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Erst Sofas, jetzt Yogamatten

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 13. April 2023

Carolina Fischer: vom Banking zur Resilienz, von der An- zur Entspannung. Mittlerweile kommen auch mehr Männer in die Studios.

Erst Venezuela, dann Schweiz. Erst Bankerin, jetzt Yoga-Lehrerin: Carolina Fischer hat viele Facetten. (Bilder: zvg)
Erst Venezuela, dann Schweiz. Erst Bankerin, jetzt Yoga-Lehrerin: Carolina Fischer hat viele Facetten. (Bilder: zvg)

Eigentlich scheint es zwangsläufig, dass Carolina Fischer Yoga-Dozentin geworden ist. Schon als Kind war sie bei den Unterrichtsstunden der Mutter dabei – und praktizierte Yoga, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Doch der Lebensweg der Zollikerin war nicht gradlinig, sondern voller kleiner Ausflüge. Die gebürtige Venezolanerin mag Herausforderungen.

Als kleines Mädchen haben Sie schon Yoga gemacht. Mittlerweile sind Sie Dozentin, organisierten die Swiss Yoga Conference und das Heartbeat-Festival. Dazwischen aber lag etwas ganz anderes.

Stimmt. Nach der Matura habe ich mich für die Wirtschaft entschieden. Ich war lange im Bankwesen tätig, dann im Marketing und Eventbereich, schliesslich im Private Banking. Yoga war für mich immer nur Hobby. Gelegentlich unterrichtete ich im Studio meiner Mutter in Wipkingen. Sie hätte gerne gesehen, dass ich mehr tue, aber ich wollte in meinem Beruf Karriere machen.

Wann haben Sie sich ganz auf Yoga eingelassen?

Mein Mann und ich haben eine lange Reise unternommen. Wir waren sechs Monate unterwegs, vor allem im ostasiatischen Raum. Wir haben meditiert, auch Yoga praktiziert und viel Zeit dafür investiert. Da ich gerne Events organisiere, wuchs die Idee, Yoga und Events unter ­einen Hut zu bringen. Ich bot Retreats an, die sehr gut angenommen wurden. Das ermutigte mich zur Selbstständigkeit. Von meinem Büro am Paradeplatz bin ich jeweils in meinen Yogaraum ins Niederdorf rübergegangen. Vor genau zehn Jahren konnte ich mein Studio ­Athayoga direkt am See eröffnen. Diese Räume sind irgendwie Schicksal. Von unserer Wohnung im Zollikerberg fahre ich eigentlich immer über die Forchstrasse in die Stadt. Irgendwann bin ich über Zollikon und die Seestrasse in die City gefahren und kam an dem Haus vorbei. Im Erdgeschoss war eine Möbelausstellung. Neugierig ging ich hinein, setzte mich auf ein
Sofa und dachte: Was für eine Verschwendung. Dieser Raum ist viel zu schade, um nur Möbel auszustellen. Ich ging immer wieder hin, habe schliesslich den Mieter angetroffen und erfahren, dass er einen Nachmieter suchte.

Es gibt die unterschiedlichsten ­Yoga-Richtungen, mal ruhig, mal intensiver. Welche Berechtigung hat Power Yoga, das ja eigentlich ein Widerspruch in sich ist?

Bryan Kest hat den Begriff geprägt. Er wird übrigens auch beim nächsten Heartbeat-Festival im kommenden Juni nach Zürich kommen. ­Gemeint ist die Power of Yoga. Es wurde besonders für den amerikanischen Markt entwickelt und stammt vom Ashtanga Yoga. Die Positionen und Bewegungsabläufe werden dabei dem Praktizierenden angepasst. Hintergrund ist, dass Amerikaner von der Statur oft grösser als Asiaten sind.

Ist Yoga eher für den Körper oder für den Geist?

Beides wird gestärkt. Yoga ist ganzheitlich, wobei sich Körper und Seele gegenseitig spiegeln und in Balance gebracht werden. Die Wahrnehmung wird gestärkt und gleichzeitig werden Körper und Geist flexibler. Muskelgruppen werden aktiviert, Verspannungen gelöst. Es ist ein ­guter Wechsel von der An- zur Entspannung.

Allerorten ist zurzeit von Acht­samkeit und Resilienz zu hören und zu lesen. Entschleunigung wird ­gepredigt. Ist das eine Mode-Erscheinung?

Das glaube ich nicht. Das Bedürfnis nach Resilienz war wohl noch nie so gross und so stark wie heute. Es kommt ja nicht von ungefähr: Das Weltgeschehen, die Pandemie und auch der Krieg bringen Ängste hervor, mit denen wir umgehen müssen. Wir möchten lernen, uns von Krisen, ob global oder privat, nicht aus der Bahn werfen zu ­lassen. Damit müssen wir uns in Lebensmut und vielleicht auch ­Gelassenheit üben.

Warum gehen so viel mehr Frauen zum Yoga? Wo sind die Männer?

In der Schweiz gehen noch überproportional mehr Frauen in die Kurse. In den USA oder auch in Deutschland sieht das bereits anders aus. Hier hat Yoga wohl noch ein eher weiches Image. Das denken die Männer aber nur so lange, bis sie selber auf der Matte stehen oder sitzen und erfahren, was Yoga wirklich ist und wie anstrengend es sein kann. Männer können extrem von den Übungen profitieren.


Yoga

Die ersten Yogis werden vor etwa 3500 Jahren in indischen Texten erwähnt. Die Rede ist von heiligen Männern, die meditieren und Atemübungen machen. Es gibt aber auch deutlich ältere Darstellungen von Menschen in Yogahaltungen, sodass die Vermutung naheliegt, dass Yoga schon früher geübt wurde. Fest steht, dass die Geschichte des Yoga an Religion und Philosophie gekoppelt ist. Seit Jahrtausenden haben Asketen auf unterschiedlichen Wegen versucht, zu höherer Erkenntnis zu gelangen. Askese und Yoga galten als vielversprechende ­Methoden zur Selbsterkenntnis. Zwischen dem 2. Jahrhundert vor und dem 2. Jahrhundert nach Christus entwickelte sich das klassisch-philosophische Yoga durch den Gelehrten Patanjali, der Selbsterkenntnis zum Ziel der Yoga-Praxis erklärt. Er bietet einen genauen Leitfaden, der sich später zur eigenständigen Methode entwickelt und große Bedeutung auf Konzentration und Meditation legt: den achtgliedrigen Pfad (Asthanga).

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