Von adminZoZuBo ‒ 8. August 2019
Sophia Malik ist sich sicher: Sie will in der Langzeitpflege bleiben. (Bild: zvg)
Eben hat Sophia Malik ihre Lehre zur Fachangestellten Gesundheit im Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain in Zollikon erfolgreich abgeschlossen. Sie erzählt, was die Faszination dieses Berufes am Puls des Lebens für sie ausmacht, über die Wichtigkeit von Nähe mit gleichzeitiger Distanz und den Wunsch nach offener Kommunikation.
Mit Sophia Malik sprach Sandra Strickler
Ich bin dabei, mich auf verschiedene Stellen zu bewerben. Ich möchte in der Langzeitpflege bleiben.
Ja, auch in einer Rehaklinik oder bei der Spitex. In unserer Ausbildung absolvieren alle Lehrlinge Module, die auf alle verschiedenen Fachrichtungen ausgerichtet sind. Bei uns im Blumenrain wechseln wir zudem jedes Jahr die Abteilung und werden so mit verschiedenen Aspekten und den Stufen der Langzeitpflege vertraut gemacht.
In der ersten Klasse wollte ich Ärztin werden. Später interessierte mich dann die Betreuung von Kindern. Nach einem Sozialjahr als Betreuerin und Lehrerassistentin in einer Schule trat ich deshalb eine Lehre in einer Kinderkrippe an. Mir wurde aber rasch bewusst, dass es mich doch stärker in die Gesundheitsbranche zieht. Deshalb habe ich mich am damaligen Pflegeheim am See um einen Ausbildungsplatz beworben. Für mich war es wichtig, eine Beziehung zu den Bewohnenden aufbauen zu können. Im Akutbereich, also im Spital oder in der Rehabilitation, wechseln die Patientinnen und Patienten in hoher Kadenz. Die persönlichen Beziehungen und die grosse Selbstständigkeit, die ich in meinem Berufsalltag erlebe, waren für mich der ausschlaggebende Grund, die Langzeitpflege zu wählen.
Ich war zwar schon etwas älter, habe die Lehre erst mit 20 angefangen, aber ich musste mir anfangs doch noch einmal bewusst werden, ob dieser Beruf auch wirklich der richtige für mich ist. Gerade in der Langzeitpflege ist der Tod allgegenwärtig. Er ist der letzte Schritt jeder Betreuung. Damit muss man lernen umzugehen.
Vor einigen Jahren gab es einen richtiggehenden Hype um die Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit. Auch der Bund versucht, den Beruf attraktiver zu machen, und hält Betriebe an, mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Der Fachkräftemangel ist eine grosse Herausforderung. Mit der Überalterung der Gesellschaft wird sich dies künftig gerade in der Langzeitpflege auch noch verschärfen. Und trotzdem, fast 50 Prozent der Lernenden wechseln nach dem Abschluss den Beruf.
Der Beruf hat auch seine Schattenseiten, die oft unterschätzt werden. Er ist psychisch und physisch sehr belastend, man arbeitet im Schichtdienst und es ist sicher nicht immer einfach, Nachtschichten mit einem aktiven Sozialleben zu verbinden. Ich denke, gerade der psychische Belastung wird man sich erst mit der Zeit bewusst. Viele merken deshalb nach der Ausbildung, dass sie sich in eine etwas andere Richtung weiterentwickeln möchten.
Ganz viele! Das ist einer der grossen Vorteile unserer Ausbildung. Man kann die Höhere Fachschule besuchen, im Rettungsdienst arbeiten, sich zum Medizinischen Assistenten, der Logopädin oder zum Physiotherapeuten weiterbilden.
Trotz aller Professionalität ist es unausweichlich, dass es einem wehtut, einen Menschen leiden oder sterben zu sehen, mit dem man manchmal Monate, ja Jahre verbracht hat.
Das klingt vielleicht etwas paradox, aber auch diese haben gewissermassen mit dem Tod zu tun. Wenn ich einen Menschen in seinen letzten Tagen und Stunden begleiten kann und ihm das Gefühl geben darf, dass er nicht allein ist, erfüllt mich das sehr. Durch die intensive Konfrontation mit dem Tod gehe ich bewusster mit dem Leben um als Gleichaltrige. Zudem finde ich es wahnsinnig spannend, Geschichten aus dem Leben der Bewohnerinnen und Bewohner zu hören. Ich bin dankbar, so viel über das Leben erfahren zu dürfen.
Es ist mir wichtig, dass wir ein Vertrauensverhältnis zu den Angehörigen aufbauen. Wir pflegen die Bewohnerinnen und Bewohner und haben Einblicke in die tiefste Intimsphäre dieser Menschen. Das kann für die Angehörigen schwierig oder ungewohnt sein. Umso wichtiger ist es, einen offenen Dialog zu pflegen. Gerade bei Demenzbetroffenen ist es uns wichtig, mithilfe der Angehörigen mehr über das Leben der Menschen vor ihrer Krankheit zu erfahren. Manchmal sind es Details, die uns helfen, besser auf die Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen, sie in einem schwierigen Moment vielleicht mit einem Thema abzuholen, das ihnen immer wichtig war. Mit unseren Aktivierungen können wir sie so auch dabei fördern, Dinge zu tun, die sie auch früher gerne gemacht haben. Malen etwa. Oder wir wissen, dass sie früher Langschläfer waren und lassen ihnen diese Freiheit auch hier im Blumenrain.
Ja, und das ist uns auch wichtig. Wir sind uns bewusst, wie schwierig es ist, den eigenen Vater oder die Mutter mit Schmerzen oder immer grösseren Defiziten zu sehen. Wir geben gerne Tipps, wie beispielsweise mit einer dementen Person eine Verbindung aufgebaut oder die Kommunikation erhalten werden kann.
Schlussendlich sind wir Dienstleister. Unsere Aufgabe ist es, im Sinne des Patienten die bestmögliche Betreuung zu gewährleisten. Natürlich darf man auch einmal einen schlechten Tag haben oder in einem traurigen Moment Gefühle zulassen. Aber schon in der Ausbildung wird uns eingeschärft, wie wichtig es ist, Nähe aufzubauen, aber Distanz zu halten. Ähnlich verhält es sich auch mit moralischen oder ethischen Ansichten. Themen wie Sterbehilfe polarisieren, natürlich auch bei uns im Team. Aber die Wünsche und Bedürfnisse des Bewohners stehen immer im Zentrum.
Dass die Angehörigen intensiver und offener mit uns kommunizieren und kooperieren würden, sei es in der Pflege, in der Rehabilitation oder in der Spitex. Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir merken, dass uns wenig Wertschätzung und Vertrauen entgegengebracht wird. Das ist schade. Denn diesen Beruf kann man nur dann ausüben, wenn man mit vollem Herzen dahintersteht. Für unsere Bewohnenden sind wir tagtäglich Pfleger, Psychologinnen, Coiffeur, beste Freundinnen, Schwestern, Enkel, Familienersatz. Ich wünschte mir, dass dies noch mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Angehörigen rücken könnte.
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