Von Björn Reinfried ‒ 10. Oktober 2025

Es war viel los an diesem eher kühlen Donnerstagmorgen letzte Woche auf dem Gelände der Schule Oescher. Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe versammelten sich aufgeregt auf dem Pausenplatz und beäugten etwas verunsichert die anwesenden Medien – sogar eine Fernsehkamera war vor Ort. Dann hielten die Co-Schulleiterin Brigit Belser und Projektleiterin Schulen Daniela Schick von MyBluePlanet eine Ansprache und erklärten den Kindern, was an diesem Tag für sie auf dem Programm stand. Nebst unterschiedlichen Aktivitäten zum Thema Photovoltaik und Erneuerbare Energie war für die Fünft- und Sechstklässler Bauhelm anziehen und aufs Baugerüst steigen angesagt – sie durften die Solarmodule auf dem Dach des Gebäudes C installieren.
Der Aktionstag war Teil des Projekts «Nachhaltiges Oescher», welches von der Klimaschutzorganisation MyBluePlanet begleitet wird. Die Organisation arbeitet jeweils in einem Zeitraum von vier Jahren mit einer Schule zusammen, um Umweltschutzthemen wie Ernährung, Biodiversität, Ressourcen, Abfall und Energie langfristig in das Wertesystem der Schule einzuarbeiten. «Nachhaltigkeit soll Teil der DNA der Schule werden. Das ist unser Ziel», sagt Nikolaj Kurth, Fachverantwortlicher Kommunikation beim Programm Klimaschule von MyBluePlanet.
Im Zentrum des Aktionstages stand nicht die Installation der Photovoltaikanlage, sondern das Erlebnis der Schülerinnen und Schüler. Zwar waren die Solarmodule, die die Kinder unter der Aufsicht der Solarteure auf den Metallgestellen installierten und verkabelten, echt, dennoch handelte es sich dabei nicht um die Module, die auf dem Dach des Oeschers bleiben werden. Jene 352 Module, die voraussichtlich Ende Jahr auf der rund 1910 Quadratmeter grossen Fläche verbaut werden, sind spezielle Anfertigungen, die nicht spiegeln. Eine Lieferverzögerung des deutschen Herstellers zwang die Schule dazu, für ihren Aktionstag andere Module zu benutzen.

Der pädagogische Nutzen war trotzdem gegeben. Fachbauleiter Claudio Paganini empfing die Kinder in Leuchtweste und Helm auf dem Dach mit Fakten zur Anlage: «Wie viele Handys kann man wohl mit einem dieser Solarmodule laden?» Zwei Jungen versuchen ihr Glück: «Tausend?», «Tausendfünfhundert?» Nein, es sind mehr – viel mehr, weiss der Bauleiter: «Mit einem Panel könnte man ein Handy 30 000-mal aufladen.» Staunende Kinder. Tatsächlich wird die fertige Photovoltaikanlage mit 151 000 Kilowattstunden gut die Hälfte des Strombedarfs der Schule abdecken können – als anschauliches Beispiel sagt der Bauleiter: «Das ist der Jahresbedarf von ungefähr 43 Einfamilienhäusern.»
Der ganze Tag war darauf ausgelegt, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst viel zum Thema lernten. An verschiedenen Posten konnten sie testen, herausfinden und Erkenntnisse gewinnen. Lola und Kiara, beide neun, experimentieren mit einem kleinen Solarpanel und einem daran angeschlossenen Rotor rum. Hand drauf, Rotor aus, Hand weg, Rotor an. «Mit so etwas haben wir noch nie gespielt», staunen die Mädchen. Direkt daneben zeigt ein Physiker von MyBluePlanet, wie ein Stromkreis funktioniert. Kinder halten sich an den Händen, und ein kleines Gerät ertönt. Lassen sie die Hände los, verstummt das Geräusch. Ein paar Schritte weiter finden sie heraus, welche alltägliche Handlung wie viel Energie verbraucht und was besser oder schlechter für die Umwelt ist – gar nicht immer so einfach, es wird diskutiert und geschätzt.
Brigitt Gebs unterrichtet am Oescher Religion, Kultur und Ethik und ist brennende Unterstützerin des Projektes «Nachhaltiges Oescher». Sie sage immer: «Ethics start at the point of pain». Es müsse etwas kosten: «Wenn es nichts kostet, nicht wehtut, dann bringt das nichts.» Es sei gut, dass die Kinder mal für eine Stunde auf dem Dach stünden und schleppten und schraubten. «Es muss nicht immer alles Spass machen – manchmal muss man einfach handeln.» Der Hintergrund zu Brigitt Gebs Haltung ist der Umgang der Kinder mit der Klima-Thematik. Sie erlebe, dass viele Schülerinnen und Schüler Zukunftsangst hätten. Das Thema beschäftige sie sehr. «Mit diesem Projekt zeigen wir ihnen, dass sie ganz konkret etwas dagegen tun können», erklärt die Lehrerin. «Selbstwirksamkeit ist hier das Zauberwort!»
Das Projekt «Nachhaltiges Oescher» und die Installation der Photovoltaikanlage geniesst laut der Co-Schulleiterin Brigit Belser breite Unterstützung in der Schule. «Die Idee, Umweltschutz nachhaltig in die Schule zu integrieren kam ursprünglich vom Elternrat», erklärt sie. Daraufhin suchte die Schule nach einer Organisation und entschied sich für eine Zusammenarbeit mit MyBluePlanet. «Natürlich gab es auch kritische Stimmen», sagt die Co-Schulleiterin, «aber die grosse Mehrheit ist dem Projekt wohlgesinnt.»
Fragt man bei den Kindern, die an diesem Tag trotz Kälte mit grossem Eifer und Interesse auf dem Dach standen und Solarpanels montierten, wird die Einschätzung der Co-Schulleiterin bestätigt: «Es ist schon cool auf dem Dach zu stehen und Solarzellen zu bauen», findet der elfjährige Carlo. Henry, ebenfalls elf, bestätigt: «Es macht ziemlich Spass. Es ist mal etwas anderes. Eine gute Abwechslung.» Silja und Lenia, elf und zwölf, eben erst noch vertieft in die Montage eines Panels sind sich einig: «Es war mega cool! Mega lustig und spannend!» Ob sie sich vorstellen könnten, so etwas in Zukunft noch einmal zu machen oder später sogar als Solarteurinnen zu arbeiten? «Ja vielleicht! Es macht Spass.»
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