Forschen für mehr Lebensqualität

Von ‒ 26. November 2020

Der ETH-Professor Bill Taylor forscht an weltweit vorderster Front der Bewegungsbiomechanik. In seiner Freizeit trainiert der gebürtige Engländer als Teil eines Trainerteams die Da-Junioren des SC Zollikon.

Bill Taylor ist ETH Professor und forscht im Bereich der Bewegungs­biomechanik. (Bild: vk)

Bill Taylor, Sie sind Professor für Bewegungsbiomechanik an der ETH Zürich. Für alle, die davon nur eine vage Vorstellung haben: Was genau machen Sie?

Einfach erklärt versuchen wir, orthopädische und neurologische Degenerationen und Krankheiten zu erkennen, zu messen und zu überwachen. Das alles mit dem Ziel, der Medizin durch unsere Forschung zu helfen, betroffenen Patienten eine bessere Diagnose sowie Therapie gewährleisten zu können. Was im besten Fall dazu führen kann, dass diese mit ihrer Krankheit besser leben können.

Können Sie das etwas genauer erläutern?

Wir messen diverse funktionelle Charakteristika menschlicher Bewegung und modellieren diese, um daraus Defizite erkennen zu können. Somit versuchen wir, das funktionelle Ergebnis von Therapien zu messen und dadurch festzustellen, ob eine Therapie wirkt oder nicht. So können wir auch sehen, ob diese angepasst werden muss oder feinabgestimmt werden könnte, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Haben Sie ein Beispiel?

Parkinson-Patienten beispielsweise haben eine spezielle Art, sich zu bewegen. Sie zittern, machen kurze Schritte, haben ein höheres Risiko zu stürzen. Eine weltweit anerkannte Therapieform für Parkinson-Patienten ist die Tiefe Hirnstimulation – ein neurochirurgischer Eingriff in das Gehirn, welches dann durch elektronische Impulse stimuliert wird. Aufgrund unserer Daten kann die Art und Weise der Stimulation spezifisch angepasst werden, um so auf individueller Basis bessere Resultate zu erzielen.

Hier liegt der Fokus also auf der Analyse der Ganzkörperbewegung.

Genau. Diese wenden wir an, um Krankheiten wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Demenz frühzeitig erkennen zu können und, wie gesagt, um die gängigen Behandlungsmethoden zu verbessern. Als zweiter Zweig unserer Forschung analysieren wir lokale Bewegungsmuster, zum Beispiel die typischen Bewegungen eines Kniegelenks, und gewinnen daraus wertvolle Daten, die der Medizin ebenso hilfreich sein können.

Welche Erkenntnisse ziehen Sie und ihr Forschungsteam daraus?

Letzen Endes können wir anhand der so gewonnenen Daten Modelle nachbauen, die uns wichtige Informationen bezüglich Muskelaktivität, Verschleiss im Gelenk, Kontaktpunkte, Kraftauswirkung etc. geben. Zudem können wir Aussagen zur Stabilität des Gelenks oder zu Überlastungen der Weichteilstrukturen machen. So sind wir auch für ­Chirurgen ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um das Thema Implantate geht.

Wie erheben Sie diese Daten?

Wir arbeiten mit modernsten Geräten, die den Bewegungen des Knies auf den Millimeter genau folgen und zusätzlich Röntgenbilder liefern, die es uns ermöglichen, den Bewegungsablauf des Knies durch volle Zyklen alltäglicher Aktivitäten zu analysieren. Diese Daten können wir wiederum nutzen, um daraus eine sogenannte 3D-Kinematik herzustellen, welche die Bewegungsabläufe detailgetreu darzustellen vermag.

Das klingt sehr fortschrittlich.

Das ist es in der Tat! Nur zwei, drei andere Forschungsgruppen haben weltweit aktuell die Möglichkeit, auf diesem Stand der Technik zu forschen. Unsere Daten sind bereits jetzt sehr präzise, doch mit dem zurzeit modernsten Gerät, das im neuen GLC-Gebäude der ETH zur Anwendung kommt, erreichen wir nie dagewesene Präzision in der 3D-Nachstellung der zuvor gesammelten Daten. Wir bewegen uns hier wirklich an der Spitze der internationalen Forschung.

Sie haben es beruflich weit gebracht. Gehen wir etwas zurück in Ihrer persönlichen Geschichte. Wie sieht der Weg des Prof. Dr. Bill ­Taylor bis hierhin aus?

Aufgewachsen bin ich im englischen Portsmouth und habe während meiner Kinder- und Jugendjahre so ziemlich überall in England gewohnt, auch in Schottland. Später studierte ich an der University of Bath Maschinenbau und machte dort auch meine Doktorarbeit in Biomechanik. Darauf folgte ein Zwischenjahr in Australien. Später war ich dann etwas über ein Jahrzehnt an der Charité-Universitätsmedizin in Berlin tätig, ehe es mich an die ETH nach Zürich zog.

Wie sind Sie schlussendlich in Zollikon gelandet?

Durch meine Stelle an der ETH, aber auch durch den Beruf meiner Frau, die ebenfalls in der Forschung tätig ist, allerdings auf der industriellen Seite. Inzwischen sind wir seit etwas über vier Jahren hier und fühlen uns absolut wohl. Ideal für mich ist auch die Distanz zwischen unserem Wohnort und meinem Arbeitsplatz. Ich liebe es, mit dem Fahrrad zur Arbeit auf den Hönggerberg zu fahren und bleibe so auch noch ein bisschen fit. Wunderbar, nicht?

Und die Kinder, sind sie gern hier?

Absolut. Finnley und Sophia haben keine hundert Meter zur Schule, in unserem Garten tummeln sich teils Dutzende Kinder aus der Nachbarschaft, die alle grosse Freude an unserem Trampolin haben (lacht). Finnley spielt Fussball bei den Da-Junioren des SC Zollikon, Sophia ist eine leidenschaftliche Balletttänzerin. Sie machen mich beide unglaublich stolz.

Sie sind selber Trainer bei den Da-Junioren des SC Zollikon.

Ja, was mir ebenfalls grossen Spass macht. Die Jungs sind für ihr Alter echt gut. Da wird von allen ein beeindruckendes Passspiel an den Tag gelegt, viele sind zudem beidfüssig, dribbelstark und schnell. Ich weiss noch, wie das damals bei uns Kindern war. Wir sind mit dem Ball einfach losgerannt, bis es nicht mehr weiterging (lacht). Im Ernst, ich bin wirklich stolz auf unsere Truppe.

Früher spielten Sie selber Fussball?

Unter anderem, ich habe viele Sportarten ausprobiert. Vor allem habe ich während zehn Jahren leidenschaftlich getanzt – Standard und Latein. Wir wurden sogar einmal englische Studenten-Meister. Dafür haben wir öfter über 40 Stunden die Woche trainiert, teils bis spät in die Nacht. Fürs Tanzen habe ich gefühlt mehr Zeit aufgewendet als für meine Doktorarbeit. Ha!

Und dennoch hat es für den Titel offensichtlich gut gereicht. Halten Sie neben ihrer Forschungstätigkeit auch Vorlesungen?

Ja. Beispielsweise führe ich durch das Seminar «Scientific Writing, ­Reporting and Communication» auf Masterlevel. Wir erarbeiten, wie man über Neuigkeiten aus der Welt der Forschung berichtet und der Öffentlichkeit verständlich präsentiert. Mir liegt daran, dass die Forschung die Kommunikation nach Aussen verbessern kann, um so allen Interessierten auf eine verständliche Art und Weise von unserer Arbeit erzählen zu können.

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