48/2016 Zum Wohl der Kranken

Von adminZoZuBo ‒ 2. Dezember 2016

Zum Wohl der Kranken

Anja Bremi war sich stets bewusst, wie privilegiert sie als gesunde Schweizerin ist – und wie nötig es die Kranken haben, dass sich jemand für sie und ihre Anliegen einsetzt. So hat sie dies in jungen Jahren bereits persönlich angepackt und tut es noch immer.

Eindrucksvoll ist ihre Stimme: offen, energiegeladen, klug und bestimmt. In ihr kommt ihre ganze Persönlichkeit zum Klingen. Einzig ihr Alter lässt sich daraus nicht erraten – sie tönt um Jahre jünger. 81 Jahre alt geworden ist sie dieses Jahr. Zeit für einen Rückblick.

Die Energie, sagt sie, sei ihr in die Wiege gelegt worden, sie sei ein Geschenk. Wohlbehütet aufgewachsen am Zürichberg hat sie in frühen Jahren schon und vorerst gegen den Willen ihres Vaters beschlossen, Krankenschwester zu werden. «Er sah mich schon als ledige Frau alt werden und wollte mich davor bewahren», sagt sie und lacht. Ihm zuliebe ging sie zur Berufsberatung. Doch der Vorschlag des Beraters, sie solle sich doch in einem künstlerischen Beruf umsehen, vermochte sie nicht zu überzeugen. Der Versuch, eine Kunstschule zu besuchen, scheiterte. Der damals aktuelle Existenzialismus war ihr zu fremd.

So gab ihr Vater nach, sie suchte nach einer angemessenen Ausbildung. Und wählte die Krankenschwesterschule «Le Bon Secours» in Genf, wo sie sich sofort wohlfühlte. Die freie Atmosphäre in der Romandie gefiel ihr. Begierig saugte sie alles Neue auf, worauf es bei der Pflege ankam und bestand alle Prüfungen problemlos. «Es war eine herrliche Zeit» sagt sie, «das Lernen mit dem Praxisbezug war für mich reines Vergnügen, ich ging ganz darin auf.»

Kein Wunder wurde sie kurz nach ihrem Abschluss von der Schule als Unterrichtsassistentin angestellt und dann zur Weiterbildung nach Amerika geschickt. Hier sollte sie lernen, was in der Pflege und dem Unterrichten neuster Stand war, um nach ihrer Rückkehr zukünftige Krankenschwestern zu unterrichten.

In den USA viel gelernt

«Die Schweiz galt damals als ­Entwicklungsland, was die Krankenpflege anbelangt», sagt sie, weshalb ein amerikanisches Entwicklungsprojekt auch der Schweiz einen Platz an einer der fortschrittlichsten Schulen der USA anbot, um ihre Erkenntnisse da zu erweitern. «Für mich war das Jahr prägend für mein ganzes weiteres Leben», sagt Anja Bremi, «neben der Schule, an der ich sehr viel lernte, beeindruckte mich vor allem das amerikanische Selbstverständnis des ‹Volunteering›.» Jeder habe da seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend Freiwilligenarbeit geleistet, egal ob reich oder arm, ob Frau oder Mann. Im Vergleich dazu stecke die Freiwilligenarbeit in der Schweiz auch heute noch – selbst wenn diese natürlich auch hoch geschätzt sei – in den Kinderschuhen. «Vielleicht», sagt sie, «wissen die Amerikaner aus den harten Pionierjahren einfach noch besser als wir, dass jeder mal in die Lage kommen kann, Hilfe annehmen zu müssen. Und darum helfen sie vielleicht leichter andern Menschen.»

Und so machte sich Anja Bremi diese Selbstverständlichkeit noch mehr zu eigen, als sie es eventuell eh getan hätte, als Tochter einer Familie, der ein ehrenamtliches Engagement für weniger gutgestellte Menschen seit Generationen natürlich war.

Zurück in der Schweiz begann sie das Gelernte umzusetzen. Wichtigste Erkenntnis war ihr dabei zu vermitteln, dass es stets in erster Priorität galt, alle Kranken ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend zu pflegen. Daran änderte dann auch die Heirat und Familiengründung mit ihrem Mann Ulrich Bremi nichts, den sie in Genf kennenglernt hatte. «Natürlich war mir klar», sagt sie, «dass ich, wenn wir Kinder wollten, beruflich zurückstehen würde. Dass mir mein neues Leben neben der Liebe zur Familie neue sinnvolle Aufgaben bringen würde.» Doch immer habe ihr Mann sie in ihren persönlichen Anliegen unterstützt, oft nachgefragt und sie aufgefordert dran zubleiben. Ganz im Unterschied zu ihrem Umfeld indem es in den 60er- und 70er-Jahren noch oft hiess «Warum machst du das noch? Du hast es doch nun nicht mehr nötig!»

Solche Sprüche hätten ihr stets bewusst gemacht, wie schön ihr Leben war: «Nie musste ich etwas tun, weil es für den Familienunterhalt nötig war. Immer schon konnte ich tun, was ich persönlich als nötig erachtete und tun wollte.»

Voller Einsatz

Getan hat sie viel, wie ihr Leistungsausweis eindrücklich zeigt: erst als Lehrerin an der Schule in Genf und Zürich, später als Präsidentin verschiedener Schulkommissionen in Krankenpflegeschulen des Kantons Zürich und als Präsidentin des Roten Kreuzes Zürich sowie im schweizerischen Rotkreuzrat. In den 90er-Jahren half sie einerseits in Zollikon die beiden Altersheime zusammenzuführen und baute andererseits für den Kanton Zürich die neue Stabsstelle für die Berufe im Gesundheitswesen auf. In den folgenden Jahren war sie in der Gemeinde Zollikon als Beraterin beim Aufbau der neuzeitlichen Spitex-Organisation tätig, wurde da Kommissionsmitglied und später auch Mitglied der Alterskommission.

Und noch ist das nicht alles. Sie war auch Mitbegründerin von verschiedenen neuen Institutionen, die das Leben von alten und kranken Menschen verbessern. So zum Beispiel beim Aufbau der unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA). UBA ist eine Beschwerdestelle für alte Menschen und Angehörige in Konfliktsituationen, welche durch freiwillige Fachpersonen mit den Betroffenen bearbeitet werden. Die Zusammenarbeit mit dieser hoch qualifizierten Arbeitsgruppe, die fachliche, finanzielle Führung und die Akzeptanz dieser Stelle nach Aussen, war die Krönung aller Tätigkeiten am Ende ihrer Laufbahn.

Was sie aber auch immer in ihrem Fachbereich tat und tut, immer entspringt es ihrem tiefen Interesse, missliche Umstände pragmatisch zu ändern, immer greift sie auf ihre genauen Kenntnisse der praktischen Pflegearbeit zurück, setzt ihre Fähigkeit ein, genau zuzuhören, aufmerksam zu beobachten und gezielt nachzufragen. Immer ging es ihr um die Sache, um die konkrete Veränderung.

Ehrenamt als Selbstverständnis

Ausser bei den Aufträgen des Kantons war ihr Einsatz meist ehrenamtlich, wurde einzig mit Blumensträussen oder ein paar Flaschen «Lunggesüüder» vergolten. «So war das eben», sagt sie, «und ist es noch immer. Im Grunde ist ehrenamtliches Engagement nie mit Geld bezahlbar. Zuviel Arbeit steckt dahinter. Arbeit und Emotion, denn Motivation zur Freiwilligenarbeit ist nicht Geld, sondern die Solidarität unter Menschen. Ich bin froh, dass mir meine Familie und unsere Lebensumstände die Möglichkeit boten, so viel zu bewirken.»

Als junge Familie bereits wohnten die Bremis in der fünften Generation im Haus der Schwiegermutter in Zollikon und zogen, so Anja Bremi, damit das grosse Los: Die Eintracht der drei Generationen und die einfühlsame und liebevolle Schwieger- und Grossmutter unter dem Dach des schönen Weinbauernhauses an der Alten Landstrasse waren ein Segen für alle. Es ermöglichte eine Geborgenheit mit viel Freiraum. Später wurde diese mit dem Einzug der Haushälterin Maria Caduff, die nunmehr bereits 40 Jahre fest zur Familie gehört, noch unterstützt. Unbesorgt konnte Anja Bremi ihren Pflichten und Engagements nachgehen. Immer war jemand für die Familie und die Besucher da.

Es ist ein Segen, der sich nun in der nächsten Generation weiterzieht. Die eine Tochter wohnt mit ihrer Familie oben im Haus, die andere nicht weit weg ebenfalls in einem schönen ehemaligen Weingasthaus. Die Enkelschar geht bei den Grosseltern ein und aus und sorgen für viel Freude, zeigt sie doch auf, dass der Samen Früchte trägt: Berufstätigkeit und gemeinnützige Arbeit ist für die Töchter selbstverständlich und Freiwilligenarbeit hat auch schon die Enkel gepackt. Genau so wie es die älteren Generationen vorgelebt haben, wollen sich auch die Jungen für «eine bessere Welt» einsetzen.

So haben der Enkel Basil und seine Schwester Lynn gemeinsam mit einem Freund und dessen Bruder mit selbstproduzierten Kleinigkeiten, die sie am Weihnachtsmarkt verkauften, einen beträchtlichen Beitrag für die gefährdeten Biber gesammelt. Der Erfolg hat sie begeistert.

 

Freiwilligenarbeit in Zollikon und Zumikon

Der 5. Dezember ist der internationale Tag des Ehrenamtes (International Volunteer Day for Economic and Social Development, IVD). Der von der UNO ins Leben gerufene Gedenk- und Aktionstag zur Anerkennung und Förderung des ­freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements feiert heuer sein 30. Jubiläum.

Auch in Zollikon wird viel Ehrenamtliches geleistet. Das ganze Vereinsleben wäre ohne dies gar nicht denkbar. Dazu wird viel Hilfe in kleineren und grösseren Notlagen kostenlos geleistet. All dies ist unbezahlbares Gut. Nicht Geld, sondern Begegnungen, Erfahrungsaustausch und Erlebnisse aller Art bereichern die Beteiligten.

In allen Kulturen der Welt gilt der individuelle Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft seit jeher für die Menschen zum Bild eines erfüllten Lebens. Er ist der Kitt der Gesellschaft, ohne den ein gutes Zusammenleben unmöglich ist. Erstaunlicherweise hält sich das Engagement für Gratisarbeit in der Schweiz im Vergleich zu andern Ländern in Grenzen und ist seit 2004 gar rückläufig.

Da wird das Schweizervolk – vorab die ältere Generation, die nach ihrer Pensionierung oft Zeit und Möglichkeiten für Freiwilligenarbeit vor sich hat – in Zukunft zum Wohle aller mehr gefordert sein, ihren Anteil zu leisten, um all den gesellschaftlichen Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden. Wer dies gerne tun möchte, hat in der Schweiz die Qual der Wahl. Dafür aber die Möglichkeit, auch im freiwilligen Engagement die Arbeit auszusuchen, die der persönlichen Freude und Fähigkeit entgegenkommt.

In Zollikon bieten die beiden Kirchen, die Diakonie, das Spital Zollikerberg und zahlreiche Vereine die Möglichkeit, dies in organisiertem Rahmen zu tun.

Alle Adressen sind auf der Website der Gemeinde www.zollikon.ch unter der Rubrik Freizeitdienst oder direkt bei Alfred Ryf, Telefon 044 395 34 85 zu erfahren.

Soll der Einsatz über die Gemeindegrenzen hinausgehen, ist die Plattform Benevol (www.benevol.ch) empfehlenswert. Benevol ist eine gute Adresse für Freiwilligenarbeit in allen Bereichen.

Auch in Zumikon wird viel ehrenamtliche Arbeit geleistet. Wer sich freiwillig engagieren möchte oder auch Unterstützung sucht, kann sich mit Marianne Hostettler in Verbindung setzen (hostettler@zumikon.ch). Die Koordinationsstelle hilft gerne mit Informationen und Beratung.

Zollikon lädt seine Freiwilligen am 5. Dezember ab 18 Uhr zu einer kleinen Feier im Quartiertreff Zollikerberg ein.

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