Getarntes Mehrfamilienhaus

Von Antje Brechlin ‒ 9. April 2021

Ein ganz besonderes Haus an der Zolliker Wybüelstrasse hat in den vergangenen Wochen für Aufsehen gesorgt. Mehrere Zeitungen berichteten über das Mehrfamilienhaus, das wie ein Einfamilienhaus aussieht. Der Eigentümer wollte genau das.

Der Eigner Robert Ammann ist auf eben diesem Grundstück aufgewachsen. Dort stand bis vor zwei Jahren das Einfamilienhaus seiner Eltern. Er erbte dieses, und für ihn war klar, dass hier ein Mehrfamilienhaus entstehen soll. Ein Umbau des alten Hauses hätte viel Geld gekostet und die daraus resultierende Miete hätten sich nur sehr gut Verdienende leisten können. Robert Ammann war es jedoch ein Anliegen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, zum Beispiel für Gesundheitsfachpersonal. Er dachte dabei auch an das entstehende Kinderspital an der Grenze zu Zollikon und an kurze Arbeitswege für eben dieses Personal. Seiner Meinung nach gibt es in Zollikon viel zu wenig Wohnraum für Normalverdiener.

Die kreative Planung

Robert Ammann plante zusammen mit dem Architekurbüro Karamuk Kuo aus Zürich und beauftragte dieses, möglichst viele Mietwohnungen unterzubringen. Karamuk Kuo ist bekannt dafür, gute Lösungen für schwierige Situationen zu liefern. Die Idee war ein Haus als Ganzes, keine Terrassensiedlung. Eine Schwierigkeit lag unter anderem in der Hanglange des Grundstücks. Mit einem Schrägdach der steilen Topografie folgend holten die Architekten das Maximum aus dem Baurecht heraus. Zu Beginn waren sechs Wohnungen geplant. Doch die Zolliker Bau- und Zonenordnung machte einen Strich durch die Rechnung. Laut den Bestimmungen muss, wer sechs Wohnungen baut, auch einen Besucherparkplatz zusätzlich zu sechs Parkplätzen schaffen. Das wäre bautechnisch nur mit Tiefgarage und Lift möglich gewesen. Ein Kostenfaktor, der extrem auf das Budget geschlagen hätte.

Die Realisierung

Also reduzierten die Planer auf fünf Wohnungen. Sie decken das ganze Spektrum ab: von der Maisonette-Wohnung über eine Zweieinhalb-, Dreieinhalb-, Viereinhalb- und Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung. Jeder Mieter hat einen Balkon, die Maisonette-Wohnung eine vorgelagerte Loggia. Alle haben Sicht auf den See, den Üetliberg oder die Stadt. Eine Wohnung ist barrierefrei. Die Wohn- und Küchenräume sind grosszügig, die Schlafräume knapp dimensioniert. Die beiden grösseren Wohnungen sind an Familien mit Kindern vermietet. Der Mietzins für diese ist reduziert. Für die anderen Wohnungen zahlen die Mieter zwischen 2500 und gut 3500 Franken. Der grosse Garten ist für alle da und wird demnächst mit einem Grillplatz ausgestattet.

Das Projekt des Mehrfamilienhauses mit Eigenheimcharakter zeigt, dass es eben doch geht: Mit durchdachten, klugen Ideen ist es möglich, ein Quartier zu verdichten, ohne dessen Charakter zu brechen, ohne die Nachbarn vor den Kopf zu stossen und ohne die Bauordnung zu ändern. Bei der Ausschreibung des Projektes gab es zwar Widerstand im Quartier, aber keine Einsprachen.

Bauherr Robert Ammann zieht es nicht zurück nach Zollikon. Er lebt in einer Zürcher Genossenschaftswohnung zur Miete und will auch dort bleiben. Sie entspreche seinen Vorstellungen vom Wohnen im Mehrfamilienhaus und sei verkehrsgünstig gelegen, um schnell an seinen Arbeitsplatz in der Nähe von Winterthur zu gelangen.

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