Von adminZoZuBo ‒ 17. November 2017
Adrian Michael sorgt dafür, dass Zollikons Sagen nicht in Vergessenheit geraten und zu neuem Leben erweckt werden. Sein Buch «Sagenhaftes Zollikon» wurde am Dienstagabend mit einer Vernissage gefeiert.
Er war nicht nur ein beliebter Lehrer, er ist auch jetzt ein gefragter Mann. Wenige Wochen nach seiner Frühpensionierung kehrt Adrian Michael ins Schulhaus Oescher zurück. Die Aula ist bis auf den letzten Platz gefüllt, Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz schmunzelt: «Wenn du da bist, kommt Zollikon.» Davon könne die Gemeinde bei anderen Anlässen nur träumen. Sie meinte damit wohl vor allem politische.Gekommen sind die zahlreichen Zollikerinnen und Zolliker, um «Mitschings», wie Adrian Michael oft liebevoll genannt wird, erstes Werk nach seiner Frühpensionierung zu feiern: «Sagenhaftes Zollikon» – ein Buch über Zollikons Sagen. Gekommen sind aber auch ehemalige Sechstklässer, die nun als Oberstufenschüler zurückkehrten, um unter Anleitung ihres einstigen Lehrers das Lied «Abiglüte am Zürisee» des Zolliker Lehrers und Komponisten Jakob Spörri vorzutragen. Zuvor hatte auch der bekannteste Zolliker Komponist einen Auftritt: Vier Mädchen aus der Querflötenklasse von Betti Hildebrandt spielten von ihr am Klavier begleitet drei Lieder von Artur Beul. Die musikalischen Darbietungen der Schüler waren der perfekte Rahmen für einen Anlass mit Adrian Michael im Zentrum. Er, der schon verschiedenste öffentliche Schulchorauftritte organisiert und dirigiert hat, hat genauso zahlreiche Werke geschrieben, darunter drei Kinderbücher sowie zahlreiche Artikel für Wikipedia. Seit ein paar Jahren wirkt er auch beim Zolliker ahrheft mit, dessen Leitung er dieses Jahr übernommen hat. «Adrians Wissen über das heutige Zollikon und seine Vergangenheit ist riesig», sagte Katharina Kull-Benz und freute sich auf die Sagen, die lange in Vergessenheit geraten waren und die Adrian Michael nun sorgfältig recherchiert, nachgeforscht, zusammengetragen und schliesslich interpretiert hat. Der Autor selber erinnerte sich noch ganz genau, wie er zu den Sagen gekommen war. Auf den Tag genau lässt es sich bestimmen: Weihnachten 1966. Damals erhielt er das Buch „Schweizer Sagen und Heldengeschichten“ geschenkt: Geschichten von einsamen abgelegenen Alpen, mutigen Sennen, bösen Rittern, gfürchigen Ungeheuern und unheimlichen fahrenden Schülern mit Zauberkräften und uralten archaischen Themen und Motiven, die zum Teil noch aus dem alemannischen Götterglauben stammen. Es sollten bald weitere Sagen folgen, darunter die Nibelungensage, später auch die englischen Sagen um König Artus. «Alles Geschichten, die mich tief beeindruckten», erzählte Adrian Michael und erinnerte sich, wie er sich freute, als er in Zollikon zu unterrichten begann und feststellte, dass es auch hier mehrere Sagen gab. Obwohl es diese nicht ganz mit den Nibelungen und König Artus aufnehmen könnten, würden sie einen guten Bezug zu den Örtlichkeiten des Dorfes bieten.
«Sii, isch diä Gschicht wahr?», sei er oft von seinen Schülern gefragt worden, wenn er ihnen die Sage erzählte, deren Motive auch heute immer wieder auftauchen. Die Rede ist von der Sage des Dietrich von Zollikon, die erzählt, wie Zollikon zu seinem Wappen kam. «Ein schönes Beispiel dafür, wie sich fantastische und historische Motive vermischen», meinte Adrian Michael zur Sage, die ihm ganz besonders gefallen hat. Auch in historischer Hinsicht sei sie eine sehr interessante Geschichte, die in mehr als einer Hinsicht auf historischen Tatsachen beruhe. Durch Recherchen im Staatsarchiv auf Originaldokumenten aus dem 12. Jahrhundert konnte er aber aufzeigen, dass es den berühmten «Dietrich von Zollikon», der in mehreren Zolliker Geschichtsbüchern erwähnt wird, als historisch fassbare Person nicht gegeben hat. Ihren Ursprung in einer Zolliker Sage haben auch der Name des Zolliker Hausweines Lunggesüüder, der an offiziellen Anlässen der Gemeinde ausgeschenkt wird, und die «Chluppi», die Hütte der Meitlipfadi.
Sagen spielen sich oft an unheimlichen Orten wie Burgruinen, Schluchten, Höhlen, Hinrichtungsstätten oder Gräbern ab. So sind es auch in Zollikon spezielle Plätze, die zur Entstehung seiner Sagen geführt haben: Bei den Keltengräbern gräbt Wachtmeister Kienast nach Schätzen, beim Galgenbüel begegnet ein Mann unheimlichen Gestalten und beim sumpfigen Riet erlebt ein Spätheimkehrer den Schreck seines Lebens. «In Zollikon faszinierte mich der Gedanke, dass man die Schauplätze sämtlicher Sagen besuchen konnte», erklärte Adrian Michael. Und weil in Sagen ja immer ein wahrer Kern stecke, begann sich der ehemalige Lehrer zu fragen, wo dieser denn in den Zolliker Geschichten liege. Er begann nachzuforschen und stiess auf erstaunliche Tatsachen wie einer spätalemannischen Gerichtsstätte im Zollikerberg, dem Namen des Galgenbüelwegs. Als er jeweils von seinen Nachforschungen erzählte, wurde er immer wieder gefragt, wo denn diese Sagen zu finden seien. Damals nirgends, musste er dann jeweils sagen. Heute sind sie es: In seinem Buch, das er im Auftrag der Gemeinde verfasst hat. Entstanden sind neun Sagen, die, wie der Autor sagt, keinen Anspruch auf absolute historische Genauigkeit haben, die geschichtlichen Hintergründe aber so korrekt wie möglich wiedergeben. Geschichten, die auf Tatsachen hinweisen, Möglichkeiten andeuten, aber auch Raum lassen für Vermutungen: Ja, wie könnte es gewesen sein? (mmw)
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