Gemeinden, Gewerbe und Gegner

Von Joachim Lienert ‒ 2. Mai 2025

Am 18. Mai stimmt die Bevöl­kerung über die Senkung der kantonalen Firmensteuern ab. Wir haben nachgefragt, was die Auswirkungen bei einer Annahme für Zollikon und Zumikon wären. In einem Punkt sind sich alle einig.

Viele Firmen fühlen sich zu stark gebremst durch kantonale Gewinnsteuern: Gewerbeareal im Zumiker Schwäntenmos. (Bild: jli)
Viele Firmen fühlen sich zu stark gebremst durch kantonale Gewinnsteuern: Gewerbeareal im Zumiker Schwäntenmos. (Bild: jli)

In gewissen Gemeinden und Städten ist die Senkung der Firmensteuer hoch umstritten. Bekannt wurde das Beispiel von Kloten, wo der Finanzvorstand und der Stadtpräsident mit gegensätzlichen Meinungen an die Öffentlichkeit traten. Wie sieht das in Zollikon und Zumikon aus? Der Zumiker Gemeinderat und Finanzvorstand André Hartmann (SVP) sagt: «Wir sind nicht gross betroffen. Bei uns stammen unter zwei Prozent aller Steuereinnahmen von juristischen Personen.» Das Thema wurde deshalb nur am Rande im Gemeinderat besprochen. Es gebe keine offizielle Haltung, die Vorlage wirke sich auf Städte mit grossen Firmen stärker aus. Zum Vergleich: Im ganzen Kanton machen die Steuern von Firmen rund 20 Prozent der Steuereinnahmen aus. Bei der Vorlage geht es darum, dass der Gewinnsteuersatz, also die Steuern, die auf den Gewinn eines Unternehmens geschuldet sind, um ein Prozent gesenkt werden – von sieben auf sechs Prozent. André Hartmann findet: «Für uns als Gemeinde hat die Steuersenkung kaum Auswirkungen.» Doch für den Kanton Zürich sei sie wichtig, um als Ganzes an Attraktivität zu gewinnen. «Wir sind bei der Gewinnsteuerbelastung der zweitschlechteste Kanton vor Bern.» Das gelte es zu ändern.

Kanton Zürich ist zurückgefallen

Ein ähnliches Bild gibt Zollikon ab. Gemeinderätin und Finanzvorsteherin Sylvie Sieger (FDP) sagt: «Die Steuersenkung würde uns marginal treffen.» Hier machen die direkten Steuern der juristischen Personen, also der Firmen, rund vier Prozent aus. In absoluten Zahlen betrugen die Einnahmen 2024 rund 5,1 Millionen Franken. Eine Senkung hätte einen Ausfall von 51 000 Franken zur Folge. «Es geht prozentual um 0,04 Prozent der direkten Steuereinnahmen. Also um fast nichts.» Sie selbst ist dem Ja-Komitee zur Steuervorlage beigetreten. «Ich bin klar dafür. Wir müssen schauen, dass wir als Kanton steuerlich wieder attraktiv werden. ­Gegenüber den anderen Kantonen sind wir in den letzten Jahren enorm zurückgefallen.»

Der Zolliker Zumiker Bote bat auch das Gewerbe um eine Einschätzung der Vorlage. Roman Ribi, Präsident des Gewerbevereins Zollikon, sagt: «Logisch geht es nicht um viel, um ein Prozent Steuersenkung. Aber das ist ein Anfang.» Der Kanton Zürich gelte als Wirtschafts­motor der Schweiz. Doch weil die Firmen hier am zweitmeisten Steuern bezahlen, stünden wir uns selbst im Weg. Man müsse unbedingt für Firmen, gerade auch für die grösseren, bessere Rahmenbedingungen schaffen. «Bei 50 000 Franken Gewinn spart man vielleicht 600 bis 700 Franken. Das ist nicht viel. Aber wir müssen den Firmen zeigen, dass wir den richtigen Weg einschlagen. Es geht um Arbeitsplätze, die im Kanton Zürich bleiben sollen.» Es gebe eine reale Abwanderung von Firmen. Manche machen die Rechnung und entscheiden sich gegen den Kanton Zürich als Standort. «Dieser muss steuerlich wieder mindestens ins Mittelfeld vorrücken.»

Zumikon und Zug im direkten Vergleich

Renzo Argiro, Vizepräsident des Gewerbevereins Zumikon, führt hier Werkstatt und Lager seiner Elektrofirma mit sechs Angestellten. Auch sein erstes Argument ist: «Die Attraktivität des Betriebsstandorts Zürich ist in der Gesamtrechnung einfach schlecht. Wir sind auf dem zweitletzten Platz bei den Firmensteuern.» Es sei kein «Wow-Effekt» für den Kanton, wenn die Stimmbevölkerung die Vorlage annehme. Aber es könne dazu beitragen, das Gesamtpaket Zürich für die eine oder andere Firma wieder attraktiver zu machen. Er veranschaulicht am eigenen ­Beispiel, was Firmensteuern für ein Kleinunternehmen bedeuten können. Seine Frau führt eine eigene Firma im Kanton Zug. «Wir haben beide letztes Jahr etwa gleich viel Gewinn erzielt. Aber ich habe hier rund 16 000 Franken versteuert, meine Frau im Kanton Zug knapp 9000.» Für das einzelne Gewerbeunternehmen sei es wichtig, wie viele Steuern es bezahlen müsse.

Gegner auf verlorenem Posten?

In Zollikon und Zumikon gewinnt man den Eindruck, dass es kaum Einwand gegen die Steuersenkung gibt. Die Frage geht an Franziska Steiner, die Präsidentin der SP Zollikon: «Sind Sie auf verlorenem Posten bei dieser Abstimmung?» Sie lacht. «Das könnten wir uns hier öfters fühlen. Klar sind alle für die Senkung.» Doch die SP schliesse sich der kantonalen Nein-Parole an. Auch sie ­bestätigt, dass eine Senkung kaum Auswirkungen auf die Gemeinde hätte. Das grosse Problem sei vielmehr der Steuerausfall, der für den Kanton prognostiziert werde. Man müsse sich fragen, wie man dann noch gute Fachkräfte hierherholen wolle. Man brauche gute Schulen, eine gute Infrastruktur. Das habe einen Wert. «Und wir tragen auch etwas mehr Verantwortung, gerade weil wir eine finanzstarke Gemeinde sind.» Ihr Standpunkt: «Weshalb sollen wir wenige Grosskonzerne mit einer Steuersenkung privilegieren, die zu einem starken Einschnitt für die gesamte Infrastruktur des Kantons führen würde?»

Allen geht es um das Gesamtbild

Ganz auf verlorenem Posten ist Franziska Steiner nicht. Die SP in Zumikon mit Präsident Simon Jacob sieht es gleich. «Allein aus Sicht der Gemeinde ist es irrelevant, ob die Vorlage angenommen oder abgelehnt wird.» Doch mittel- und langfristig zeige eine Untersuchung, dass der Kanton rund 80 Bauprojekte zurückstellen würde, falls man die Vorlage annähme. «Auch die Zumikerinnen und Zumiker nutzen Infrastrukturen im ganzen Kanton. Sie wären deshalb ebenfalls indirekt betroffen.» Steuern seien nicht der einzige Faktor für Firmen auf der Suche nach dem geeigneten Standort. Der Kanton Zürich zeichne sich etwa durch gute Bildungsmöglichkeiten aus mit der ETH als einer der besten Hochschulen der Welt, auch durch die zentrale Lage und Anbindung ans Verkehrsnetz. Er verweist auf das Gesamtbild – und bringt ein interessantes Argument ins Spiel: Würden die Gewinnsteuern im ganzen Kanton gesenkt, würde dies den Standortvorteil von Zumikon etwas relativieren. «Nicht kurzfristig, aber wenn die Leute sich Gedanken machen, wo sie sich oder ihre Unternehmung niederlassen, könnten sie sich vermehrt gegen Zumikon entscheiden, weil der Unterschied zu den restlichen Gemeinden im Kanton kleiner würde.»

Wie auch immer die Zolliker und Zumiker Stimmbevölkerung am 18. Mai abstimmen wird, in einem Punkt sind sich alle Befragten einig: Bei einer Annahme der Steuersenkung wären die Auswirkungen auf die beiden Gemeinden gering. Befürwortern und Gegnern geht es in erster Linie um das kantonale Gesamtbild – das sie aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.

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