Von Franca Siegfried ‒ 30. Juni 2022
Ohne eine Partei im Rücken ist Marcus Kohout in die Zolliker Sozialbehörde gewählt worden. Seine Frau und Kinder hatten für ihn ein erfolgreiches Wahlbüro eröffnet. Er berichtet über sein Leben, seinen Sportsgeist und über Dankbarkeit.
«Ich bin kein Revoluzzer», sagt Marcus Kohout. «Eigentlich bin ich bodenständig, weltoffen und habe eine positive Grundhaltung.» Seine Kandidatur für die Gemeindebehörde 2022–2026 war ein sogenannter Bauchentscheid. Der 44-Jährige lebt seit 2016 in Zollikon. Vor zwei Jahren hat sich der gebürtige Deutsche mit seiner Familie einbürgern lassen. Damals fasste er den Vorsatz, dass er sich für die Zolliker Gemeinschaft engagieren wolle. Sechs Personen kandidierten für die Wahl der Sozialbehörde im vergangenen Mai. Die Stimmenbeteiligung mit 39,68 Prozent war nicht rosig. Marcus Kohout machte das Rennen.
Er sitzt im Café am Puls und erzählt, wie er nach dem Bauchentscheid mit seiner Frau Ana über den Vorsatz gesprochen hat. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Zürich, Pianistin und Organistin, spürte die Ernsthaftigkeit ihres Mannes und versprach, ihn zu unterstützen. Die Mitwirkung in einer politischen Partei kommt für beide nicht in Frage. Gemeindeschreiber Markus Gossweiler erklärte Marcus Kohout das Wahlprozedere. Mit diesem Wissen über den basisdemokratischen Prozess mutierte die Familienwohnung in Zollikon in eine Wahlzentrale, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Die Kinder entpuppten sich als ideale Wahlhelfer: Santiago (10) und Xavier (8) als talentierte Plakatkleber hatten riesigen Spass. Seine Frau übernahm die Unterschriftensammlung für die Kandidatur. Valentina (4) verzauberte Zollikerinnen und Zolliker mit ihrem kindlichen Charme. Als Papa gewählt wurde, freute sich die Familie über den politischen Erfolg. «Meine Kinder werden diese Wahl nie vergessen, es war für sie der beste Anschauungsunterricht der direkten Demokratie.»
Sportsgeist scheint der Familie zu liegen. Er berichtet sichtlich stolz vom Sohn Santiago, wie er mit seiner Mannschaft im Grümpi Schüeli letzte Woche gewonnen hat. Dabei schwärmt er vom Teamspirit der 4. Klasse, aber auch davon, wie die Eltern ihre Kinder unterstützt haben. Als Fan hat er am Spielfeld mitgefiebert, als Dank hat ihm die brütende Sonne einen roten Kopf verpasst.
In seinem Beruf bewegt er sich in der wohltemperierten Luft zwischen Büchern und Daten. Seit fast 15 Jahren arbeitet er in verschiedenen Funktionen in der Zentralbibliothek am Predigerplatz in Zürich. Nach seinem Studium der Literatur- und Politischen Wissenschaften sowie Informations- und Datenwissenschaften in Deutschland fand er den Weg zurück in die Schweiz; er war als Austauschstudent an der Universität Neuchâtel. In der Romandie ist er Ana begegnet, der Austauschstudentin mit spanischen Wurzeln. Das junge Paar sprach zusammen Französisch. Der Reichtum der romanischen Sprache birgt eine einzigartige Romantik. Das war vor zwanzig Jahren. Die Kohouts unterhalten sich heute im Familienalltag in Deutsch und Spanisch. Beim Familienmanagement mit den drei Kindern ergänzen sie sich gut. Beide schätzen es, trotz reduziertem Arbeitspensum interessante Jobs neben der Kinderbetreuung zu haben. Seine Frau bringt Musik in die Familie – Bratsche und Geige spielen die Jungs. Valentina klettert auf Mamas Klavierstuhl und freut sich über jeden Ton, den ihre kleinen Finger dem Instrument entlocken.
Marcus Kohout ermöglicht seinen Kindern, verschiedene Sportarten kennen zu lernen, etwa Skifahren, Fussball und Wandern. Er selber spielt gerne einen Match auf dem Tennisplatz der Hochschulanlage ASVZ Fluntern. «Ich trage auch ständig meine Sportschuhe», sagt er lachend und zieht das linke Bein unter dem Tisch hervor: «Die werde ich auch an den Sitzungen der Sozialbehörde tragen.» Er freut er sich darauf, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, sie anzuhören, ihnen zu helfen. Er ist auch ein scharfer Beobachter. Das verrät seine linke Augenbraue, die sich manchmal etwas hochzieht. Es ist ein Zeichen der gesunden Skepsis, die sich bei schwierigen Fällen als nützlich erweisen kann. Seit vielen Jahren kümmert er sich im Personalhilfsfonds der Zentralbibliothek um Kolleginnen und Kollegen, die in finanzielle Notlage geraten sind.
10 Uhr! Die Glocke der reformierten Kirche nah dem Café am Puls schlägt die volle Stunde. «Wir wollen der Glocke nicht dreinreden», meint er – und lauscht den Klängen. Da er mit der Familie neben der katholischen Kirche in Zollikon wohnt, gehört das Geläut in seinen Alltag. Nein, er sei nicht reformiert, sondern katholisch. Er mag jedoch lieber vom Glauben reden und nicht von Konfessionen: «Der Glaube kann dem Menschen in existentiellen Situationen viel Kraft geben.»
Mit 1241 Stimmen erreichte Marcus Kohout bei den Wahlen in Zollikon das absolute Mehr. Mit 19 Stimmen überflügelte er den SVP-Kandidaten. «Ich bedanke mich bei allen, die mir ihre Stimme gegeben und mir ihr Vertrauen geschenkt haben.» Seine Dankbarkeit betont er mehrmals im Gespräch. Der Deutsche Soziologe Georg Simmel hat in seinem Exkurs über Dankbarkeit geschrieben, dass sie die rechtliche Ordnung in der Gesellschaft ergänzt. Dankbarkeit ist ein Band, welches den Tausch von Leistungen und Gegenleistungen zusammenhält, wo keine eigentliche Rechtsform besteht. Dankbarkeit ist gleichsam unser moralisches Gedächtnis.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.