Von adminZoZuBo ‒ 15. August 2019
Annemarie Rüegger mit ihrem Sohn Severin. (Bild: zvg)
Annemarie Rüegger übernahm die Firma ihres Sohnes und ist damit sich und der Nachhaltigkeit treugeblieben.
Man kann sich mit Annemarie Rüegger trefflich über viele Themen unterhalten. Zwei Begriffe, die dabei immer wieder auftauchen, sind Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Und die prägen auch ihr neuestes Projekt: das Unternehmen Solosso, das sich auf massgeschneiderte Herrenhemden spezialisiert hat.
Normalerweise ist es so, dass Eltern ihre Firmen dem Nachwuchs übergeben. In diesem Fall ist es umgekehrt: Annemarie Rüegger übernahm 2016 das Geschäft von ihrem Sohn Severin. Der hatte an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert, an der London School of Economics seinen Master gemacht und während eines Austauschsemesters in Singapur massgeschneiderte Hemden für sich entdeckt. «Er ist gross und schlank, und die Hemden von der Stange passten nie so richtig», erinnert sich die Mutter.
Severin Jan Rüegger führte eine Marktanalyse durch. Das Ergebnis: Der Bedarf war gross. Und so gründete er vor zehn Jahren das Unternehmen Solosso mit Sitz in Singapur, Bangkok und Zürich. Gemeinsam mit Kontakten aus seiner Studienzeit in London besuchte Severin Jan Rüegger in Italien, Hong Kong, Singapur und Bangkok mögliche Geschäftspartner, Schneider und Produzenten. Aufgrund der langen Schneidertradition, der hochstehenden Qualität und der modernen, kosteneffizienten Möglichkeiten entschied sich der Zumiker dann für den Produktionsstandort Bangkok.
«Als ich das Unternehmen vor knapp drei Jahren übernahm, war ich eine Woche vor Ort, unter anderem auch um mir die Arbeitsstätten anzuschauen», erzählt Annemarie Rüegger. «Die Männer und Frauen haben gute Arbeitsbedingungen und werden fair entlöhnt.» Daher seien die Masshemden sicherlich etwas teurer als anderswo. «Aber das sollte es dem Kunden wert sein». Da ist sie wieder: die Gerechtigkeit. Und im selben Atemzug wird auch die Nachhaltigkeit zum Thema: «Wir legen Wert auf sehr gute Stoffe. Das bedeutet, dass die Produkte langlebiger sind.»
Die Nachhaltigkeit spielte schon eine Rolle, als das Ehepaar Rüegger nach Zumikon in die Seldwyla-Siedlung zog. «Mein Mann hat als Architekt unser Haus selber entworfen, und diese Form des verdichteten Bauens hat uns extrem gut gefallen.» Mehr noch: Die Rüeggers bauten ihre eigene Heizung mit Erdwärme ein und waren damit Pioniere auf diesem Gebiet. Ausserdem wurde das Haus, verglichen mit damaligen Standards, extrem gut isoliert, der Kachelofen und das Cheminée arbeiten mit Wärmerückgewinnung und für den Ernstfall gibt es sogar einen Holzkochherd. Ökologisch genutzt wurde bei den Rüeggers lange Jahre auch der Garten: «Im Sommer waren wir Selbstversorger.»
Beruflich startete Annemarie Rüegger nach ihrem Ökonomie-Studium bei der Bank Vontobel, wo sie schon während der Semesterferien gearbeitet hatte. Während fünf Jahren war sie massgeblich beteiligt am Aufbau der Abteilung Wirtschaftsstudien und war Stellvertreterin des Abteilungsleiters Martin Ebner. Eine besondere Herausforderung war für sie zu Beginn, eingefleischte Börsianer vom Nutzen ihrer Analysen und Prognosen der wichtigsten volkswirtschaftlichen Grössen wie Bruttosozialprodukt, Inflationsrate und Zinssätze zu überzeugen. Bei ihrer ersten Begegnung hatte nämlich einer der Händler sie mit der netten Bemerkung «motiviert», dass er nicht viel von «Studierten» halte.
Die folgenden Jahre waren geprägt von der Fokussierung auf ökologische Fragestellungen. Neben ihrer Rolle als Familienfrau engagierte sich Annemarie Rüegger beruflich bei der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie, im Architekturbüro ihres Mannes sowie während sieben Jahren als Verwaltungsrätin in einer Firma für ökologische Bau-, Energie- und Umwelttechnik.
Doch Annemarie Rüegger hatte Lust auf eine neue Herausforderung und wollte zurück zu ihren Wurzeln. Auch sie analysierte zuerst den Markt und identifizierte die Beratung als Wachstumsmarkt. 1995 startete sie eine neue Karriere als Consultant in der Steuerberatung von Deloitte. Berufsbegleitend machte die Powerfrau die Ausbildung zur Steuerexpertin und legte mit 49 Jahren eine gute Prüfung ab. Um dieses Ziel zu erreichen, war sie jeden Morgen um fünf Uhr aufgestanden und hatte gelernt, ehe sie den Kindern das Müsli zubereitete und dann zur Arbeit fuhr. «Es war eine strenge Zeit», erinnert sie sich. Die Kinder hätten von diesem Rollenwechsel sicherlich profitiert, auch wenn es für sie nicht immer einfach war. Nach der Expertenprüfung spezialisierte Annemarie Rüegger sich auf die Beratung von in- und ausländischen Finanzinstituten in allen Aspekten des Schweizer Steuerrechts und leitete ab 2007 als Direktorin Projekt-Teams von bis zu 20 Spezialisten, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Regulierungen betreffend internationaler Steuertransparenz. Ab 2006 wirkte Annemarie Rüegger ausserdem zwölf Jahre lang in der Rechnungsprüfungskommission der Gemeinde Zumikon, die letzten vier Jahre als Vizepräsidentin.
Die Jahre vergingen, und 2015 stand plötzlich die Pensionierung an. Annemarie Rüegger dachte noch keineswegs ans Aufhören, sondern plante, ihre Energie und Expertise auch in Zukunft nutzbringend einzusetzen. In Vorbereitung auf den nächsten Lebensabschnitt absolvierte sie eine weitere Ausbildung, und zwar zur Verwaltungsrätin an der Universität St. Gallen und beim Zentrum für Unternehmensführung. Auf Anfrage der Firma arbeitete Annemarie Rüegger noch ein Jahr über das offizielle Pensionierungsalter hinaus, reduzierte allerdings auf ein 60-Prozent-Pensum, unter anderem deshalb, weil sie sich ihrer neuen Aufgabe als Grossmutter widmen wollte.
Dass man für seine Anliegen selber aktiv werden muss, hatte Annemarie Rüegger schon erfahren, als sie als junge Mutter in Zumikon – zusammen mit Gleichgesinnten – die Blockzeiten und den Mittagstisch für Kindergarten- und Schulkinder einführte. Kurzerhand war sie damals zur Gemeindepräsidentin Elisabeth Kopp gegangen und hatte sich eine Defizitgarantie für das Angebot der Mittagsbetreuung geholt. Parallel zu ihrem Leben hatte sich das Leben ihres Sohnes entwickelt. Zurück aus Asien hatte er als Investor und Verwaltungsrat weitere Firmen gegründet oder finanziert. Wer aber sollte die Führung von Solosso übernehmen? «Von IT hatte ich keine Ahnung, und immerhin ist Solosso ein Online Venture», erklärt sie ihr anfängliches Zögern. «Aber ich wusste auch, dass ich verkaufen kann, und mit Mode kenne ich mich aus.» Ihre Mutter war Couturière gewesen, und als junge Frau hatte sich Annemarie Rüegger alle Kleider selbst geschneidert. Sie griff auf den Grundsatz zurück, der in ihrem Leben schon immer gegolten hatte: Was nicht passt, wird passend gemacht. Sie holte sich externe Hilfe für den Umgang mit IT und ist heute mit Spass bei der Arbeit, organisiert Offline-Aktionen und präsentiert ihre Stoff-Kollektionen und Masshemden bei Firmen wie Credit Suisse oder Raiffeisen. Da sitzen ihre Zielkunden. Männer, die sich Masshemden leisten können und wollen, aber nie Zeit zum Einkaufen finden. (bms)
www.solosso.com
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