Von adminZoZuBo ‒ 17. Januar 2019
«Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie ältere Menschen dank der Musik aufleben und Beschwerden vergessen», sagt Elsbeth Schürmann, Kursleiterin für Seniorenrhythmik. (Bild: mpe)
Rund ein Drittel der über 65-Jährigen stürzt jedes Jahr. Die aktuellen Verhältnisse mit Eis und Schnee tragen zusätzlich zur Gangunsicherheit bei. Studien haben jedoch gezeigt: Rhythmik-Training kann das Sturzrisiko bis zu 50 Prozent reduzieren. Wie, erklärt Elsbeth Schürmann, die Rhythmik-Kurse im Freizeitzentrum Zumikon anbietet.
Die Seniorenrhythmik ist ein intensives, neurologisches Training in Form einer Musik- und Bewegungsintervention, welches das Nervensystem stimuliert, Vernetzungen herstellt und Reflexe und Koordination verbessert. Sie beinhaltet körperliche Übungen mit mehreren Bewegungsabläufen, welche die Teilnehmenden zum Rhythmus der Musik ausführen. Werden mehr als zwei Aktivitäten gleichzeitig gefordert, so spricht man von Multitasking-Aufgaben. Bewegungsgrundlage sind natürliche, körpereigene Bewegungen. Diese werden je nach Musik verändert und kombiniert. Die Lehrperson begleitet die meisten Aktivitäten auf dem Klavier oder einem anderen Instrument. Wichtiger Unterschied zum Altersturnen ist die unmittelbare und situative Umsetzung von Musik und Bewegung.
Seine Rhythmik beinhaltet die erwähnten Multitasking-Übungen. Bei uns in der Schweiz entdeckt und analysiert hat dies der Basler Altersmediziner Reto W. Kressig. Aus eigenem musikalischem Interesse beobachtete er im Dalcroze-Institut in Genf eine Unterrichtsstunde. Dabei ist ihm die Multitasking-Fähigkeit sowie die Agilität und Reaktionsfähigkeit älterer Teilnehmenden, die den Kurs regelmässig besuchten, aufgefallen. Einen Kontrast dazu erlebt er oft in seiner Praxis: Wenn er Patienten im Wartezimmer abholt und sie auf dem Weg ins Sprechzimmer in ein Gespräch verwickelt, bleiben viele seiner Patienten beim Reden stehen. Kurz: Multitasking ist nicht mehr möglich. Das ist bei fehlender Übung ein normaler Alterungsprozess. Während bei jungen Menschen das Gehen mit gelegentlichem Blick auf das Handy oder auf den Verkehr eine Selbstverständlichkeit ist, so lässt ein solches Zusammenfunktionieren im Alter nach.
Das einfachste Beispiel: Während die Teilnehmenden mit den Füssen im Puls der Viertelnoten gehen, fordere ich sie auf, mit den Händen die Achtelnotenwerte zu klatschen, also doppelt so schnell wie die Füsse. Es ist eine Unabhängigkeitsübung, die jeder Organist beherrschen muss. Eine andere Aufgabe: Die Teilnehmerinnen bewegen sich frei zu meinen Klavierklängen durch den Raum und müssen bei der nächsten Fermate innehalten. Dabei sind sie auf verschiedenen Ebenen gefordert: Sie müssen auf die Musik hören und darauf achten, dass sie nicht mit anderen Teilnehmenden zusammenstossen (Sehsinn, Orientierung im Raum). Hören sie die Fermate, so ist ihre Reaktionsfähigkeit gefordert.
Musik weckt bei vielen Menschen Gefühle und verbindet sie. Beschwerden gehen so für einen Moment vergessen; gewisse Bewegungen werden wieder möglich. Zentral in der Seniorenrhythmik ist zudem meine Live-Klavierbegleitung. Sie ist auf die jeweilige Aktivität zugeschnitten und lässt sich spontan anpassen.
Zurzeit unterrichte ich acht Teilnehmerinnen und einen Teilnehmer im Alter zwischen 75 und 91. Ihre Motivation ist unterschiedlich: Die einen haben ganz einfach Freude an der Bewegung zu Musik zusammen mit anderen Menschen. Andere kommen zwecks Sturz-
prophylaxe.
Eine Teilnahme pro Woche während mindestens sechs Monaten hat gemäss Studien eine signifikant bessere kognitiv-motorische Multitasking-Fähigkeit zur Folge und bewirkt eine Sturzreduktion von über 50 Prozent. Ich selbst kann beobachten, wie Teilnehmende, die regelmässig meinen Kurs besuchen, immer mehr Multitasking-Aufgaben zu bewältigen vermögen und ihre eigene Balance verbessern. Kürzlich erzählte mir ein älterer Kursteilnehmer, dass er beinahe aus dem Tram stürzte, sich jedoch auffangen konnte. Seine Reaktionsfähigkeit sei seit der regelmässigen Kursteilnahme viel besser geworden. Das Training mit Multitasking-Aufgaben ist übrigens nicht nur für Seniorinnen und Senioren eine Herausforderung. Es gibt einige Übungen, die ich zu Beginn der Ausbildung vor acht Jahren auch nicht auf Anhieb ausführen konnte. Sie sind mir erst nach regelmässigem Training gelungen.
Das regelmässige Training in Rhythmikkursen kann in solchen Situationen etwas mehr Sicherheit geben. Bei Gleichgewichtsübungen beispielsweise fordere ich die Teilnehmenden auf, sich bei der Findung des Gleichgewichtes zu entspannen und unverkrampft zu spüren, wie ihr Körpergewicht über die Fusssohlen an den Boden abgegeben wird. Sie erhalten so eine bessere Bodenhaftung, und der Körper kann im Falle eines Sturzes besser reagieren. Zudem beinhalten Gangartensequenzen meist erschwerende Aufgaben, weshalb Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer wahrscheinlich besser auf die Hindernisse bei Schnee und Eis reagieren.
Dennoch: Winterliche Verhältnisse auf der Strasse sind nicht zu unterschätzen. Ein grosses Sturzrisiko ist nicht zu leugnen. Daher rate ich stets, alternative Gehgelände zu suchen – beispielsweise die Wiese entlang eines Weges – und Handläufe und Spikes zu nutzen.
Weitere Infos zum Kurs:
Die Rhythmik-Kurse nach Emile Jaques-Dalcroze für Erwachsene und Senioreninnen und Senioren finden am Donnerstag von 10.15 bis 11.05 Uhr statt. Vorkenntnisse sind nicht nötig, ein Einstieg ist jederzeit möglich. Interessierte können sich bei der Rhythmiklehrerin Elsbeth Schürmann (043 817 64 00) oder bei Marianne Hostettler, Leiterin Gesellschaft der Gemeinde Zumikon (044 918 78 26), anmelden. Weitere Informationen zu den Kursen und zur Rhythmik nach Dalcroze: www.seniorenrhythmik.ch.
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