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46/2018 Zwingli Roadshow

Von adminZoZuBo ‒ 15. November 2018

In Zollikon wurde der Palmesel versenkt

Vor 500 Jahren war die Region rund um den Zürichsee geprägt von heftigen Wirren. Besonders in Zollikon waren die Gläubigen aktiv und warfen «altgläubigen Plunder» aus der Kirche. Das Theater Kanton Zürich ermöglichte mit «Zwingli Roadshow» einen Einblick in die Zeit der Reformation. Wilde Zeiten, die lebendig gespielt wurden.

Gemeindepräsident Sascha Ullmann strich es bereits in seiner Begrüssung zur Aufführung der «Zwingli Roadshow» im Gemeindesaal heraus: Zollikon sei einst ein religiöser Hotspot gewesen im Ringen um die wahre Auslegung des Evangeliums. Habe doch die hier ansässige Täuferbewegung nachhaltigen Einfluss gehabt, weit über die Grenzen hinaus bis nach Amerika. Auch heute noch kämen immer wieder Anhänger der Täufergemeinschaft aus aller Welt nach Zollikon und suchten an der Gstadstrasse 25 und bei der reformierten Dorfkirche die Gedenktafel auf. Schmunzelnd, aber auch mit sichtlich Stolz sagte der Gemeindepräsident: «So dürfen wir etwas selbstverliebt sagen: Zollikon hat lokale Wirkungskraft und globale Ausstrahlung.»

Der neue Glaube

«Zwingli Roadshow» von Brigitte und Niklaus Helbling – sie hat es verfasst, er führt Regie – erzählt geschichtlich fundiert, aber auch mit viel Humor und Gesang, die Geschichte der Näherin Dorette aus Zürich. Im Traum erschien ihr Herr Jesus, der zu ihr sagte: «Zieh aus und spiel Theater!» Es ist das Jahr 1532 und Huldrych Zwingli ist gerade in der Schlacht zu Kappel gefallen. Dorette gründet daraufhin mit einer Ex-Nonne, einem verstossenen Pfaffen, einem Schildermaler und einem ehemaligen Söldner und seiner Braut ein «Fahrtheater» und zieht mit diesem kleinen Trupp durch die Zürcher Landschaft. Ihr Ziel ist es, den angeschlagenen Ruf Zwinglis zu retten. Wie einst die Apostel wollen sie aus der Zeit berichten. «Wir haben aufgeräumt mit Heiligen, Messgesang, Ablass, Fege­feuer mit Zünselwerk und Höllen­ängsten und mit allem päpstlichen Plunder. Ohne alten Glauben keinen neuen Glauben, ohne Altes ­Testament kein Neues Testament, wir zeigen auf, wie es einst war und nie mehr sein soll, auch da in Zollikon», deklamiert sie in Kämpferpose und Rüstung auf der Bühne im Zolliker Gemeindesaal.

Reformation auf dem Lande

Auf der Reise durch die Dörfer des Geschehens – Zollikon, Meilen, Weiningen und Kaltbrunn – mischen sich skurrile Geschichten und bringen lokalpolitischen Aufruhr in leidenschaftlichen Diskussionen zum Vorschein. Was wohl der neue Glaube den Menschen bringen möge? Mit viel Musik und Gesang – obwohl Zwingli diese aus den Kirchen verbannt hatte – verstand es Dorettes Fahrtheater, mit Wortspiel und Humor die historischen Gegebenheiten der Reformation in Zürich aus Sicht der Landbevölkerung aufzuzeigen. Zwinglis Prädikanten auf den Dörfern gingen in ihren Lehren oft weiter, als es dem Reformator lieb war, und die Bauern stellten Fragen, welche die Politiker in der Stadt zunehmend beunruhigten. Sowohl die Leibeigenschaft als auch die Hühnerfasnacht bis hin zur geplanten Entführung eines Weiniger Pfaffen durch einen Luzernen Vogt wurden thematisiert. Besondere Aufmerksamkeit schenkte die Inszenierung den Zollikern Wiedertäufern. Diese Gläubigen waren äusserst aktiv. Sie warfen «altgläubigen Plunder» aus der Kirche und der heilige Palmesel wurde in Zollikon im See versenkt. Ihre eifrige Religiosität wurde in Zürich nicht nur wohlwollend aufgenommen, und so mussten schlussendlich einige Eiferer um Hab und Gut und auch um ihr Leben fürchten.

Im Dialog mit dem Publikum

Mittendrin – die Mitwirkung des Publikums wurde in einigen Passagen eingefordert, die Roadshow wurde ihrem Namen gerecht. So konnte es sich mehr als nur mental am theatralen Geschehen beteiligenund sich als Publikum aktiv einbringen. Eine Form, die auch die vielen anwesenden Jugendlichen, grösstenteils Konfirmanden von Pfarrer Simon Gebs, anzusprechen schien. So fragte Dorette ins Publikum, wer denn an Gott glaube und welchen Herren es zugehöre, da der Stand der Leibeigenschaft vor 500 Jahren noch gang und gäbe war. Oder wer denn für eine Heirat um Erlaubnis gefragt werden müsse, kam die staunende Frage von der Braut des Reisläufers. Und – aufgrund der erhaltenen Antworten – schliesslich die Frage: «Was, Ihr seid gar nicht aus diesem Jahrhundert?» Allesamt Fragen, die betroffen und um die heutigen Privilegien bewusst machen. (cef)

Die «Zwingli Roadshow» wird am Donnerstag, 28. März 2019, um 20 Uhr auch in der Vogtei Herrliberg aufgeführt.

 

 

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