Von adminZoZuBo ‒ 26. Januar 2017
Der Zolliker Balz Baechi ist auf vielen Gebieten der Kunst zu Hause, doch verweilen will der 79-Jährige nirgends
Auf dem Boden liegen grosse Fotografien von Kirchen, an der Wand hängen Fotos einer nackten Tänzerin, in der Ecke steht der Notenständer, daneben liegt die geliebte Querflöte: Der Blick in das Arbeitszimmer von Balz Baechi öffnet verschiedene Welten. Ganz unterschiedliche Facetten fügen sich zu einem Bild zusammen. Die schrägen Wände machen den Raum heimelig, der Ausblick über den See bis zu den Bergen dagegen öffnet das Zimmer. Solche Gegensätze vereint der Künstler wie wohl nur wenige. «Die Diversität, die ich in den vergangenen 55 Jahren erleben durfte, ist heute einfach nicht wiederholbar.» Erstaunlicherweise klingt der Satz bei ihm nicht überheblich. Es ist für ihn eine schlichte Feststellung. Wer sich weiter umsieht, trifft immer wieder auf Bilder dieser aparten Frau mit den grossen braunen Augen. Es ist Isabel Pardo de Leygonier, die der Zolliker in den frühen 60er-Jahren in Paris kennenlernte und mit der er seit 50 Jahren verheiratet ist. Und immer noch liebt er es, seine Frau zu malen, zu zeichnen, einzufangen. «Sie ist meine Muse, meine Kraft», unterstreicht er liebevoll. Balz Baechi hat viele Begabungen. Neudeutsch würde man ihn als Allround-Talent bezeichnen. Seine Karriere begann nach der Matura, als er eben nicht wie alle anderen an die Universität ging, sondern eine Grafikerlehre absolvierte.
Mit dem Abschluss in der Tasche zog es ihn nach Paris, wo er sich ganz mutig selbstständig machte. Schnell bekam er Aufträge und zeichnete für Plakatkampagnen. Doch es zog ihn weiter – in die USA. Seine Freundin Isabel sollte natürlich mit. Die wollte auch – aber nicht als Freundin, sondern als Ehefrau. Folglich wurde geheiratet und der Zolliker wurde als Art-Director in unterschiedlichen Werbeagenturen tätig. Doch er wollte mehr. Der Ist-Zustand ist für ihn nicht attraktiv. Auch heute nicht. Er will sich weiterentwickeln, neues Land betreten. Und so nimmt er beispielsweise noch immer Querflötenunterricht. Und eine Stunde lang wird geübt – jeden Tag. «Ich werde tatsächlich immer noch besser», lacht er. Mit ein bisschen Stolz zieht er ein Buch mit seinen Theaterzeichnungen aus dem Regal. 1989 erschien das Werk mit all den Skizzen und Zeichnungen, die seinerzeit im Tagesanzeiger erschienen. «Ich habe versucht, die Stimmung eines jeden Stücks einzufangen», erklärt er. Fast zärtlich streicht er über die Seiten, erinnert sich an die verschiedenen Produktionen. Aber der Moment ist schnell vorbei. Der Künstler ist nicht in der Vergangenheit zuhause. Obwohl: «Manchmal schreibe ich mir jetzt schon Sachen auf, weil ich Angst habe, sie zu vergessen.»
Zurzeit treiben Balz Baechi zwei Themenkreise an: die Malerei und der Schutz von historischen Wandmalereien. Viel konträrer könnten die Projekte auf den ersten Blick nicht sein, aber unter dem Titel «Freilegen» können sie Hand in Hand gehen. Die Malerei passiert am See. Sie geschieht da, wo fest und flüssig, Figur und Abstraktion einen Dialog eingehen. So wie die beiden jungen Frauen auf dem Grossformat in Baechis Atelier in Küsnacht. Sie stehen am Ufer des Sees, ihre Blicke schweifen verträumt in die Ferne. Immer und immer wieder hat der Künstler den Hintergrund verändert. Die nackten Frauen waren schnell gemalt. Aber der Hintergrund habe ihn fast verzweifeln lassen. Nun ist er glücklich, hat den richtigen Ton getroffen. Was ihn reize an den Frauenkörpern sei auch immer die Haltung. Dass die Figuren nackt sind, erscheint fast selbstverständlich. Sie sind im besten Sinne schamlos. Aber die Haltung macht den Moment. Jedes Bild erzählt seine eigene Geschichte. Da ist die Frau, die sehnsüchtig ausschaut. Da ist eine andere Frau mit fast arrogantem Blick. Und alle wirken lebendig und trotz ihrer Nacktheit nicht obszön oder aufreizend. Zu sehen sind Werke von Balz Baechi in einer Ausstellung im Februar in der Zürcher Walter-Galerie. Aber nicht nur für die Frauen schlägt sein Herz. Auch für historische Wandmalereien. Und so rief er im Jahr 2000 die «Isabel & Balz Baechi Foundation to protect wallpaintings» ins Leben, die er jährlich mit rund 600 000 Franken füttert. Rund um die Welt war sie schon tätig. So sieben Sommer lang in Westtibet. Zwischen 2002 und 2009 sorgte sie für die Renovierung von Tempeldächern in Guge und restaurierte dort die Wandmalereien des «White temple». Wie er es geschafft hat, überhaupt ins Land gelassen zu werden? «Ich hatte Kontakte in China», winkt er ab.
Lieber schwärmt er jetzt von der Arbeit in Morbegno, wo die Stiftung in der riesigen «Collegiata di San Giovanni» die Chorfresken von Pietro Ligari renovierte und die originale hellblaugraue Farbfassung des Kirchenschiffs wieder herstellte. Seine Augen leuchten, wenn er Details auf den Bildern zeigt. «Das ist der schönste barocke Kirchenraum ganz Italiens», schwärmt er – erbaut vom vornehmen Leutpriester, der mit dem damaligen Papst aus Como auf Du war. Das zweite Juwel ist der um 1750 grossartig ausgemalte Palazzo Malaccrida. Doch sind die Restauratoren der Stiftung nicht nur in der Ferne tätig. Die angebotene Teilnahme an der Freilegung der 1940 übermalten Dekoration in der Tonhalle ist willkommen. Baechis Vorschlag einer saalangepassten Redimensionierung der grossen Orgel von 1986 führte zur Gründung einer Arbeitsgruppe. Er wartet auch auf grünes Licht, um die Wandbilder des zweiten grossen Tempels in Tibet anzugehen. Dazu plant er eine Konferenz zwischen tibetischen und indischen Denkmalpflegern über Schutzstrategien. Und ganz hinten im Kopf ist da der Wunsch nach einer Retrospektive mit all den Schritten vom Karikaturisten, Zeichner, Illustrator zum Maler und Bewahrer. Aber vielleicht ist es dafür noch ein bisschen früh. Balz Baechi ist noch immer auf dem Weg, noch immer neugierig und kritisch. Da ist vielleicht noch mehr Neuland. (bms)
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