Von adminZoZuBo ‒ 23. März 2017
Thomas Kauflin hat viele Talente. Zumiker kennen ihn als Gemeindeschreiber, Küsnachter vor allem als Schauspieler und Sänger.
Heute Abend wird er müde sein. Müde von einem pausenlosen, zweitägigen Ritt. Allen versucht er es zu erzählen, muss ihnen die schlimme Nachricht überbringen. Doch niemand will sie hören, und so taumelt er immer und immer wieder durchs Stück und klagt jedem sein Leid. Thomas Kauflin sitzt mit hellwachen Augen im Gemeindehaus, vor sich eine Tasse heiss dampfenden Tee. Kaffee, um am Morgen in die Gänge zu kommen, braucht er nicht. «Zu bitter», findet er. Energie wird er benötigen für die nächsten Tage, die gefüllt sein werden mit Arbeit und Proben. Es ist Freitagmorgen, eine Woche bevor die «Kulisse Küsnacht» ihre neuste Produktion «Romulus der Grosse» von Friedrich Dürrenmatt zum ersten Mal aufführt. «Es wird ein Running Gag sein», beschreibt Thomas Kauflin seine Rolle des Reiterpräfekts, der dem Kaiser eine Nachricht zu überbringen hat, die dieser aber nicht hören will. Denn das Einzige, was Romulus interessiert, sind seine Hühner. «Noch nie haben wir so ein komisches Stück gespielt», sagt er, es sei eines voller heiterer, skurriler Situationen und überraschender Wendungen. Für Zumikons Gemeindeschreiber ist es die 18. Produktion, die er mit dem Küsnachter Theaterverein absolviert. 15 Jahre lang wirkte er im Vorstand mit, vier davon als Präsident. Eingetaucht in die Welt des Theaters ist er kurz nach seiner kaufmännischen Lehre, die er auf der Gemeindeverwaltung Küsnacht absolvierte und wo er später auf dem Sekretariat arbeitete und für die Kulturkommission zuständig war. Das erste Stück, in dem Thomas Kauflin mitwirkte, war Albert Camus‘ «Der Belagerungszustand». Sein Debüt war eine der Hauptrollen. «Das hat sich einfach so ergeben», sagt er so unaufgeregt wie selbstbewusst, «über das geschenkte Vertrauen freute ich mich und nahm es gerne an.» Texte auswendig zu lernen, sei ihm nie schwer gefallen, mit Ausnahme des letztjährigen Stückes «Faust3», eine Adaption des klassischen Goethewerks, das komplett in Versen und alten Redensformen daherkam und den drei Hauptdarstellern einiges abverlangte. Schwieriger findet er, die Figur zu entwickeln, die man spielt. Wie soll sie ausgestattet werden, was steckt hinter ihr, was zeichnet sie aus? «Schwarz-weiss gibt es praktisch nie», findet Thomas Kauflin, der stets versucht, alle Ebenen seiner Rollen zu zeigen.
Der heute 46-Jährige hätte sich früher gut vorstellen können, professioneller Schauspieler zu werden. An mehreren grossen deutschen Schauspielschulen hatte er sich in seinen Zwanzigern beworben, war überzeugt, das mitzubringen, was gefragt war: kreativ im Umgang mit Wort und Sprache, stark im Improvisieren und schlagfertig. Das, was ihm immer nachgesagt wurde, was ihm immer leicht fiel. «Doch plötzlich waren da halt noch ganz viele andere neben mir, die das ebenso konnten», sagt der grossgewachsene, schlanke Mann und der Schalk schaut aus seinen grünbraunen Augen, «mit meinem Schweizer Akzent wollten sie mich dann halt doch nicht.» Und so führte sein Weg zurück auf die Gemeindeverwaltung. Im Steueramt verdiente er fortan seine Brötchen, bevor er die Ausbildung zum Gemeindeschreiber antrat und vor 15 Jahren nach Zumikon wechselte. Zuerst in der Rolle des Leiters Steuern seit 2008 als Gemeindeschreiber. Die Schauspielerei blieb sein Hobby, aber nicht nur sie. Denn mit seiner Heimatgemeinde Küsnacht verbindet ihn neben der «Kulisse» noch eine weitere Gruppe, mit der er regelmässig probt und ebenfalls hin und wieder auftritt: die Rockband «Xotnix». Auch hier ist er mit Herzblut dabei, ist seit 2006 Leadsänger der «Boygroup», wie er sie liebevoll nennt. Alle fünf Musiker sind Ur-Küsnachter, kennen sich von Sommerlagern der katholischen Pfarrei her und sind heute eng befreundet. Zwei CDs haben sie bisher herausgegeben, anfangs kamen die Songs in Englisch daher, seit etlichen Jahren singt Thomas Kauflin nun aber in Mundart.
Mit «Ritter», einem der neueren Hits, feierte die Band vor knapp zwei Jahren ihre Videopremiere. Unterstützt von Produzent und Gölä-Gitarrist Ueli Bleuler haben sie den Song im Studio aufgenommen und mit einem befreundeten Hobbyfilmer haben sie auf der Küsnachter Burgruine Wulp ein Video gedreht, in dem Thomas Kauflin im mittelalterlichen Setting davon träumt, ein Ritter zu sein. «Der Song ist ein Synonym fürs Ausbrechen», erklärt er, nun ganz in der Rolle des Sängers. «Ich wett wieder mal en Ritter si, mit em Burgfräulein zäme chli zärtlich si», lautet der Refrain des Songs, der vom Alltagskrampf handelt und von der Schwierigkeit, Erfüllung zu finden, gerade dann, wenn der Job bieder und öd sei. Thomas Kauflin lacht auf, scheint die nächste Frage erwartet zu haben. «Nein, ich singe hier nicht von meiner eigenen Situation.» Natürlich fliesse oftmals Persönliches in die Songs ein, die er grösstenteils selber schreibt. Über seine Arbeit als Gemeindeschreiber könne er sich aber nicht beklagen, geschweige denn darüber, dass das Führen der Verwaltung langweilig sei. Seine Engagements bezeichnet Thomas Kauflin als gegenseitigen Austausch. Band und Theater seien die kreativen Prozesse, die ihn auf einem anderen Gebiet forderten als sein Arbeitsalltag, der oft von Gesetzesverordnungen und Anordnungen des Gemeinderates bestimmt sei. «Ich lebe mich gerne in meiner Freizeit kreativ aus und mag die geordneten Abläufe in meinem Arbeitsalltag.» Dass Thomas Kauflin auch als Gemeindeschreiber gross aufspielt, zeigen die anerkennenden Worte des Zumiker Gemeindepräsidenten. Sein Gemeindeschreiber sei sehr gewissenhaft und umsichtig und achte darauf, alle Aspekte und mögliche Sichtweisen auf den Tisch zu bringen. «Im politischen Umfeld ist das eine unschätzbare Arbeitseinstellung», lobt Jürg Eberhard und sagt, er bewundere Thomas Kauflin dafür, dass dieser auch in schwierigen Situationen immer seine Ruhe bewahre. Ebenso zeichne ihn aus, dass ihm das Wohl seiner Mitarbeitenden sehr am Herzen liege.
Thomas Kauflin überzeugt in seinen verschiedenen Rollen. Gibt es eine, in die er gerne mal noch schlüpfen würde? «Von Mäusen und Menschen» des US-amerikanischen Schriftsteller John Steinbeck findet er eine spannende Erzählung. Die Figur des grossgewachsenen und bärenstarken, aber geistig zurückgebliebenen Lennie fasziniert ihn. «Jemanden zu spielen, der nicht der Norm entspricht, wäre spannend», lägen Kreativität, Intelligenz und Wahnsinn doch oft nahe beieinander und stelle er sich dessen Verkörperung herausfordernd vor. Mit «Xotnix» hat er sich kürzlich auch an eine neue Herausforderung gewagt. Die Band hat im vergangenen Jahr mit «Zürisee» ihren ersten Reggaesong aufgenommen. «Eigentlich ein Sommerhit», der dummerweise erst im Herbst fertig geworden sei. Ganz sicher also, dass er dieses Jahr nochmals ausgepackt wird. Die Frage ist nur, wie viel Zeit Zumikons Gemeindeschreiber dann haben wird. Steht doch in diesem Sommer auch noch der definitive Zusammenzug mit seiner Frau im neuen Heim an. Zweifeln, dass Thomas Kauflin auch das alles unter einen Hut bringen wird, muss wohl aber niemand. Vielleicht wird er einfach etwas müde sein.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.