Datenklauberei auf der Tartanbahn

Von Franca Siegfried ‒ 28. April 2022

Auf dem Sportplatz Buechholz steht neuerdings eine sogenannte «SportBox» – finanziert von der ZKB-Jubiläumsdividende. Der Kantonsrat hat beschlossen, die Bevölkerung für mehr Sport zu motivieren. Über Mittel und Weg lässt sich streiten.

Ohne Handy kein Training: Auf dem Sportplatz Buechholz ist die neue Box mit Hanteln und Springseilen nur über eine App zu öffnen. (Bild: fs)

Die Digitalisierung ist in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Schon gibt es Hotels ohne Rezeption in der Schweiz. Schluss mit Smalltalk am Tresen. Es gibt auch keinen Portier, der den Koffer ins Zimmer bringt und zeigt, wie die Beleuchtung funktioniert, oder einen Voiturier, der das Auto in der Tiefgarage versorgt. Alles geht jetzt digital über eine App. Beim letzten Sächsilüüte-Umzug war ein Roboter der ETH dabei. Aufrecht stakste er mit einer Art Gesslerhut auf dem «Kopf» zwischen der historisch verkleideten Zürcher Prominenz. Wer denkt, der Roboter sei selbständig unterwegs gewesen, täuscht sich. Ein Co-Pilot hinter ihm musste ihn vor Orientierungslosigkeit bewahren. Er bekam auch keine Rosen aus dem Publikum.

Innovative Sportförderung

Digitalisierung gilt als die grosse Innovation, auch beim Kantonalen Sportamt. «Ganz direkte, unkomplizierte Sportförderung zugunsten der Bevölkerung», schreibt Regierungsrat Mario Fehr in der Medienmitteilung. Ihm schwebt vor, dass in Zukunft im Kanton Zürich auf Outdoor-Sportanlagen Sportboxen stehen. Das Sportamt hat die Sache ausgeschrieben. Von den 162 politischen Gemeinden haben sich 34 angemeldet. Das Los hat zehn bestimmt – darunter ist Zollikon.
Seit dem 23. April steht nun auf der Sportanlage Buechholz am Rande der Tartanbahn ein Kasten, der an einen Elektroverteiler erinnert. Für Interessierte und Neugierige eine Vorwarnung: Die Doppeltüre des Kastens lässt sich nicht öffnen ohne Registration via App. Mit einem QR-Code ist es für Handy-Besitzerinnen und -Besitzer ein Leichtes, die App herunterzuladen, damit die Sportbox nicht zur Blackbox wird. Auf der Homepage der Gemeinde steht, das Herunterladen der App koste 50 Cents. 50 Cents? Ein Indiz, dass die Box eine deutsche Kreation ist. Die zehn Boxen im Kanton Zürich haben Kundinnen und Kunden der Zürcher Kantonalbank von der ZKB-Jubiläumsdividende bezahlt. Beschlossen hat das sportliche Projekt vergangenen November der Kantonsrat. Die geplante ZKB-­Seilbahn über das Seebecken ist an Einsprachen gescheitert, die Bevölkerung soll wenigstens Sport treiben.

Überwachtes Equipment

Die Trainingsmaterialien in der Box sind Medizinbälle, Super-/Minibands und Kettlebells. Letztere sind Kugelhanteln, die mit beiden Händen gehoben werden können bzw. zuerst in die Hocke und erst dann heben. Die Gemeinde Zollikon schreibt auf ihrer Webseite: «Für die Zeit der Buchung ist die registrierte Person jeweils verantwortlich, damit das Material wieder ordentlich und vollständig verstaut wird. Die ‹SportBox› verfügt über ein integriertes Kamerasystem zur Überwachung des Equipments.» In analogen Zeiten war es ein munterer Sporttrainer, der allen gute Laune machte, heute ist es eine Überwachungskamera. Mit App-Registrierung und Kamera startet auch eine bedenkliche Datenklauberei, wer, wann und wie lange trainiert – mit oder ohne Kugelhantel.

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