Chicago, Dublin, Zumikon

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 15. Juli 2021

Christian Krahnstöver bringt zusammen mit seiner Gattin Nicole im «Wilden Kaiser» frischen Wind in die kulinarische Szene.

Christian Krahnstöver: vom Management zurück an die Basis. Er ist der «wilde Kaiser». Nur am Sonntag gehört er ganz der Familie. (Bild: bms)

Seit vergangenem Mai können die Zumiker (und Auswärtige natürlich auch) in Zumikon kaiserlich essen. In den Räumen der «Frohen Aussicht» hat eine österreichische Pop-up-Gastronomie eröffnet. Es locken eine Lounge, der Biergarten, neu gestaltete Innen­räume und eine Kinderecke mit Spielplatz. Geführt wird der «Wilde Kaiser» von Christian Krahnstöver.

Sie sind erst vierzig Jahre alt, waren aber schon in grossen Hotels im Management tätig, hatten Verantwortung für zahlreiche Mitarbeiter. Es gab Auszeichnungen wie das «Best Newcomer Restaurant Irlands». Wie früh haben Sie angefangen mit dem Weg?

Ich habe als Jugendlicher am Tag der offenen Tür der Hotelfachschule Oberwart in Österreich gesehen, wie etwas flambiert wurde. Das hat mich so fasziniert, dass ich das unbedingt auch können wollte. Lustigerweise habe ich bei meiner Abschlussprüfung an der Hotelfachschule wirklich etwas flambiert.

Wohin führte der erste Wegabschnitt?

Meine damalige Freundin und ­heutige Frau und ich sassen zwei Wochen später – ich war gerade mal 18 Jahre alt – im Flugzeug nach Chicago. Chicago deswegen, weil ich zuvor leidenschaftlich Basketball gespielt hatte und grosser Fan der Chicago Bulls war. Unser Traum von der Karriere in den USA endete am 11. September 2001. Nach dem Anschlag mussten wir wie viele andere Ausländer wieder nach Hause fliegen.

Danach folgten sehr unterschiedliche Engagements.

Stimmt. Wir waren zunächst drei Wochen an einem Badesee in ­Österreich, das war wirklich lustig und hat uns ein bisschen geerdet. Dann ging es nach Basel, wo ich im Seerestaurant «Grün 80» als Chef de Rang erstmals Verantwortung übernehmen konnte. Mit 21 Jahren wechselte ich ins mittlere Kader des Ramada Plaza, parallel habe ich mich weiterbilden lassen zum Managementfachmann. Dann ging ich zu Renaissance, leitete dort ein grosses Team als Operations Manager und war massgeblich am Rebranding beteiligt. Von dort führte mich der Weg nach Asien und die USA. Nach einigen Jahren Renaissance warb mich Sheraton für Sihlcity ab. In der Position machte ich bewusst einen Schritt zurück und konnte im Anschluss dafür zwei vorwärts machen. Ich war dann als Projektleiter für die Neukonzeptionierung und Neupositionierung verantwortlich, durfte ein Grossprojekt im Sihlcity leiten und erfolgreich umsetzen. Doch merkte ich, dass ich mich mehr und mehr von den Gästen entfernte. Ich sass fast nur noch am Computer. Als ich schliesslich zum «Hirschen» in Meilen kam, bin ich wieder bewusst rumgegangen, habe das Gespräch mit den Gästen gesucht. Als Gastgeber brauche ich das Feedback und möchte den Puls spüren.

Und ganz nebenbei haben Sie Ihr Faible für Wein entdeckt?

Nicht ganz. Schon in der Hotelfachschule habe ich mich intensiv mit den Aromatiken und Facetten des Weins beschäftigt. Daher auch die Idee vor vier Jahren mit dem Weinhandel. Ich bin ausgebildeter Sommelier und habe mittlerweile 500 Winzer im Angebot, darunter 300 junge, wilde. Jeden Montag öffnet meine Frau Nicole eine Flasche Wein, zieht eine schwarze Socke drüber, und die Woche über probiere ich immer wieder. Ich versuche, den Wein zu ergründen, seine Stärken zu erschmecken.

Und karrieretechnisch wurde es noch ein bisschen geerdeter.

Wir hatten immer die Idee eines Heurigen. 2016 mieteten wir nebenbei einen alten Kuhstall in Witikon. Am ersten Samstag verköstigten wir 300 Gäste und waren am Abend nudelfertig, aber glücklich. Im Jahr darauf eröffneten wir wieder zum Dorfmarkt als «Wilder Kaiser» und servierten am ersten Samstag gleich 700 Essen. Dann kam Corona. In meinem Hotel war ich in Kurzarbeit. Ich wollte aber nicht rumsitzen und warten, bis die Pandemie vorbei ist. Wir begannen mit einem kleinen Glacéwagen, kauften dann einen alten Foodtruck, mit dem wir ebenfalls in Witikon stehen durften. Als die Hotels wieder aufgingen, war das für uns eine logistische Herausforderung. Ich merkte, dass ich mich entscheiden muss: für den sicheren Job oder
die neue Herausforderung, die mich erfüllte.

Mit dem «Wilden Kaiser» haben Sie sich für den Reiz des Neuen entschieden.

Viele Freunde haben mir natürlich den Vogel gezeigt. Aber der Kuhstall lief – bis zum nächsten Lockdown. Dann kam die Möglichkeit, die «Frohe Aussicht» für mindestens ein Jahr zu übernehmen. Das Haus war wirklich in einem speziellen Zustand. Aber die Eigen­tümer und wir haben zusammengespannt, und wir konnten ein gutes Konzept entwickeln.

Der Vertrag läuft ja erstmal nur für 13 Monate. Schmerzt es nicht, dann schon gehen zu müssen?

Wir machen das mit ganzem Herzen – auch für nur 13 Monate. Ich teste gerne Ideen. Das ist ein Pilotprojekt. Und viele solche Projekte sind eine Reise zu etwas Grossem.

Sie haben auch Kinder. Sehen die Sie überhaupt noch?

Mehr als damals, als ich noch im Management war. Jeden Montag bin ich da, dienstags meine Frau. Und der Sonntag ist absoluter ­Familientag. Den nutzen wir, um gemeinsam zu kochen und oft auch, um essen zu gehen. Ich lasse mich gerne inspirieren, entdecke neue Szenelokale und schaue mich auf dem Markt nach neuen Entwicklungen um.

Im Service zu arbeiten, ist ein ­Knochenjob – dazu noch abends und am Wochenende. Wie motiviert man seine Mitarbeitenden?

Bei uns geht es sehr familiär zu, es gibt ganz flache Hierarchien. Wir essen am Mittag alle zusammen und sitzen am Abend noch mal kurz beieinander. Ich habe in vielen Häusern gearbeitet und weiss, wie es nicht geht. Wir kochen auch regelmässig gemeinsam, und zwar mit allen, auch den Mitarbeitern aus dem Service.

Und wenn ein Gast mal unwirsch wird?

Es gilt die Devise, der Gast ist König – bei uns sogar Kaiser –, wenn er sich auch so verhält. Das Gegenteil ist nur sehr, sehr selten der Fall. Unser Motto ist: «Zu Gast bei Freunden.» Wir wollen die gewohnte Gastfreundschaft mit einem frechen – nicht forschen – Touch anbieten. Und das leben wir alle zusammen Tag für Tag.

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