Von adminZoZuBo ‒ 1. Juni 2017
Zu der Zolliker Veterinärmedizinerin Claudia Nett kommen Hunde und Katzen mit Allergien und deren frustrierte Besitzer.
Es sei nicht so, dass sie schon mit fünf Jahren verkündet habe, dass sie mal Tierärztin werde. Sie hat auch keine Kuscheltiere mit Pflastern oder Mullbinden verarztet – und doch ist Claudia Nett mittlerweile spezialisierte Tierärztin, die in zwei Praxen arbeitet (eine davon in Zumikon), sich international und national fachpolitisch engagiert und die sich, damit es nicht langweilig wird, eben einen kleinen Welpen namens «Hope» ins Haus geholt hat. Dazu gibt es noch «Mucho», den Pudel, und jede Menge Schildkröten im Garten. Die 46-Jährige hat sich auf die Dermatologie spezialisiert. Sie behandelt Tiere, die mit Allergien zu ihr kommen – nicht selten gepaart mit fürchterlichem Juckreiz. Was heisst, dass sich die Tiere selber wund kratzen oder auch beissen. Sekundärinfektionen folgen. Hilfe muss her.
Nach dem Studium in Bern machte Claudia Nett ihre Dissertation auf der Radiologie in Zürich. Anschliessend begann sie eine Weiterbildung in der Inneren Medizin. Die Dermatologie – damals noch keine eigene Disziplin – gehörte dazu. Und so rutschte sie dort rein. «Auch, weil ich keine aussichtslosen Fälle wollte. Keine Patienten, bei denen man nichts mehr machen kann. Meine Patienten kommen vielleicht immer wieder. Aber mindestens sterben sie nicht an ihrer Allergie», führt die Zollikerin aus. Es folgten Weiterbildungsaufenthalte in Wien und dann in den USA. Anlass zu Letzterem war eigentlich ihr Mann, der Humanmediziner ist und aus Forschungszwecken nach Wisconsin ging. Dorthin wollte sie eigentlich auch und landete schliesslich in Louisiana. «Immerhin war das noch dieselbe Zeitzone», lacht sie im Rückblick. Doch mindestens sieben Stunden Autofahrt lagen zwischen dem Ehepaar. Nur jedes zweite Wochenende sahen sie sich. «Wir haben damals viel über das gute alte Festnetz telefoniert.» Skype war schliesslich noch nicht erfunden und im Bereich Handy hinkten die USA im Jahr 2000 noch ziemlich hinterher. Nach zwei Jahren legte Claudia Nett erfolgreich eine umfassende Prüfung ab. Die Struktur und Funktion der Haut, Immunologie, Dermatologie, Innere Medizin und vieles mehr galt es zu wissen. Gearbeitet wurde an den unterschiedlichsten Tieren: an Hunden, Katzen, Pferden, Vögeln, Nagern, Alligatoren. «Und für die Dermatologie war Louisiana das Paradies», führt die Medizinerin weiter aus. Das Klima ist feucht und warm, da würden Ekzeme nur so spriessen. «Danach schockierte mich nichts mehr», erklärt sie. Erkrankungen, die hier direkt zum Tierarzt führten, würden dort vom Tierbesitzer gar nicht registriert. Ein halbes Jahr arbeitete sie als Oberärztin, dann ging es wieder in die Schweiz. Sie war wieder hier, wollte aber nicht wieder in die Forschung. Sie stieg in eine Privatpraxis ein und kümmert sich seither um die Tiere, die mit Allergien oder anderen Haut- und Ohrenerkrankungen zu ihr gebracht wurden. Manchmal würden Kollegen diese Fälle direkt an sie überweisen, manchmal sich aber auch erst selber versuchen, ehe die Patienten dann doch bei ihr landeten. Die Grundtaxe eines Spezialisten sei teurer, gibt Claudia Nett unumwunden zu. Dafür werde vielleicht die Diagnose schneller gestellt und dadurch der Heilungsprozess früher eingeleitet. Und immer noch hätten viel zu wenige Tierhalter eine Krankenversicherung für Hund oder Katze. «Wir machen enorme Fortschritte in der Entwicklung von Medikamenten. Doch die sind auch teuer», mahnt die Tierärztin. Wie auch bei Menschen ist eine Allergie nicht schnell diagnostiziert. Das Tier muss genau beobachtet werden. Wann hat es den Juckreiz, den Fellverlust?
«So ein krankes Tier, das sich die ganze Nacht wie wild kratzt, kann Familien schon extrem belasten», weiss sie. Es gibt auch Futtermittel-Unverträglichkeiten. Um die auszuschliessen, muss eine strenge Diät eingehalten werden. Dem Herrchen oder Frauchen sei oft nicht direkt klar, was das heisse: Kein Stückchen Schinken am Morgen, kein Leckerli auf dem Hundeplatz, keine Brotkrumen unterm Tisch aufschlecken. «Da ist ganz viel Kommunikation gefordert», unterstreicht die Zollikerin. Sie weiss, wie frustriert manche Tierbesitzer sind, weil schon so viel unternommen wurde und nichts half. Eine chronische Erkrankung ist eben kein gebrochener Knochen, der wieder geflickt werden könne. Ist die konkrete Diagnose gestellt, kann die massgeschneiderte Therapie beginnen. «Wir haben jetzt Medikamente, die spezifische Rezeptoren blockieren. Demnächst wird es Stoffe geben, die nur noch den Zellbotenstoff hemmen. Damit werden ganz viele unerwünschte Nebenwirkungen vermieden», schwärmt Claudia Nett. Da schlägt dann doch noch das Forscherherz. Es wundert nicht, dass Biologie und Chemie in der Schulzeit zu ihren Lieblingsfächern gehörten. Warum sie dann bei den Tieren gelandet sei, weiss sie nicht genau. Vielleicht stecke ein bisschen der Grossvater dahinter, der seine Liebe zu Südafrika an die Enkelin weitergab. Mehrfach hat sie das Land besucht und war immer wieder begeistert von der überwältigenden Tierwelt. Die Tierärztin möchte auch in ihrer Sparte etwas verändern und so ist sie seit vier Jahren Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Kleintiermedizin (SVK), wird demnächst Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für Veterinärdermatologie (ESVD) und engagiert sich im Vorstand der Schweizerischen Interessengemeinschaft für Schildkröten (SIGS). Und da es gibt durchaus Fälle, die sie wütend machen. Wenn Leute unbedacht aus den Ferien eine Schildkröte mitnehmen und von deren Haltung keine Ahnung haben. Wenn sie denen dann erkläre, was dieses Tier wirklich braucht, damit es artgerecht gehalten wird, werde oftmals gesagt: «Dann will ich es nicht mehr. »Diese Art von Wegwerfgesellschaft findet sie fürchterlich. Ähnlich wie Ferienreisende, die in Italien oder Spanien einen Hund auflesen. «Wahrer Tierschutz heisst, dass wir vor Ort aufklären, ausbilden und helfen, die Strassenhunde und -katzen zu kastrieren, um deren ungehemmte Vermehrung zu unterbinden.» Sie appelliert an alle zukünftigen Tierbesitzer, sich eingehend über Art, Rasse und Haltungsanforderungen zu informieren. Wieviel Bewegung braucht der Hund? Was mache ich mit ihm, wenn ich in die Ferien will? «Und der Hund will auch bei übelstem Wetter raus, um sein Geschäft zu erledigen.» Und genau das dem neuen Familienmitglied namens «Hope» beizubringen, ist jetzt die Aufgabe von Claudia Nett. (bms)
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