Von Joachim Lienert ‒ 2. Mai 2025

«Wir haben grosse Pläne.» Maximilian Thiersch hält nicht zurück mit seinen Ambitionen. Lia Ming sagt über ihn: «Er hat gerade die beste Maturitätsarbeit des Jahrgangs an seiner Schule geschrieben, dem Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium Rämibühl.» Die 17-jährige Lia besucht das Gymnasium Unterstrass in Zürich. Die beiden waren sich bis letzten November nie begegnet, obwohl Lia in Zollikon die Sekundarschule besucht hat und der 18-jährige Maximilian seit der Primarschule in Zollikon wohnt.
Die Schule spielt eine grosse Rolle in ihrem Leben. «Oh My God!», schwärmt Lia. «Das Spinnennetz des Oescher ist so cool!» Den beiden gefällt der Vorschlag, dort fotografiert zu werden. «Ich hatte es viel grösser in Erinnerung», staunt Lia. Aber auf das Schulhaus lassen sie nichts kommen. Maximilians Familie kehrte nach Stationen in Italien und den USA zur Einschulung zurück nach Zollikon. «Meine Eltern zogen hierher, weil das Oescher einen so guten Ruf geniesst.»
Auch ihre grossen Pläne haben mit Schule und Bildung zu tun. Sie lernten sich im November bei einem USO-Treffen kennen – der Union, die sämtliche Schülerorganisationen der Schweiz und von Liechtenstein vertritt. «Erst da merkten wir, dass wir beide aus Zollikon kommen», sagt Lia. Beide sind heute im Vorstand der USO und möchten etwas bewegen. Sie vermissen das Bedürfnis Jugendlicher, sich in Gesellschaft und Politik einzusetzen, weil viele denken, man könne nichts bewirken. Max sagt: «Doch wir haben in der USO und auch sonst gelernt: Wer sich einsetzt, kann etwas verändern.» Er setzt sich zum Beispiel für eine Senkung des Stimmrechtsalters ein, obwohl das mal abgelehnt wurde. Seine Maturitätsarbeit wird ab Mai an der Ausstellung der besten 60 von über 3000 Maturitätsarbeiten im Kanton präsentiert. Er entwickelte eine Kommunikationsplattform, auf der sich Veranstaltungen am Rämibühl digital publizieren lassen und Schülerinnen und Schüler sich austauschen. Die Plattform hat heute 600 Nutzerinnen und Nutzer.
Lia ist in der USO verantwortlich für Auslandskontakte. Eben war sie in Budapest an einer Konferenz für Schülervertreterinnen und -vertreter aus ganz Europa mit den Schwerpunkten digitale Rechte und künstliche Intelligenz. «Da merkte ich, wie privilegiert wir mit unserem Schulsystem sind.» Bei der KI sei die Schweiz sehr offen und fördere einen zeitgemässen Unterricht. «Jemand vertrat ein Land, in dem nicht einmal die freie Rede
an Schulen erlaubt ist.» Die Schülerorganisation beteiligt sich auch an der Gymnasialreform Weg ZH, der Weiterentwicklung der Zürcher Gymnasien. «Zurzeit setzen die Schulen stark auf Fachwissen. Aber wir wollen eine vielfältigere Bildung, mehr Führungskompetenzen erlernen», sagt Maximilian. Manche Lehrperson verlange lediglich vier schriftliche Prüfungen pro Jahr in ihrem Fach. «Doch bei mündlichen Prüfungen lernt man auch, sich besser zu strukturieren und seine Soft Skills zu entwickeln», erklärt Lia.
Vieles begann mit kleinen Dingen. Etwa dem Kampf für eine Mikrowelle an der Schule. Lia setzte mit ihrer Schülerorganisation durch, dass die Schüler einen Raum für sich erhalten und statt wie bislang alle vier alle zwei Jahre die ganze Schule samt Lehrerzimmer für sich haben. «Drei Tage lang übernehmen die Schülerinnen und Schüler alles, vom Unterricht über die Direktion bis zum Putzen.» Alle Lehrpersonen sind weg, nur der Hausmeister schaut nachts um zehn nach dem Rechten.
«Mittlerweile sind wir in der nationalen Bildungspolitik angelangt», sagt Maximilian. Die USO sei weder links noch rechts, sie repräsentiere alle Schülerinnen und Schüler. Es gehe darum, etwas für sie zu tun. Lia ist in der jungen FDP des Bezirks Meilen, Maximilian ist parteilos. Ihre Arbeit betrifft durchaus die Politik. Nach den Frühlingsferien steht in Brüssel das 50-jährige Jubiläum des OBESSU an – des europäischen Dachverbands nationaler Schüler- und Schülervertretungsorganisationen. Lia und Max freuen sich auf den Austausch mit wichtigen Politikerinnen und Politikern. Hört man den beiden zu, klingt es fast nach einem Vollzeitjob. Max schätzt seinen Aufwand für die USO auf 15 Stunden pro Woche. Lia pflichtet ihm bei. Kollegen organisieren gerade einen Workshop für die Förderung des politischen Engagements junger Leute. Die nächste Generalversammlung möchte Lia am liebsten in Zollikon abhalten; sie rechnet mit rund 100 Teilnehmenden.
Zurück also von der Europabühne nach Zollikon. Was bietet ihnen das Dorf? «Für mich ist es der perfekte Ort, um aufzuwachsen», sagt Max. Lia: «Ich hatte eine Traumkindheit und ein Traumleben hier. Falls ich je weggehen sollte, hoffe ich wieder zurückzukehren.» Max erwähnt die Seebadi, wo sich bei schönem Wetter alle treffen. Lia schwärmt: «Die Badi! Das war das Highlight, direkt nach der Sek runter in die Badi.» Was die Lehrer nicht immer toll fanden, weil die Schüler nachts spät ins Bett gingen, die Hausaufgaben nicht machten und zu spät zur Schule kamen.
Was sind die nächsten Ziele? Maximilians Projekte sind klar: die Finalrunde der Schweizer Wirtschafts-Olympiade für Jugendliche, für die er sich soeben qualifiziert hat, der Traum, in den USA zu studieren, vielleicht Wirtschaft, «das wird aber schwierig bei der aktuellen Lage» – und die Rekrutenschule. Er hat sich intensiv für die Sportprüfung der Aushebung vorbereitet und kennt seine Werte: 11 Minuten 40 Sekunden, lautet sein Rekord bei der täglichen Velofahrt von Zollikon ins Rämibühl. Lia wird erst einmal ihr letztes Schuljahr absolvieren.
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