekte der Gemeinde: Beim Sportplatz Riet kommt die Fernwärmezentrale zu stehen. (Bild: jli)

Baustein drei: Alter der ­Liegenschaften

Auch Patrick Dümmler sieht eine Herausforderung beim Alter der gemeindeeigenen Liegenschaften. Rinnt etwa ein Dach, denkt man erst, das ist ja nur ein Loch, einfach flicken. «Doch damit ist es nicht ­getan. Sobald man an einem öffentlich zugänglichen Altbau etwas verändern will, muss man zwingend alle heute gültigen Auflagen berücksichtigen.» Man will also nur das Dach renovieren, muss aber zusätzlich behindertengerecht bauen, die neuen Brandschutzanforderungen erfüllen und mehr. «Da kommt plötzlich ein Wust auf uns zu, den man als Gemeinde ebenfalls erfüllen muss, eine Privatperson dagegen nicht.» Auch dies führe zu Mehrkosten.

Bei einem Tiefbau weiss die Gemeinde als Bauherrin in der Regel, was sie erwartet. Reisst man hundert ­Meter Strasse auf, lässt sich ziemlich genau beziffern, was es kosten wird und was einen erwartet. Anders sieht es im Hochbau aus. «Sehr viele Bauten der Gemeinde sind ungefähr um die gleiche Zeit entstanden. Jetzt kommen nach 40 bis 50 Jahren viele zusätzliche Anforderungen auf uns zu – bei Brandschutz, Entfluchtungen, Dämmungen oder etwa Asbest», sagt Patrick Dümmler. «Bei alten Bauten gibt es immer Überraschungen, leider nur in eine Richtung, preislich nach oben.»

Macht mehr Lust, sich zu vermählen: Das neue Trauzimmer im Zolliker Gemeindehaus. (Bild: zvg)
Macht mehr Lust, sich zu vermählen: Das neue Trauzimmer im Zolliker Gemeindehaus. (Bild: zvg)

Baustein vier: Teuerung

Architekt Jürg Bachmann erwähnt einen weiteren Aspekt: «Der Baukostenindex ist von 2020 bis 2024 um 14,5 Prozent gestiegen.» Vorher verzeichnete man in der Schweiz zwanzig Jahre lang nur eine geringe Teuerung. Auch das wirkt kostentreibend. Er findet es erfreulich, dass die Gemeinde Zollikon einen Altbestand an Liegenschaften unterhält und auch Wohngebäude, die nicht auf dem neuesten Stand sind, für sozial Schwächere bereithält. Sein Büro war am Umbau des Empfangsbereichs der Einwohner­kontrolle und des Trauzimmers des Zivilstandsamts beteiligt. Auch hier kamen verteuernd neue Auflagen hinzu: «Man musste den Zugang hindernisfrei umbauen, eine Akustikdecke und Verglasungen einbauen und die Abstände der Schalter vergrössern.» Andernfalls wären die heutigen Vorschriften von Daten- und Personenschutz nicht mehr gewährleistet gewesen. «Beim Trauzimmer wiederum hat die Gemeinde der Bevölkerung bewusst etwas gegönnt.» Das sei von Anfang an die Vorgabe gewesen, die Zollikerinnen und Zolliker wieder ins Gemeindehaus zu führen, mit Böden, Tapeten, Möbeln und Beleuchtung von Qualität.

Baustein fünf: Bauvorschriften

Ist also alles gut in Zollikon mit den Bauprojekten? Als Planer empfindet Jürg Bachmann vor allem die Gesetze und Bauvorschriften als kostentreibend. «Wir werden vom Bauamt beim Projektieren auf hundert Dinge aufmerksam gemacht, die alle eingehalten werden müssen und gemäss meiner persönlichen Empfindung nicht relevant sind für gutes Bauen und gute Architektur.» Aber man müsse sich eben daranhalten, das könne Projekte verteuern. Er erlebt Projektleiter der Gemeinde zudem bei der anfänglichen Kalkulation von Krediten als vorsichtig. Man wolle schliesslich nicht überborden mit Kreditanträgen an die Gemeinde oder an die Stimmbevölkerung. «Später kommen bei älteren Gebäuden dann plötzlich Schadstoffsanierungen, technische Änderungen oder Notfalleinrichtungen hinzu.»

Baustein sechs: Zweitmeinung

Patrick Dümmler ist jetzt vor allem eines wichtig: «Wir wollen grosse Fehlkalkulationen in Zukunft vermeiden.» Ein Instrument ist die Zweitmeinung. Aktuell erarbeitet die Gemeinde zum Beispiel mit externen Planern ein Projekt für die Sanierung des Sportplatzes Riet, was mehrere Millionen Franken kosten wird. «Die Zweitmeinung, die wir einholen, wird ungefähr 5000 Franken kosten.» Die Rechnung ist schnell gemacht: Wenn sich dadurch Fehler vermeiden lassen, die nur fünf oder zehn Prozent der Bausumme betreffen, ist dies sinnvoll eingesetztes Steuergeld.

Baustein sieben: Leitung der Abteilung Liegenschaften

Die Suche nach einer neuen Leiterin, einem neuen Leiter der Abteilung Liegenschaften gestaltet sich anspruchsvoll. Nach dem unerwarteten Hinschied des Abteilungs­leiters Anfang Jahr – der die erwähnten Stellenprozente weiter reduzierte – gestaltet sich die Suche nach einer Nachfolge anspruchsvoll. Patrick Dümmler will keine Personalien in der Öffentlichkeit diskutieren, sondern mit der neuen Leitung die künftige Struktur der Abteilung anschauen. «Im allerbesten Fall haben wir im Herbst eine neue Abteilungsleiterin oder einen neuen Abteilungsleiter. So lange sind wir eine Person weniger mit Projektkompetenz.» Die Gemeinde sucht eine erfahrene Fachperson, die führen kann und anspruchsvolle Bauprojekte übernimmt.

Baustein acht: Reporting

Für Bauprojekte ab einer gewissen Grösse hat Patrick Dümmler ein Reporting eingeführt. «Wir kontrollieren die Einhaltung von Budget und Zeitplan monatlich genau.» Das heisse nicht, dass Unvorher­gesehenes nicht mehr auftreten könne, doch verringere die Massnahme das Risiko und erlaube ein rasches Gegensteuern. Auf Nachfrage beim Präsidenten der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK) möchte Präsident Viktor Sauter nicht ins Detail gehen, wie sie selbst die Geschäfte prüft. Wichtig ist ihm, dass die Gemeinde ihre Abläufe mit ­einem internen Kontrollsystem klar definiert. «Wir sind mit ihr im Gespräch, damit wir Geschäfte präziser kontrollieren und Mängel rechtzeitig feststellen können.»

Bleibt zum Schluss die Hoffnung, dass die Gemeinde all diese Bausteine anpackt, damit die Baustellen sich zu Bauwerken entfalten können, die der Bevölkerung jahrzehntelang Freude bereiten werden – bevorzugt unter Einhaltung von Zeit- und Kostenrahmen.

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