Von adminZoZuBo ‒ 25. Januar 2018
Auch im Kanton Zürich macht sich Widerstand gegen den Lehrplan 21 breit. Befürchtet wird eine Ausrichtung an ökonomischer Verfügbarkeit.
Über vier Jahre lang wurde der neue Lehrplan 21 von der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz erarbeitet. Mit diesem ersten gemeinsamen Lehrplan für die Volksschule setzen die 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone das Ziel der Bundesverfassung um, die Ziele der Schule zu harmonisieren. Im Herbst 2014 wurde die Vorlage des Lehrplans 21 von den Erziehungsdirektoren freigegeben. Nun entscheidet jeder Kanton gemäss den eigenen Rechtsgrundlagen über die Einführung. Das läuft alles andere als rund: Landesweit gibt es Initiativen gegen den Lehrplan, allerdings wurden diese überall vom Volk abgelehnt. Die Kritik: Mit diesem «handstreichartig überstülpten Lehrplan» – so die Initianten auf ihrer Homepage «Nein zum Lehrplan 21» – würden die einzelnen Deutschschweizer Kantone zu einer diskussionslosen Übernahme internationaler Ausbildungsnormen veranlasst. Diese orientierten sich nicht an den christlichen und humanistischen Werten.
Der ZoZuBo sprach mit den Schulpflegepräsidenten aus Zollikon und Zumikon über die Abstimmung am 4. März.
Andreas Hugi, Schulpflege-Präsident aus Zumikon, sieht im Lehrplan keinen Reformpädagogen-Zauber, sondern eine zeitgemässe Ausbildung.
Der Lehrplan 21 ersetzt den bisherigen Lehrplan aus dem Jahr 2009 und ja, er umfasst 500 Seiten und ist bisweilen etwas sperrig zu lesen. Aber auch der bisherige Lehrplan hat 337 Seiten und auch er ist nicht einfach zu lesen. Ein Lehrplan ist nun mal keine Nachttischlektüre, sondern legt auf einer sehr generellen Ebene die Ziele für den Unterricht fest und dient den Schulen als Planungsinstrument, auf dessen Basis das Schulprogramm und der Stundenplan geschrieben werden.
Der Lehrplan 21 legt zum Beispiel für alle Deutschschweizer Kantone einheitlich fest, dass die Primarschüler in der Mitte des sogenannten. «2. Zyklus», also ungefähr in der 4. Primarklasse, einen «längeren geübten Text flüssig vorlesen» können oder in der ersten Primarklasse «das ganze Alphabet in einer unverbundenen Schrift sowie die Ziffern mit optimalen Abläufen geläufig schreiben» können. So weit, so unaufgeregt. Der Lehrplan 21 stellt die Schule nämlich nicht auf den Kopf. Die Lernziele werden modernisiert und zwischen den Kantonen harmonisiert, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Haushalt oder Medien und Informatik. Vieles bleibt aber gleich: Auch mit dem Lehrplan 21 lernen Kinder in der Schule lesen, schreiben und rechnen. Die zwei grössten Änderungen betreffen das kompetenzorientierte Lernen und das neue Modul «Medien und Informatik».
Um das kompetenzorientierte Lernen wird von den Lehrplangegnern viel Wind gemacht. Mit der Kompetenzorientierung wird aber lediglich signalisiert, dass der Lehrplan nicht bereits erfüllt ist, wenn der aufgelistete Stoff im Unterricht behandelt wurde, sondern erst dann, wenn die Kinder auch über das nötige Wissen verfügen und dieses auch anwenden können. Und ja, das heisst, dass es natürlich auch in Zukunft in der Schule zuallererst mal um Wissen gehen wird, denn Kompetenzen umfassen immer Wissen, die Fähigkeit dieses Wissen anzuwenden und die Einstellungen, oder kurz: Ohne Wissen keine Kompetenz. Es braucht aber beides. Wirklich neu ist das aber nicht, denn: Gute Lehrer haben schon immer kompetenzorientiert unterrichtet. Mit dem Lehrplan 21 soll lediglich sichergestellt werden, dass unsere Schüler noch mehr als heute schon lernen, wie sie zu einem Resultat kommen. Oder mit anderen Worten: Die Lehrerin oder der Lehrer gibt eine Aufgabe und die Schüler müssen anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und Techniken Lösungen finden, die dann im Unterricht besprochen werden. Das ist es dann auch schon. Kein linker Reformpädagogen-Zauber, sondern eine zeitgemässe Ausbildung.
Neu werden in der Primarschule die Naturwissenschaften gestärkt, vor allem durch ein neues Informatik-Modul ab Kindergarten und dem neuen Fach «Medien und Informatik» in der 5. und 6. Primarklasse sowie der Oberstufe. So sollen die Schüler zum Beispiel die grundsätzliche Funktionsweise von Suchmaschinen lernen, Datenstrukturen und verschiedene Codes kennenlernen sowie die Risiken von Datenübermittlung und -speicherung abschätzen lernen.
Dieser Informatikunterricht an der Volksschule ist wichtig. Unsere Volksschule war nämlich dabei, die Digitalisierung zu verschlafen. In diesem Sinne geht das Modul «Medien und Informatik» in die richtige Richtung. So sollen die Kinder bereits auf der Mittelstufe die Grundzüge des Programmierens kennenlernen. Das ist heutzutage eine mindestens so wichtige Kompetenz, wie Französisch oder Englisch. Nicht, dass alle Informatiker werden müssen, aber es ist sehr zu unterstützen, dass alle unsere Schüler mindestens einmal in Berührung mit der Logik einer Programmiersprache gekommen sind, denn grundlegende Informatik-Kompetenzen sind heute ein wichtiger Bestandteil der Allgemeinbildung. Aus all diesen Gründen kann ich nur schwer nachvollziehen, was man gegen diesen sinnvollen Lehrplan haben kann und warum die Initianten an einer Volksabstimmung festhalten.
Corinne Hoss, Präsidentin der Schulpflege in Zollikon, kann die Ängste der Initianten nicht verstehen, sondern fürchtet eher die Verunsicherung innerhalb der Schule.
Nein, ich kann die Ängste nicht nachvollziehen. 2006 hat das Volk auf nationaler Ebene den neuen Bildungsartikeln zugestimmt, 2008 dann haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Zürich die Harmonisierung des Lehrplanes gutgeheissen. Sie haben sich also einverstanden erklärt, dass ein neuer Lehrplan ausgearbeitet wird. Auch der letzte Lehrplan wurde vom Bildungsrat verabschiedet. Das Volk hatte also Gelegenheit, demokratisch seine Meinung zu äussern. Wenn nun gegen die Endfassung Stellung bezogen wird und diffuse Ängste verbreitet werden, kann ich das nicht verstehen.
Mit der Einführung des Lehrplans 21 wird die Schule nicht neu erfunden. Der Lehrplan hält fest, was schon länger in der Unterrichtsentwicklung stattfindet. Für die Eltern und die Schülerinnen und Schüler nimmt die Schule ihren gewohnten Gang, für sie werden die Veränderungen kaum spürbar sein. Konkret wird im Bereich Medien und Informatik viel Neues kommen, da auf dieses Thema viel mehr Gewicht gelegt wird. In der Lektionentafel gibt es ein paar Verschiebungen, wie zum Beispiel eine Stunde mehr Deutsch in der zweiten Klasse, damit dann in der dritten Klasse eine Stunde mehr fürs Englisch zur Verfügung steht. Aber diese Änderungen werden weder die Eltern noch die Kinder bemerken, dies merken intern die Stundenplan-Verantwortlichen. Es wird weiterhin Halbklassenunterricht geben. Auch mit der neuen Verteilung der Lektionen bleibt der Unterricht auf der ganzen Primar- und Sekundarstufe in allen Bereichen ausgewogen. Im Kindergarten werden die Unterrichtszeiten minim angepasst, da neu in Lektionen und nicht mehr in Stunden unterrichtet wird. Die Eltern der zukünftigen Kindergartenkinder werden mit einem Schreiben darüber informiert.
Die Gefahr besteht in der Tat. Vor allem wird Bildung zum politischen Spielball und das ist abzulehnen. Ausserdem würde die Annahme der Initiative sehr viel Unsicherheit in die Schule bringen, was diese nicht brauchen kann. Schule braucht Stabilität. Da wegen der Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schulpflicht der Lehrplan auf jeden Fall angepasst werden muss und nicht auf der Fassung von 1991 stehen bleiben kann, sind Unsicherheiten und unklare Lehr- und Lernziele die Folge. Der Lehrplan wurde von professionellen Personen – Lehrerinnen und Lehrer aus der Schulpraxis sowie Fachdidaktikpersonen aus der pädagogischen Hochschule – erarbeitet und war in einer breiten Vernehmlassung, da muss nicht der Kantonsrat mitmischen, dort sitzen keine Profis.
Auf jeden Fall! Und genau das macht der Lehrplan 21. Bereits ab Kindergartenstufe ist vorgegeben, was in der Informatik vermittelt werden muss, ab der 5. Klasse gibt es dann ein eigenes Fach Medien und Informatik. Da der Lehrplan gestaffelt eingeführt wird, wird dieses Fach in der sechsten Klasse erst ab Schuljahr 2019/20 unterrichtet.
Wie ich schon sagte, die Schule wird nicht neu erfunden. Schule entwickelt sich ständig weiter, viele Lehrpersonen unterrichten schon lange kompetenzorientiert und viele Lehrmittel sind kompetenzorientiert aufgebaut. Einfach gesagt bedeutet kompetenzorientiert, dass ein Lehrer den Lehrplan nicht erfüllt, indem er oder sie den aufgelisteten Stoff behandelt, sondern erst dann, wenn die Schülerinnen und Schüler das verlangte Wissen erreicht haben und es umsetzen – also die Kompetenz erlangt haben, das Wissen anzuwenden. Kompetenz ist die Verschmelzung von Wissen und Können. Die Angst, dass mit dem kompetenzorientierten Unterricht kein Wissen mehr vermittelt werde, ist also absolut unbegründet, denn Können setzt das Wissen voraus.
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