«Mein Leben bestand aus lauter Zufällen»

Von Dörte Welti ‒ 6. Juni 2025

Paul Zbinden war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat – rückblickend – Zufälle in reines Glück verwandelt. Zu Besuch bei einem 87-jährigen Zumiker, von dem man in puncto Lebensweisheiten so einiges lernen kann.

Liebt die sportlichen Seiten des Lebens: Paul Zbinden hat keine Angst vor Herausforderungen. (Bild: dwe)
Liebt die sportlichen Seiten des Lebens: Paul Zbinden hat keine Angst vor Herausforderungen. (Bild: dwe)

Paul Zbinden wuchs im fribourgischen Schmitten auf als Sohn rechtschaffener Eltern. Der Vater arbeitete im Holzbau, die Mutter schaute auf die Familie, man lebte in einfachen von christlichem Glauben geprägten Verhältnissen. Paul musste als Kind Mobbing erdulden, seine roten Haare waren in der Schule oft ­Anlass zu Hänseleien. Die Eltern hatten den Wunsch, der Sohn möge Priester werden, Paul war damit im Einklang, hatte sich mit der Idee angefreundet, Theologie zu studieren.

Es kam anders: Per Zufall bekam der junge Mann Einblick in die Welt der Versicherungen und lernte ­Versicherungskaufmann bei der Vaudoise. In Fribourg ergab sich aber nach abgeschlossener Ausbildung kein Job. Paul ging nach ­Basel, ­arbeitete bei der damaligen Coop Lebensversicherung, bevor er – per Zufall – auf die Möglichkeiten aufmerksam wurde, die sich in der Erdölindustrie boten. Der flexible Kaufmann übernahm eine Arbeit bei der damaligen Erpag, der Schweizer Vertretung des deutschen Mineralölkonzerns Aral, und war fortan zuständig für die Warenbeschaffung und die Verteilung von Benzin und Heizöl mit 20 Camions in der ganzen Schweiz.

Harte Schule

Manche mögen es sprunghaft nennen, Paul Zbinden aber sah immer nur Möglichkeiten, sich noch ­spannenderen Aufgaben widmen zu können und wechselte 1964 – nach einem Zwischenspiel als Personalchef einer Schweizer Schuhfabrik – zum Schweizer Sitz des (heute wieder britischen) Ölriesen Shell in Zürich. Zehn Jahre leitete er einen Bereich der Produkte aus der Petrochemie mit 20 Aussendienstmitarbeitern.

Dann kam der Gastrobetrieb. «Mein Leben bestand aus lauter Zufällen», erklärt Paul Zbinden. «Ich wusste ja vom Traum meiner Frau. Eines Tages sass ich bei meiner Coiffeuse, und sie erwähnte ganz nebenbei, sie wüsse, dass in Zumikon ein Restaurant frei werden würde.» Es ging dann schnell, man traf sich mit dem Besitzer, schaute sich das ­Hotel/Restaurant an und unterschrieb stante pede den Pachtvertrag. Anfangs wohnten Zbindens auch in der «Frohen Aussicht», im Laufe der Zeit konnten sie glücklicherweise in Zumikon ein Haus erwerben. Paul Zbinden selbst ­hatte eigentlich nicht vor, Gastwirt zu werden, er habe von Gastro null Ahnung gehabt. Aber: «Meine Frau hatte das Wirtepatent gemacht und sich sofort in die Arbeit gestürzt, sechs Tage die Woche von morgens um sechs bis spät in die Nacht. ­Unser Angebot bestand aus Znüni für die Handwerker, Bauern und Knechte, einem Mittagstisch im vorderen rustikalen Bereich, und einem etwas eleganteren Teil für die Abendgäste. Und einem Frühstück für Übernachtungsgäste; wir hatten 20 Hotelbetten.» Für das Paar eine harte Schule.

Einige Monate schaute sich Paul Zbinden an, wie stressig die Situation für seine Frau wurde, bis sie nicht mehr konnte und meinte, «das schaffen wir nie». Paul handelte, stieg, wie er selbst formuliert «aus dem gut situierten Job bei Shell aus und selbst in die Hosen». Ein noch geschäftigeres Leben begann, in dem es aber auch Heiteres gab, wie die eigene Fussballmannschaft, die sich aus den Stammgästen der «Frohen Aussicht» gebildet hatte. Mit so prominenten Spielern wie Sepp Blatter und Fussballkommentator Walter Scheibli, Gott hab ihn selig.

Erfahrungen weitergeben

1990 merkte Paul Zbinden, dass die traditionelle Kundschaft rückläufig war. Etwas Moderneres musste her. Er war ständig in gutem Kontakt mit den Eigentümern der Liegenschaften rund um die Dorfgarage in Zumikon, erfuhr von einer Vakanz und scheute sich nicht, grad gegenüber seines Hotel-Restaurants einen neuen Genusstempel ins Leben zu rufen, den «Triangel». Dort gab es, wie man sich bald über Zumikons Grenzen hinaus weitersagte, lange die besten Ravioli weit und breit. Zbindens stiegen aus dem Pachtvertrag für die «Frohe Aussicht» aus und installierten einen Gérant im «Triangel».

Ab 1991 führte Paul Zbinden den «Triangel» jedoch aus diversen Gründen selbst, bis 2004. Sein inzwischen grosses Netzwerk trug ihm derweil immer wieder Gelegen­heiten zu, die Paul Zbinden ergriff. Weitere Gastrobetriebe wie die «Casa Linda» in Lindau und das Hotel «Hirschen» in Interlaken sind mit seiner Hilfe zum Fliegen gekommen.

Luft nach oben

2004 liess sich Paul Zbinden offiziell pensionieren. Und es trat etwas ein, mit dem er nicht gerechnet hat: «Ein halbes Jahr war ich wie in einem Loch», rekapituliert er die dunklen Monate. «Ich musste herausfinden, was mir jetzt guttut. Und das war vor allem, weiterhin auf Menschen zuzugehen.» Seine Devise: Neugierig bleiben, Augen und Ohren offen halten. So fand er Kontakte mit tollen Menschen, welche ihm auch den Weg zeigten, in der Immobilienbranche Fuss zu fassen. Paul Zbinden hat als Joker noch eine grosse Leidenschaft: das Tennisspielen. Als aktives Mitglied im Tennisclub Zumikon spielt er so oft es seine Zeit erlaubt. Er weiss, dass er Glück hat im Leben; er ist gesund, hat ein Ein- und Auskommen, eine Tochter und zwei Enkelkinder, die Freude machen, und seit über 20 Jahren die Unterstützung seiner Partnerin Christa. Um etwas zurückzugeben, engagiert sich der Geschäftsmann für junge Menschen, die ihre Ausbildung nicht selbst finanzieren können. Wie viele Dank ihm – über Educa Swiss – schon ein Ausbildungsdarlehen ­erhalten haben, verschweigt der Helfer. Er weiss, wie wichtig in seinem Leben Unterstützung zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Ein paar Wermutstropfen hingegen bleiben: «Zu Beginn meiner 30- jährigen Gastrozeit in Zumikon gab es bei einem Bruchteil der heutigen Einwohnerzahl fünf Restaurants.» Heute seien sie froh, dass es noch ein gut funktionierendes Tennisclub-Restaurant im Dorf gebe. Diese unbefriedigende Gastrosituation Zumikons trübt die Lebensfreude von Paul Zbinden jedoch nur peripher. Wenn es ihn packt, schwingt er sich auf seine Harley-Davidson Softail von 1993 und cruised durch die Gegend. Forever young.

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