Von Joachim Lienert ‒ 16. Mai 2025
«Politik im Dialog – brauchen Väter 18 Wochen Vaterschaftsurlaub?» Unter diesem Titel luden die Grünliberalen am Samstagvormittag in die Aula Buechholz. Moderiert von der neuen GLP-Präsidentin Nicole Waechter diskutierten Corinne Hoss, Kantonsrätin FDP, Dorian Selz, Gemeinderat GLP, und Thomas Gugler, ehemaliger Präsident SVP Zollikon. Rund 20 mehrheitlich junge Leute folgten der Einladung. Hintergrund ist die laufende Unterschriftensammlung zur Volksinitiative, initiiert von alliance F, der Grünen Partei, der Grünliberalen Partei, Travail.Suisse und den Mitte Frauen.
«Braucht es eine Änderung der aktuellen Regelung?», fragt Nicole Waechter. Der Graben zwischen den Debattierenden ist tief. «Es läuft sehr gut, wir brauchen keine Änderung», erwidert Corinne Hoss. Thomas Gugler pflichtet ihr bei: «Ich sehe keinen Grund, das zu ändern.» Er verweist darauf, dass gemäss Bundesamt für Statistik letztes Jahr in der Schweiz 60 Prozent der Erwerbstätigen Vollzeit und 40 Prozent Teilzeit arbeiteten. In der EU liegt der Durchschnitt bei der Hälfte, also bei nur 20 Prozent Teilzeit-Beschäftigten. Darin liege zusammen mit den hohen Löhnen die Anziehungskraft der Schweiz begründet. Gleichzeitig rede man von einem Fachkräftemangel. Dieser lasse sich nicht einfach beheben durch einen Vaterschaftsurlaub. Zudem würde eine solch attraktive Regelung nur noch mehr Migranten anziehen. Für Nicole Waechter wiederum ist es eine Realität, dass junge Leute ihrer Generation heute Teilzeit arbeiten möchten. Corinne Hoss meint dazu: «Wenn ja schon alle Teilzeit arbeiten, sollte es für Eltern umso einfacher sein, sich die Zeit fürs Kind aufzuteilen.»
Dorian Selz hält dagegen. «Die Geburtenrate ist mit 1,3 in der Schweiz seit der Pandemie ins Bodenlose gefallen. Wir brauchen mehr Kinder. Die Initiative ist ein Teil der Strukturen, die wir schaffen müssen, um das zu erreichen.» Für Corinne Hoss eine unhaltbare Argumentation: «Gib mir 18 Wochen Ferienzeit, dann kriege ich ein Kind?» Diese Begründung ziehe überhaupt nicht. Die Lösung sei unbezahlbar; sie spricht von über zwei Milliarden Franken. Nicole Waechter verweist auf Nordeuropa, wo man mehr Familienzeit kennt: «Es ist eine wertvolle Investition. Im Norden verzeichnet man eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen und eine höhere Lebenszufriedenheit.» Auch Thomas Gugler sieht bei einer Annahme der Initiative enorme Kosten auf KMUs zukommen. Zudem seien für ein KMU solch grosse Abwesenheiten von fast einem halben Jahr, die durch eine Annahme der Initiative entstünden – 18 Wochen plus die Ferien – kaum zu tragen. Ein Punkt, den auch Dorian Selz, der selbst ein KMU führt, nicht ideal findet. «Doch wo wollen wir in 20 Jahren stehen?» Entweder lasse man mehr Migranten einwandern, oder steigere die Geburtenrate. Dazu wiederum müsse die Attraktivität des Kinderkriegens steigen.
Die Meinungen gehen diametral auseinander. Gibt es dennoch einen gemeinsamen Nenner? Am ehesten zu finden ist er wohl hier: Die Kinderbetreuung muss bezahlbar werden – und das müsse man auf kommunaler Ebene regeln. Zudem erachtet es die Mehrheit als sinnvoller, Eltern eine Woche mehr Ferien pro Jahr zu geben, bis die Kinder volljährig sind. Corinne Hoss erinnert sich: «Ich habe neun Tage nach der Geburt wieder gearbeitet, für mich würde ich nicht 18 Wochen wollen. Und ich weiss nicht, ob es mein Mann gewollt hätte.» Dorian Selz nimmt den Ball auf und fragt seine Frau im Publikum: «Hättest du gewollt, dass ich nach der Geburt 18 Wochen zu Hause gewesen wäre?» Sie verneint, das Publikum lacht. Und er wechselt kurzerhand mit einem Schmunzeln das Lager: «Okay, ich ändere meine Meinung, ich bin gegen die Initiative.»
Nicole Waechter betont, wie wichtig die ersten Monate für ein Kind sind. Eine gute Zeit stärke die Gesellschaft, «die Kinder haben später weniger Probleme.» Thomas Gugler sagt, es sei viel wichtiger, mit den Kindern gemeinsame Erlebnisse zu schaffen, etwa an ein Fussballspiel zu gehen oder eine Städtereise zu unternehmen. «Das ist das, was die Beziehung zu den Kindern stärkt.» Aus dem Publikum kommen engagierte Voten. Eine junge Frau: «Alle Kitas sind überlastet und die Plätze zu teuer.» Meistens seien es Frauen, die deswegen Teilzeit arbeiten. «Ich kann es mir heute gar nicht leisten, eine Familie zu gründen.» Hier könne die Familienzeit-Initiative Abhilfe schaffen. Damit sie vors Schweizer Stimmvolk kommt, müssen in eineinhalb Jahren 100 000 Unterschriften gesammelt werden. Wie umstritten sie ist, zeigte die Diskussion vom Samstag.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.