Warum eigentlich nicht?

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 15. September 2022

Die Zolliker Theatergruppe inszeniert einmal mehr voller Liebe und Leichtigkeit. Premiere von «Altweiberfrühling» ist heute Abend.

Kann man seinen Traum leben? Mit keiner geringeren Frage beschäftigt sich die Zolliker Theatergruppe. Wenn heute Abend die Premiere von «Altweiberfrühling» über die Bretter des Gemeindesaals geht, ist die Antwort auch eine Frage: Warum eigentlich nicht?

Die Aufführung gleicht einem prallen Pfirsich. Er ist süss, herrlich, erfrischend – dann kommt der harte Kern. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit im Leben. Unter der Regie von Kamil Krejcí zeigen die Darsteller einmal mehr, dass sie mit Laienschauspielern nichts mehr gemein haben. Mimik und Gestik stimmen bis in den letzten Fingerzeig, in den letzten Augenaufschlag. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Martha (Susanne Gröbli). Depressiv welkt sie dahin, nachdem ihr Mann gestorben ist. Was soll aus dem Gemischtwarenladen werden? Der Pfarrer und der Gemeindepräsident (Christoph Weber und Ralph Flösser) haben da ihre eigenen Vorstellungen. Wenn es nach ihnen ginge, tagte hier entweder der Bibelkreis oder eine Partei. Gut, dass es ­Marthas Freundinnen gibt. Die säen einen Samen. Hat Martha nicht einst Schneiderin gelernt? Hat sie nicht vor ewigen Zeiten Dessous genäht? Die kleine Pflanze wächst. Mit ­«Petit Paris» will die Witwe ihren eigenen Lingerie-­Shop im Dorf gründen. (Am Rande: Lingerie ist Unter­wäsche für gut). Aber ist das Dorf bereit für Büstenhalter mit Spitze? Für Slips, die nur einen Hauch mehr als nichts sind? Brigitt Gebs, Sabine Wyss-Kohl und Karin Benz gehen in den Rollen der Freundinnen auf wie der allerfeinste Hefeteig. Wer im Alter solche Freundinnen hat, muss sich vor nichts fürchten.

Die Keule der Moral

Das Schauspiel ist eine Mischung aus Aufbruch, Bodenständigkeit und Kuhdung, die die Inszenierung wunderbar leicht und kurzweilig macht. So vieles – vielleicht mehr als einem lieb ist – kommt einem vertraut vor. Die Inbrunst des Männergesangsvereins, das Gerede hinter vorgehaltener Hand, der erhobene Zeigefinger, die Keule der Moral. Der «Altweiberfrühling» (basierend auf dem Film «Die Herbstzeitlosen») ist auch der Austausch zwischen Alt und Jung. Wann ist man zu alt für Schmetterlinge im Bauch? Wann ist man alt genug für die Seniorenresidenz? Kurz: Muss ein Po knackig sein, um von Seide umhüllt zu werden? Liebevoll und mit leichtem Witz werden diese Fragen gestellt. Dazu erklingen französische Melodien, die immer ein bisschen melancholisch wirken.

Es gibt noch mehr Schauplätze als das «Petit Paris». Noch manche ­Abgründe und überraschende Entwicklungen. Dass der Gemeindepräsident im wahrsten Sinne seinen Mist abbekommt, sei nur am Rande erwähnt. Wenn es um Lingerie geht, stehen natürlich die Kostüme im Mittelpunkt. Aber nicht nur die ­Dessous glänzen. Alle Darsteller schlüpfen mit ihrer Kleidung auch in ihre Rolle. So kommt Martha blass-braun-beige daher und verkörpert schon optisch eine Seniorin, die eigentlich nicht gesehen werden will. In ihrer Tracht dagegen blüht sie auf und es ist erkennbar, dass sie einen Körper hat. Am Anfang des Stücks steht die Sorge um ­Martha. Das ganze Dorf wünscht sich, dass es ihr wieder besser geht. Aber wie gut darf das sein? Und kommt es zu einem Happy End zwischen Frieda und dem Pfleger aus dem Seniorenheim? Er ist doch Basler. Die Aufführungen liefern die Antworten.


Aufführungen am 16., 17., 21., 22., 23. und 24. September, 20 Uhr, Gemeindesaal, www.theatergruppe-zollikon.ch

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