Von adminZoZuBo ‒ 20. November 2015
Eine wunderbare Uraufführung von «Das grüne Seidentuch» mit Sarah Magdalena Huisman begeisterte letzten Freitag das Publikum in der Aula Buechholz.
Es wäre vermutlich auch ein sehr schöner Abend gewesen, wenn Sarah Magdalena Huisman sich einfach auf die Bühne gesetzt und aus dem Bestseller «Das grüne Seidentuch» gelesen hätte. Die Schauspielerin hat eine eindringliche, klare Stimme. Doch Sarah Magdalena Huisman bot am vergangenen Freitag so viel mehr. Sie war Darstellerin, Erzählerin, alte Frau, junges Mädchen und Unterhalterin im besten Sinne. Sie bot den fast 80 Zuschauern in der Buechholz-Aula ein szenisches Theater und ein Stück Schweizer Geschichte. Darin wird das Seidentuch von Mutter zu Tochter weitergegeben, es wird zum Bindeglied der Generationen. Sarah Magdalena Huisman schmückt sich mit dem Tuch, versteckt sich dahinter, faltet es zärtlich. In dem bekannten Buch von Marcella Maier dreht sich alles um die Frauengenerationen vor ihr. Starke Frauen, die tapfer ihr Schicksal ertragen, sich den Widrigkeiten fügen und immer wieder aufstehen.
Die Männer kommen nicht so gut weg in der Familiengeschichte. Sie sterben früh an Schwindsucht oder Lungenentzündung, sie spekulieren und verlieren das gesamte gesparte Geld. Am Anfang der Geschichte steht Alma, die das Tuch von einem Priester geschenkt bekommt. Alma heiratet spät und bekommt doch noch ein Kind – Tochter Lisabetta. Das Familienglück währt nur kurz. Verwitwet muss Alma zusehen, wie sie das Kind und sich durch den Winter in den Bergen bringt. Die Zuhörer erleben eine Gefühlskneippkur. Alma hat Glück, bekommt eine Stelle als Dienstmagd. Sie setzt alles aufs Spiel, weil sie nachts bei Kranken wacht und die Tochter ganz alleine lässt. Sehr konzentriert schlüpfte Sarah Magdalena Huisman in die Mimik der Frauen. Ein Schmunzeln ging durch den Saal, als es zur pubertären Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter à la «Nein, doch, nein, doch» kommt. Der Hintergrund: Lisabetta will ins Engadin, dort im Hotel arbeiten. Schweren Herzens lässt Alma sie ziehen. Mit der Nachricht «Ich werde heiraten» kommt Lisabetta zurück. Die Geschichte wiederholt sich fast dramatisch. Auch ihr Mann stirbt früh, auch sie steht alleine mit einer Tochter und einem Sohn da, von dem der Mann noch nicht mal wusste. Lisabetta folgt dem Vorbild der Mutter – leider. Sie arbeitet Tag und Nacht. Völlig übermüdet steht sie am Ofen und backt. Mucksmäuschenstill ist es in der Aula, als Lisabetta ihre Kinder in einem schweren Schneesturm los schickt, damit sie Petroleum kaufen. «Ich brauche doch Licht. Sonst kann ich doch nicht arbeiten», so die verzweifelte Bäckerin. Sarah Magdalena Huisman wirft einen Ventilator an, lässt Papierschnipsel wie Schneeflocken durch den Raum tanzen. Jeder im Saal leidet mit den Kindern, jeder fürchtet wohl das Schlimmste. Doch halb erfroren werden Tochter und Sohn gerettet.
Sarah Magdalena Huisman hat mir ihrer Darstellung unter der Regie von Renate Muggli wirklich alle Sinne angesprochen. Völlig sicher wandelte sie über den Spannungsbogen der Generationengeschichte. Und so litt das Publikum mit Maria, Lisabettas Tochter, die sich in einen glücklosen Visionär verliebt. Er möchte Strom ins Tal bringen und bringt doch nur das Geld seiner Frau durch. Aber Maria gab nicht auf und brachte es als Hebamme zu einem erfüllten Leben. Ihre Tochter Nina zog es – wie die Mutter einst selbst – in die Stadt. Sie nahm eine Stelle im Büro des Kurvereins St. Moritz an. Nur: Der Erste Weltkrieg kam, die Touristen blieben aus. Und auch Ninas Mann zieht ins Militär. Wieder eine einsame Frau, die auf sich alleine gestellt ist. Und doch kann Nina den Aufstieg der Stadt bei den Olympischen Spielen 1928 erleben. Und sie wird Mutter – von Marcella. Jener Marcella, die diese wunderschöne Geschichte über starke Frauen aufgeschrieben hat.
Mit der Uraufführung des Erzähltheaters ist Sarah Magdalena Huisman mit ihrer unglaublichen Präsenz in Zollikon ein wunderbarer Abend gelungen. Buchs, Bülach, St. Moritz, wo die Tournee jetzt hinzieht, dürfen sich freuen. (bms)
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