Von Franca Siegfried ‒ 2. Februar 2023
Die Bundesverfassung garantiert Eigentum, trotzdem gibt es Ausnahmen. Für Strassenprojekte zum Beispiel kann der Kanton Grundstücke enteignen. Von einer Enteignung ist die Rede, wenn die öffentliche Hand Privaten Eigentum wegnimmt und entschädigt.
Die Bushaltestelle Goldhaldenplatz an der Alten Landstrasse in Zollikon wird hindernisfrei. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) regelt, dass Bushaltestellen angepasst werden, damit sie für Menschen mit Behinderung selbständig und spontan nutzbar sind. Es gelten nationale Bestimmungen für einen behindertengerechten öffentlichen Verkehr. Die Ausführungen sind jedoch den Kantonen und Gemeinden überlassen. Alle baulichen Veränderungen müssen der Norm SN 640 075 «Hindernisfreier Verkehrsraum» entsprechen. Die Kosten für die Bushaltestelle Goldhaldenplatz betragen insgesamt 755 000 Franken (Preisbasis November 2022). Neben den Arbeiten gibt es im Kostenvoranschlag einen Faktor «Landerwerb» 200 000 Franken. «Insgesamt brauchen wir 106 Quadratmeter Land, wovon 104 der politischen Gemeinde Zollikon gehören und zwei einer Stockwerkeigentümerschaft», sagt Thomas Maag von der Medienstelle der Baudirektion des Kantons Zürich. «Das Projekt liegt übrigens aktuell gemäss Paragraph 16 des Strassengesetzes öffentlich auf, und der Landerwerbsplan ist dort ersichtlich.» Der Kanton darf für Hochwasser- und Strassenprojekte Grundstücke oder Teilflächen auf dem Weg der Enteignung erwerben. «In diesen Fällen kann Privateigentum auch gegen den Willen der Eigentümer erworben werden», erklärt Thomas Maag. «Zentral sind dabei eine faire Behandlung und eine rechtsgleiche Entschädigung. Der Kaufpreis entspricht immer dem aktuellen Verkehrswert der Flächen.» Im Schweizer Rechtsstaat ist die Eigentumsgarantie in Art. 26 der Bundesverfassung verankert. In der Bundesverfassung ist jedoch auch der zulässige Eingriff in privates Eigentum geregelt (Art. 36). Anerkanntes öffentliches Interesse, wie beispielsweise Strassenbauprojekte, stehen über privatem Eigentum. Zur gesetzlichen Eigentumsgarantie gehört auch Anspruch auf Entschädigung. Kurzum, der Kanton darf nie enteignen ohne zu bezahlen.
Der Kanton Zürich will den Strassenabschnitt im Weiler Sennhof zur Forchbahn-Station sanieren, gleichzeitig werden Lücken im Radweg geschlossen für eine sicherere Veloverbindung. Die öffentliche Auflage des Bauprojekts und des Landerwerbsplans erfolgte schon vor fünf Jahren. Innerhalb der Auflagefrist wurden elf Einsprachen eingereicht, mit neun konnten einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Die verbleibenden zwei Einsprachen enthalten enteignungsrechtliche Begehren. «Schwierig ist es, wenn ein Landeigentümer für sein Land nicht Geld, sondern Realersatz fordert und wir ihm in unmittelbarer Nähe keinen geeigneten Ersatz anbieten können», sagt Thomas Maag. «Noch schwieriger sind aber Landeigentümer, die ihr Land nur deshalb nicht verkaufen wollen, weil sie das Projekt als Ganzes verhindern wollen.» Im Kantonsbericht für den Radweg im Zollikerberg: «Sofern gegen die Projektfestsetzung keine Rechtsmittel ergriffen werden, plant das kantonale Tiefbauamt, im Februar 2024 mit den Bauarbeiten zu beginnen.»
Wie steht es in Zumikon mit enteignungsrechtlichen Begehren? «Wir hatten seit mindestens zehn Jahren keinen solchen Enteignungsfall mehr», informiert Gemeindeschreiber Thomas Kauflin. «Dabei handelt es sich um ein Vorgehen, das niemand gerne macht; die öffentliche Hand nicht und die betroffenen Personen schon gar nicht. Deshalb ist das stets der allerallerletzte Schritt.» Und falls Gemeinde oder Kanton mit Eigentümerinnen und Eigentümer keine Lösung finden? «Ist ein Landeigentümer mit dem Angebot des Kantons nicht einverstanden, prüft die kantonale Schätzungskommission das Geschäft», sagt Thomas Maag. «Wer mit dieser Einschätzung nicht einverstanden ist, kann noch ans Verwaltungsgericht und danach ans Bundesgericht gelangen. Werden diese Rechtsmittel ergriffen, kann das bei einem Strassenprojekt zu einer Verzögerung von bis zu drei Jahren führen.»
Ein Projekt an der Zollikerstrasse erstreckt sich vom Kreisel Dufourplatz bis zur Einmündung in die Alte Landstrasse – 550 Meter: Die Instandsetzung der Zollikerstrasse, Verlegung Kirchweg und hindernisfreier Ausbau Bushaltestelle «Beugi». Auch hier braucht es rund 500 Quadratmeter Land. 350 Quadratmeter betreffen die Gemeinde, die restlichen 150 Quadratmeter stammen von drei privaten Landeigentümern. Gemäss Kostenvoranschlag sind insgesamt 320 000 Franken für den Landerwerb eingeplant. Der Baubeginn ist für 2025 geplant, sofern keine Rechtsmittel gegen das Projekt ergriffen werden. Thomas Maag betont, dass der Kanton zu 99 Prozent eine einvernehmliche Lösung findet. Wie gut ist Eigentum vor staatlichen Eingriffen in der Schweiz im globalen Vergleich geschützt? Gut. Die Schweiz ist Nummer drei im Ranking des Internationalen Eigentumsrechte-Index (Property Rights Index). Diese Eigentumsgarantie in der Bundesverfassung ist gleichzeitig eine Wertgarantie.
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