Von adminZoZuBo ‒ 25. September 2015
Weltweit mag es fünf Kontinente geben – am vergangenen Samstag drehte sich in Zollikon aber alles um die fünf Dörfer der Gemeinde. Der Verschönerungsverein hatte zum jährlichen Dorfrundgang gerufen und viele Zolliker kamen, um vom Chirchhof über das Chleidorf nach Gstad und von da weiter ins Hinter- und Oberdorf zu wandern.
«Ich kann mich gar nicht erinnern, jemals so viele Mitwanderer gesehen zu haben», freute sich Vereinspräsident Markus Diener über das Interesse. Für die Begeisterung gab es zwei Gründe: Der eine heisst Martin Hübner, der wieder faszinierende Details über die Gemeinde recherchiert hatte, der andere war wohl das wunderschöne Sommerwetter, das einen förmlich vor die Tür zwang. Immer abwechselnd geht es beim Dorfrundgang an die Grenzen Zollikons oder mitten ins Dorf. Dieses Jahr war das Dorf dran. «Das macht mich ehrlich gesagt ein bisschen nervös, bin ich doch eigentlich vom Berg», gestand «Vorläufer» Hübner. Und so lud er alle ein, seine Ausführungen durch eigene Erinnerungen zu bereichern. Gestartet wurde bei der Kirche, deren Turm zurzeit nur 52 Meter hoch ist. Sturm Gonzales hat im vergangenen Oktober einfach die Spitze mitgerissen. Am 24. Oktober um 11 Uhr wird sie nun wieder aufgesetzt.
Markus Diener hatte nicht nur mehr als 50 Interessierte begrüssen dürfen, sondern auch drei Neu-Zolliker. Seit einigen Jahren werden diese explizit eingeladen, um ihre Heimat besser kennenzulernen. Eine davon ist Ines Laging. Die Deutsche zog vor einem Jahr aus Mailand zu. «Das Dorfzentrum kenne ich schon, aber jetzt bin ich neugierig auf die Geschichte des Orts und die vielen Geschichten, die die Häuser zu erzählen haben», freute sie sich. Die besondere Herausforderung für sie: Hübner macht seinen Rundgang in Mundart. Von der Kirche ging es zum Alten Schulhaus, das – viele Kinder hätte das gefreut zu hören – eine Winterschule war. Im Sommer wurden die Mädchen und Jungen schlichtweg anderswo gebraucht. Schmunzelnd hörten die Besucher Hübners Ausführungen zum Gesellenhaus zu. In dem Wirtshaus waren seinerzeit keine Frauen erlaubt – lediglich bei Hochzeiten. Später musste der Gemeinderat der Wirtschaft «der guten Sitte hohnsprechendes Treiben zusprechen und registrierte tagsüber Gastbesuch auf dem Zimmer.» Besonderer Magnet war seit jeher der Dorfbrunnen. Dort wurden täglich 36 Kühe getränkt, da wurde gewaschen, Wasser geholt und natürlich viel geschwatzt. Martin Hübner erinnerte daran, dass nicht alle Zolliker glücklich darüber waren, als plötzlich jedes Haus einen eigenen Wasseranschluss hatte. Der kleine Tratsch am Brunnen, das Verteilen der neuesten Gerüchte fehlte den Menschen ganz einfach. Weiter zog die Gruppe, die zuvor auch von Gemeinderat Marc Raggenbass begrüsst worden war, Richtung See. Es ging durch kleine Gassen vorbei an wunderschönen Gärten ins Chleidorf. Ganz begeistert fotografierte auch Bettina Ruoss. Dabei kommt sie gar nicht aus Zollikon. Ganz zufällig und spontan hatte sie sich dem Zug angeschlossen und liess sich durch die Geschichte führen. Ansonsten führt sie selber, und zwar durch das Zürcher Grossmünster.
«Wenn ich hier am Bahnhof ankomme, bin ich immer wieder begeistert, wie schön gepflegt alles ist», fügte Ines Laging spontan an. Weiter ging es Richtung Gstad. Hier erinnerte Hübner an das Jahr 1819, das ein grosses Unwetter brachte. «Es hatte die Gass vom Loch bis an den See ganz ausgeschwemmt und unbrauchbar gemacht. Die ganze Gmeind muss von Stund an fronen», notierte damals der Geschworene Thomann der Jüngere. Besonders lange verweilte die Gruppe vor der Gstadstrasse 25. Für reformierte Eiferer gingen die Reformen Zwinglis seinerzeit zu wenig weit. 1525 gab es hier erstmals überhaupt eine Erwachsenen-Taufe. «Die Täuferbewegung wurde hier also erstmals verwirklicht, somit ist das Haus durchaus von internationaler Bedeutung», unterstrich Hübner. Ihm hörte auch Eva Siegenthaler interessiert zu. Sie ist in Zollikon geboren, hier aufgewachsen. «Natürlich kenne ich viele der Geschichten, und trotzdem gehe ich jedes Jahr gerne wieder mit, weil sie dadurch wieder lebendig werden», gab sie gerne zu. Auch Dani Glarner, der eigentlich vom Zollikerberg kommt, ist «Wiederholungstäter». «Es macht jedes Jahr aufs Neue Freude», betonte er. Nächstes Ziel war das Hinterdorf, wo am Dufourplatz alte Aufnahmen gezeigt wurden. Eindrücklich zeigten sie, wie sehr sich das Dorfbild im Laufe der Zeit gewandelt hat. «Möglicherweise ist der Kreisverkehr hier sogar der erste Kreisel in der Schweiz», mutmasste Martin Hübner. Vorbei an «Hof Peter», dem letzten Bauern Zollikons, ging es zum «Hinter Zünen». «Es ist das einzige Bauernhaus, das die Brandschatzung der Schwyzer Truppen im alten Zürichkrieg überlebt hat. Wahrscheinlich ist es sogar das älteste Haus in ganz Zollikon», erläuterte Hübner den interessierten Zuhörern. Es waren viele ältere Zolliker, die mit durch die Dörfer wanderten, aber doch fand sich auch manch junges Gesicht dabei. «Ich fände es schön, wenn noch viel mehr junge Familien mitlaufen würden», so Sabine Hoffmann. Die Berlinerin kam schon vor 25 Jahren in die Schweiz – erst nach Zürich, dann nach Zollikon – und ist auch traditionell jedes Jahr mit von der Partie. Letzte Station des Rundgangs war das Oberdorf. Es ging vorbei am «Felsengrund», das seinen Namen wegen der vielen Findlinge auf dem Bauplatz trägt, in Richtung Apéro, mit dem jedes Jahr der Rundgang ausklingt. Drei bis vier Arbeitstage steckt Martin Hübner jedes Jahr in die Ausarbeitung einer neuen Route. Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. (bms)
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