Von Björn Reinfried ‒ 31. Oktober 2025

Laura Schälchli, in Küsnacht aufgewachsen, zog es nach der Handelsmittelschule mit 19 Jahren nach New York. Dort machte sie an einer Kunstschule ihren Bachelor in Design Management und blieb für neun Jahre in der Stadt, die niemals schläft. Hier begann sie sich auch für Lebensmittel zu interessieren. «Ich habe mega gern gegessen.» Sie entdeckt die Slow-Food-Szene in den USA und wurde auf einen Studiengang in Piemont an der sogenannten Slow Food University aufmerksam. Obwohl sie gerne in den USA lebte, zog es sie schliesslich doch weiter: «New York war super, aber ich hatte ein bisschen Heimweh und wollte den Master im Piemont machen.» Also flog sie 2010 zurück in die Schweiz, blieb für ein paar Wochen und reiste weiter nach Norditalien. An der Universität der gastronomischen Wissenschaften schloss sie den Master in Food, Kultur und Kommunikation ab.
Nach den Lehr- und Wanderjahren zog Laura Schälchli, knapp dreissigjährig, wieder in die Schweiz. Zuerst nach Zürich, später nach Küsnacht und den Zollikerberg, wo sie noch heute wohnt. «Es war recht schwierig für mich, denn ich hatte kein Netzwerk», erinnert sie sich an diese Anfangszeit. Sie kannte lediglich ein paar Leute aus der Schulzeit. Doch das hielt sie nicht davon ab, ihrer Leidenschaft zu folgen: «Ich wusste, dass ich unbedingt im Bereich Lebensmittel arbeiten wollte.» Ihr Hauptinteresse lag nicht zwingend in der Herstellung von Lebensmitteln; die Produzenten und die Nachhaltigkeit faszinierten sie: «Alles, was lokal hergestellt wird, interessierte mich.»
Laura Schälchli gründete ihr erstes Unternehmen «Sobre Mesa», mit dem sie Workshops und Anlässe um das Thema Lebensmittel organisierte. Touren mit so klangvollen Namen wie «Schöner Saufen» oder Kurse, die sich mit japanischen Fermentationstechniken beschäftigten.
2014 kam sie zusammen mit drei Arbeitskollegen, zwei von ihnen ebenfalls aus Zollikon und Küsnacht, auf die Idee, eine transparente Schokoladenmanufaktur in Zürich zu gründen, in der «Single Origin» und «Direct Trade» im Zentrum stehen. Das Erste bedeutet, dass der Kakao in jeder Tafel von nur einer Farm stammt – denn Kakao schmeckt je nach Land und Farm unterschiedlich; das Zweite, dass das Unternehmen direkt mit den Bauern im Produktionsland handelt. Transparenz war und ist Laura Schälchli deshalb wichtig, weil sie in der Schokoladenproduktion selten ist. Sie wollten hochwertige Schokolade produzieren, bei welcher der Geschmack im Vordergrund steht und möglichst wenig Zucker verwendet wird.
Das Team gründete Laflor. Der Name entstand in Anlehnung an die Zürcher Florseide – eine zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert in Zürich hergestellte schwarze Seide, die als besonders geschmeidig und edel galt. 2018 verkauften sie ihre erste Tafel Schokolade. Damit machte Laura Schälchli ihre Leidenschaft zum Beruf: «Mein Lebensmittelpunkt ist Essen.» Heute beschäftigt das Unternehmen in Zürich Altstetten 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Credo der höchstmöglichen Nachhaltigkeit steht nach wie vor im Mittelpunkt. Die Bohnen aus Kolumbien werden per Segelschiff geliefert, und wo immer möglich verwendet das Unternehmen biologische Produkte. «Doch in Kolumbien zum Beispiel ist es wichtiger, dass überhaupt Kakao angepflanzt wird – statt Koka. Da ist der Paradigmenwechsel im Moment zentraler als der biologische Anbau. Aber das Konzept soll zukunftsfähig sein, deshalb setzen wir auf Nachhaltigkeit, Fair Trade und biologischen Anbau.»
Ob die Produzenten der Bohnen auch in den Genuss der Tafeln kommen? «Ja. Wenn wir die Farmen besuchen, bringen wir sehr viel Schokolade mit.»
Mit Laura Schälchli kann man stundenlang über Schokolade reden – und gleichzeitig degustieren, worüber sie spricht. Sie packt drei Tafeln Schokolade aus und beginnt zu erzählen: «Kakaobohnen sind wie Äpfel: Es gibt unterschiedliche Sorten. Solche aus Kolumbien schmecken ganz anders als solche aus Brasilien oder Venezuela – und von Hof zu Hof gibt es nochmals Unterschiede in den Sorten und damit in den Geschmäckern.» Die Bohnen werden in Südamerika produziert, geerntet, fermentiert, dann getrocknet, denn: «Dunkle Schokolade ist eigentlich nur dann bitter, wenn die Bohnen nicht mit viel Aufmerksamkeit und Know-how fermentiert wurden.» Ein zeitaufwendiger Arbeitsschritt, der rund fünf Tage in Anspruch nimmt und vielerorts nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt. «Das macht den Unterschied.» In Zürich werden die Bohnen auf ihre Aromen getestet. «In Kakaobohnen gibt es über 600 verschiedene Aromen – man kann sich tot testen», sagt Laura Schälchli begeistert. Ein Lebensmittelwissenschaftler entwickelt dann die Rezepte, die Bohnen werden geröstet, zu Schokolade verarbeitet und monatelang gelagert, damit sich das Aroma entfaltet. «Von der Ernte bis zur Tafel dauert es ungefähr ein Jahr.»
«Das ist, wie einen Winzer zu fragen, ob er Wein trinke», lacht sie auf die Frage, ob sie viel Schokolade esse. «Ich esse mega viel Schokolade.» Dass eine Frau, die sich ihr Leben lang mit Delikatessen beschäftigt und aus 600 Aromen genau die richtigen findet, gerne gut isst, überrascht kaum, doch: «Ich bin immer mehr zur Puritanerin geworden. Ich gehe sehr gerne in gute Restaurants, aber zu viel Schnickschnack auf dem Teller mag ich nicht.» Sie isst am liebsten saisonal und schwärmt von Pilzgerichten im Herbst. Und müsste sie ein Lieblingsessen nennen? «Na ja, das hängt von der Vorliebe und der Saison ab, aber einfach gesagt: Risotto. Risotto ist simpel, aber schwierig umzusetzen, dass es auch wirklich gut wird.» Es ist die Liebe zum Detail, die Laura Schälchli beim Essen begeistert – auch bei vermeintlich einfachen Gerichten wie Risotto.
Fixe Zukunftspläne für sich oder ihre Firma hat sie nicht, aber bei der Schokolade wird sie bleiben: «Ich kann mir das Leben ohne Schokoladenmanufaktur nicht mehr vorstellen.»
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