Von adminZoZuBo ‒ 19. Februar 2016
Seit vier Jahren schon prägt er mit seinem Hut das Bild des Jugis Zumikon. Die Kopfbedeckung gehört zu ihm wie der Senf zur Bratwurst. Nun hat Nicolas Pfister mit seiner Bachelor-Arbeit eine interessante Lektüre rund um das Thema «Sozialer Wandel und der Einfluss des jugendlichen Partizipationsverhaltens» vorgelegt.
Nach vier Jahren Studium plus Job im Jugendzentrum kann der 30-jährige Nicolas Pfister nun mal durchatmen. Dabei ist er selber Beispiel dafür, dass man als Jugendlicher vielleicht noch nicht so genau weiss, wohin die Reise gehen soll – und dass man schliesslich trotzdem ans Ziel kommen kann. Nach der Schule absolvierte er erfolgreich eine Lehre als Landwirt mit Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft. «Das war eine harte Zeit. Aber auch schön», erinnert er sich. Irgendwann war es nicht mehr schön genug und er kündigte. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, mal als Landschaftsgärtner, dann in einem Spirituosenladen. Für ein Jahr ging es zum Militär, dann lockte ihn wieder die Natur. Er war im Blumen-Grosshandel tätig. Parallel legte er die Berufsmatura ab, und plötzlich war ihm klar, dass er in die Jugendarbeit wollte.
Seine eigenen Erfahrungen mit einem Jugi sehen anders aus als das, was er heute lebt. «Wir haben das eigentlich nur in der kalten Jahreszeit gebraucht. Ansonsten sind wir draussen abgehangen. Und uns wurde wesentlich weniger geboten», erinnert er sich und stutzt. «Nein, eigentlich wurde uns ausser dem Raum gar nichts geboten. Was wir wollten, mussten wir selber auf die Beine stellen.» So soll es eigentlich auch im Jugi Zumikon sein. «Die Initiative muss von den Jugendlichen kommen, und zwar wiederholt», fordert der Jugendarbeiter. Er will ganz klar weg von der Animation, vom Konsumverhalten. Doch er weiss auch: Die Zeiten haben sich geändert. Das fängt schon mit der Definition von «Jugend» an. Wie soll man sich als Jugendlicher abgrenzen, wenn die eigene Mutter auch bei H&M einkauft, der Vater mit aufs Rockkonzert will? Auf der anderen Seite würden Kinder und Jugendliche schon sehr ernst genommen. Sie dürften mitsprechen bei Familienentscheidungen, auf der anderen Seite liege ein hoher Leistungsdruck auf ihnen. «Das ist wahrscheinlich in dem Einzugsgebiet hier noch extremer», so Nicolas Pfister. Zumikon und Umgebung verfügen über einen hohen Akademikeranteil, Menschen, die das Beste für die nachfolgende Generation wollen. Wobei nicht immer klar ist, was das sein könnte. Für seine Bachelor-Arbeit hat er zunächst auf die gesamte Gesellschaft geschaut und erstaunliche Entwicklungen festgestellt – die übertragen sich natürlich auch auf die Jugend. «Es ist alles so individualisiert, so ich-bezogen. Gruppenbewegungen wie vielleicht noch in den 80er-Jahren gibt es nicht mehr», erläutert er. Das ist wohl eine Folge der Karriere-Orientierung. Jeder schaut, wie er selber so schnell wie möglich ans Ziel kommt, ohne nach rechts oder links zu gucken. «Dabei wäre es schön, wenn die Jugendlichen einfach mal jugendlich sein dürften und nichts machen müssten», wünscht sich der frischgebackene Bachelor.
Wichtig für die Entwicklung, die in der Pubertät schwierig genug ist, blieben aber nach wie vor die Familie oder andere stabile Bindungen. «Das heisst aber auch, dass ein Kind nicht zum Projekt wird.» Erstaunt hat Nicholas Pfister bei den Recherchen für seine Arbeit feststellen müssen, dass viele Jugendliche schon unter Stresskrankheiten leiden. Er setzt den ganzen Freizeit-Verpflichtungen entgegen, dass es eben auch gesunde Langweile gibt. Das ist ein Freiraum, in dem Neues entstehen kann. Und so versucht er, auch die Jugendlichen aus Zumikon und vom Zollikerberg, die auch gerne kommen, an der langen Leine zu lassen. Er macht nicht den «Vorturner». Was das Zumikoner Jugi besonders macht, ist auch der hohe Anteil von Mädchen. «Es ist wirklich ganz selten, dass mehr Mädchen als Knaben ein Jugi frequentieren», fasst Pfister zusammen. Normalerweise treffen sich die Mädchen eher privat, in Zumikon kommen sie ins Jugi – vielleicht auch, weil es eben den Meitli-Raum gibt, wo sie ganz ungestört quatschen und chillen können. «Für Buben ist so ein Rückzugsort aber auch wichtig», unterstreicht Nicolas Pfister. Ob er selber gerne noch mal 16 oder 17 wäre? «Nein», kommt es sofort. Doch was in seiner Jugend vielleicht besser war: die Verbindlichkeit. Wenn man um drei Uhr vor McDonald`s verabredet war, war man besser auch da. Heute sind alle überall erreichbar. Verabredungen laufen nach dem «Schauen-wir-mal-Prinzip». «Keiner muss wirklich verlässlich sein. Mit dem Blick auf den Arbeitsmarkt ist das ein ganz grosses Defizit.» Spätestens da ist Verlässlichkeit ein Muss.
Vor Nicolas Pfister und seiner Kollegin Angela Müller liegen gerade jetzt spannende Zeiten. Eigentlich sollte das Jugi zum Ende des Jahres in das Alte Gemeindehaus mitten im Dorf ziehen. Die Bauarbeiten verzögern sich allerdings um rund vier Monate. Und ausgerechnet jetzt werden dem Jugi zwei der provisorischen Räume bei «Rüegg» am Dorfrand gekündigt. «Irgendwie werden wir diese Zeitspanne überbrücken», ist sich Nicolas Pfister sicher. Er freut sich darauf, dass die Jugendlichen demnächst wieder mehr im Dorfkern zu Hause sein werden. «Dann wird es auch einen Dialog zwischen den Generationen geben müssen, weil da viele Interessen unter einem Dach aufeinandertreffen. Ich glaube, das wird wirklich spannend.» (bms)
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