Von adminZoZuBo ‒ 16. November 2017
In die Zukunft schauen kann niemand. Doch den Beruf, mit dem man zukünftig Geld verdienen will oder soll, den kann man selber bestimmen. Und so wagten vergangene Woche am Nationalen Zukunftstag viele Mädchen und Buben einen Blick in eben diese, in die Zukunft.
Unter dem Motto «Seitenwechsel» waren die Schülerinnen und Schüler am Nationalen Zukunftstag sogar aufgerufen, mal in geschlechtsuntypischen Bereichen zu wildern. Die Buben sollten nicht alle in die Autowerkstatt oder zum IT-Berater gehen, die Mädchen nicht ins Spital oder in den Detailhandel. Und so fanden sich Gabriel König und Luca Priore bei der Zumiker Ergotherapeutin Nicoletta Hössli ein. Dazu kam noch die 12-jährige Hanna Wirth, die fast nebenan wohnt und den grossen Spielraum in der Praxis einfach liebt. «Besonders wenn es regnet, kommen die Kinder aus der Umgebung, um hier zu klettern, zu schaukeln und zu spielen», erzählt die Therapeutin. Die Ergotherapie ist die Lehre vom Machen, vom Handeln. Das ist ein weites Feld, doch Nicoletta Hössli relativiert lachend: «Es geht um die Befähigung, den Patienten selber machen zu lassen, auch wenn er Einschränkungen mitbringt.» Sie behandelt Kinder mit ADS, Autismus, Entwicklungsverzögerungen. Staunend durfte das Trio am Morgen beobachten, wie ein Kind mit Hilfe von Neurofeedback behandelt wurde. Durch diese Methode wird die Selbstregulierung gesteigert, besonders aufgedrehte oder «gischplige» Kinder können damit ruhiger werden. Doch Gabriel, Luca und Hannah durften weit mehr, als nur der Expertin über die Schulter schauen. Eigentlich ging es für sie dann nämlich erst richtig los: mit einem Stern, der auf einem Blatt nachgezeichnet werden sollte. Eine kleine Hürde war allerdings eingebaut: Sie sahen das Blatt Papier nur im Spiegel. Und plötzlich war rechts links, oben unten und das Gehirn war verwirrt. Doch erstaunlich geduldig führten sie den Stift und schafften es schliesslich. Anschliessend durften sie sich im Parcours austoben. Wie ein kleiner Kletterpark erstreckt er sich quer durch den Raum. Da wird geschaukelt, balanciert, gewippt, geklettert. Was nach Spiel aussieht, ist auch Training. «Die Kinder lernen viel über Körperwahrnehmung. Sie sollen sich selber spüren», erläutert Nicoletta Hössli. Gabriel sitzt derweil auf einer Schaukel und jongliert mit zwei Bällen, Luca chillt in einer Hängematte, Hanna badet im Bällebad. Alle drei merken wahrscheinlich gar nicht bewusst, welche Sinne gerade angesprochen werden. Wie der Sinn des Gleichgewichts. Stimmt dieser nicht, macht sich Angst breit. «Ich hatte schon Kinder, die sich am Anfang gar nicht in den Parcours trauten», erinnert sich die Therapeutin.
Bei der Frage, warum sie ausgerechnet in einer Ergotherapie-Praxis schnuppern, antwortet der 13-jährige Gabriel sofort: «Ich helfe gerne anderen Menschen, vor allem Menschen mit Schwierigkeiten.» Bei Luca war es die Mama, die den Vorschlag machte. «Und das war wirklich eine gute Idee», so der 12-Jährige. Es ist kurz nach elf Uhr. So ganz langsam macht sich Hunger breit. Aber für den Zmittag hielt Nicoletta Hössli eine besondere Herausforderung bereit: Alle drei sollten zusammen eine Pizza herstellen, dabei gab es allerdings drei kleine Hürden. Ein Kind durfte nur mit einer Hand arbeiten, das zweite Kind bekam eine dunkle Brille mit nur zwei kleinen Gucklöchern aufgesetzt, das dritte Kind musste mit Gummihandschuhen werkeln. Und so merkten Gabriel, Hanna und Luca schnell, wie kleine Einschränkungen grosse Auswirkungen haben können. Doch nach und nach lernten sie, mit den Handicaps den Teig zu rollen, den Schinken zu schneiden und den Salat zu waschen. Wenn jemand eine Behinderung hat, kann ihm ein Nichtbehinderter auf die Schnelle helfen. So wie Eltern ihrem Kind immer schnell, schnell noch die Schuhe binden. Das Ziel ist aber, es selber zu schaffen. Das zu üben, das dauert, das braucht Zeit. Doch am Ende zahlt sich die Investition aus. Da kann schon ein ausgerollter Pizzateig zum Erfolgserlebnis werden. Klar übrigens, dass dieser Zmittag besonders geschmeckt hat.
Einen Seitenwechsel vollzog vergangene Woche auch Sereina Cadalbert – Die Schülerin absolvierte ihren Zukunftstag in einer Schreinerei, und zwar in der ihres Vaters. Viele ihrer Kolleginnen seien zum Schnuppern ins Spital gegangen. Aber das sei nicht so ihre Welt. Mit den dicken Kopfhörern auf den kleinen Ohren guckte sie lieber dem Papa über die Schulter und fuhr mit ihm auch auf die Baustelle, wo Andi Cadalbert als Bauschreiner agiert. «Wir mussten auch schon zu einem Wasserschaden ausrücken», erzählt die 11-Jährige. So ganz neu war es in der Werkstatt nicht für sie. «Wenn ich für Mama ein Geschenk basteln will, darf ich hier werkeln», berichtet sie. Sie guckt sich um. «Eigentlich kann ich mir sogar vorstellen, hier später auch zu arbeiten.» Und so herrlich wie es gerade nach frischem Holz riecht, ist das absolut verständlich. (bms)
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