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16/2019 Filmkritik «The Third Man»

Von adminZoZuBo ‒ 17. April 2019

In den Kloaken von Wien

Holly Martins (Joseph Cotton) will den guten Ruf seines Freundes Harry Lime retten. (Bild: zvg)

Mit «Der dritte Mann» zeigt das Filmpodium einen der besten englischen Filme aller Zeiten.

Wien 1948. Drei Jahre nach dem Krieg liegt die Stadt immer noch in Trümmern. Amerikaner, Engländer, Franzosen und Russen haben die Stadt in Sektoren aufgeteilt und die Verwaltung übernommen. Die zermürbte Stadtbevölkerung kämpft ums Überleben. Es fehlt an allem. Auch an Moral. «Wenn mein Vater wüsste, was ich hier alles tue. Vor dem Krieg wäre das alles ­unvorstellbar gewesen.» So oder ähnlich gesteht Baron Kurtz dem amerikanischen Besucher Holly Martins ­seinen persönlichen Zerfall. Dem Verfasser von Groschenromanen geht es nicht viel besser, denn er ist pleite. Martins ist auf Einladung seines Jugendfreundes Harry Lime nach Wien gekommen, der ihm dort einen Job in Aussicht gestellt hat. Doch Lime ist zwischenzeitlich unter merkwürdigen, ja geradezu obskuren Umständen ums Leben gekommen. Und als der Verstorbene auch noch beschuldigt wird, in dunkle Schiebergeschäfte verwickelt gewesen zu sein, glaubt Martins, es dem guten Ruf seines langjährigen Freundes schuldig zu sein, alles aufzudecken und dessen Unschuld zu beweisen.

Ein Klassiker

Der Verfasser dieser Zeilen hat den Roman «The Third Man» seinerzeit im Englischunterricht gelesen. Denn bevor Graham Greene das Drehbuch zum Film schrieb, verfasste er eine Art Roman, um seine Geschichte so stimmig und glaubwürdig wie möglich zu gestalten. Einen Eindruck der Lage in Wien nach dem Zweiten Weltkrieg verschaffte er sich vor Ort. Der Aufwand hat sich gelohnt: Entstanden ist ein Werk, das nicht nur die ­Zeitgenossen begeisterte (Goldene Palme, Cannes 1949), sondern auch sieben Jahrzehnte nach seiner Premiere immer noch fesselt und für gute Unterhaltung sorgt. Eine Riege grossartiger Schauspieler aus aller Herren Länder ist mit von der Partie: Joseph Cotten, Orson Welles, Alida Valli, Trevor Howard, Ernst Deutsch und Paul Hörbiger, um nur die wichtigsten zu nennen. Dem Schreibenden gefällt Ernst Deutsch als Baron Kurtz eigentlich fast am besten: Sein verschlagener Blick und seine kalten Augen hinter der freundlichen Fassade lassen einen Mann vermuten, der in der Tat zu allem bereit ist. Hingegen fällt es bei einzelnen Szenen etwas schwer, dem sympathischen Schelmen-, ja Lausbubengesicht von Orson Welles den schwer kriminellen Gangster abzunehmen. Wie auch immer, es tut dem atmosphärisch dichten Film keinerlei Abbruch. Dramatischer Höhepunkt des Thrillers ist bekanntlich die Verfolgungsjagd in den Kloaken von Wien, in denen auch der menschliche Abschaum zu entkommen sucht. Schauspielerische Leistung, Kamera, Musik (mit der weltberühmten auf der Zither gespielten Melodie) und Schnitt ergeben unter der Regie von Carol Reed ein Gesamtkunstwerk, das gerade in einer restaurierten Fassung und auf Grossleinwand jederzeit sehenswert ist.
 

Unser Filmkritiker Daniel Frey meint: 5 von 5 Sternen!

 
«The Third Man», Film noir, Mystery, Thriller, 1 h 45 min, im Filmpodium
an diesen Daten: 22. April, 18.15 Uhr, 24. April, 21 Uhr, 28. April, 15 Uhr.
Trailer zum Film
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