Von Franca Siegfried ‒ 15. Juni 2023
Wie ein Gemeindesaal zum Bahnhof wird. Leute schlendern an die Versammlung, ohne sich um den Zeitplan zu kümmern. Für die fünf Stimmenzählenden ist das «Eintrudeln» der Leute schwierig – der Saal ist voll mit insgesamt 338 Stimmberechtigten – einige sitzen auf der Treppe. 20 Minuten verspätet eröffnet Gemeindepräsident Stefan Bührer die Versammlung. Die Traktanden: Jahresrechnung 2022, privater Gestaltungsplan für die Wohnüberbauung Dorfplatz 13 und die neue Asylunterkunft Farlifang 28. Der erste Antragsteller will über Traktandum drei, die neue Asylunterkunft, zuerst abstimmen. Der Souverän lehnt ab.
Die Jahresrechnung 2022 mit dem Ertragsüberschuss von 25,79 Mio. Franken erläutert Finanzvorsteher André Hartmann. Gemäss Budget wären es 7,67 Mio. Die Steuereinnahmen – budgetiert auf 55,74 Mio. – erbrachten 63,17 Mio. Ohne den Verkauf von Mettelacher 5 und Schwäntenmos 7 hätte sich ein Überschuss von 2,96 Mio. ergeben. Die Jahresrechnung ist also um 18,12 Mio besser als angenommen. Mit dem Überschuss wird das Eigenkapital aufgestockt. Die Personalkosten sind um 5,1 Prozent gestiegen, hauptsächlich im Bereich Schule. Zusätzliche Mehrkosten von 1,19 Mio. brachten die Pflegefinanzierung. Details lassen sich auf der Webseite der Gemeinde nachlesen. Gemäss André Hartmann steht Zumikon sehr solid da. Dominik Ziegler, Präsident der Rechnungsprüfungskommission, empfiehlt die Rechnung zur Annahme. Gleichzeitig betont er, dass sich Zumikon nicht auf den Lorbeeren ausruhen dürfe. Eine Diskussion ist nicht gefragt – die Jahresrechnung wird ohne Gegenstimmen angenommen.
Marc Bohnenblust, Vorsteher Hochbau, erklärt, warum der private Gestaltungsplan Dorfplatz 13 für Zumikon zentral ist: Angleichung des Terrains auf Niveau Dorfplatz, zeitgemässes Wohnen und öffentliche Nutzung des Erdgeschosses für Gastronomie mit Dienstbarkeitsvertrag. Das Restaurant wird das bestehende Dorfrestaurant ersetzen, welches der Sanierung des Dorfplatzes weichen muss. Der Kanton hat Zustimmung zum Gestaltungsplan signalisiert. Valentin Mueller, CEO von Utorem, veranschaulicht anhand von Architektur-Renderings die Wohnüberbauung und das Restaurant mit 80 Sitz- und bis 60 Aussenplätzen. Anhand eines Flugbilds zeigt er die aktuelle Situation und die architektonische Lösung der Terrainanhebung. Parkplätze sind in der bestehenden Tiefgarage vorgesehen. Gemäss Bauprogramm könnten die Wohnungen im mittleren Preissegment im Dezember 2028 bezugsbereit sein. Dominik Ziegler empfiehlt die Vorlage zur Annahme, mit dem neuen Restaurant werde sie der Gemeinde Kosten einsparen. In der Diskussion wird auf die Erhöhung der Ausnützungsziffer zugunsten des privaten Eigentümers von 0,75 auf 1,29 verwiesen. Bedenklich findet ein Anwohner die Ausfahrt Tiefgarage, welche einen Schulweg tangiert. Die Zumikerinnen und Zumiker sagen jedoch eindeutig Ja zum privaten Gestaltungsplan.
Mit dem letzten Traktandum beschäftigen sich die Ressorts Gesellschaft und Liegenschaft. Abgestimmt wird über einen Baukredit von 4,5 Mio. Franken für eine Asylunterkunft im Farlifang. Gemeinderat Mirco Sennhauser spricht über Grundsätze der Asylpolitik mit Bund, Kanton und Gemeinde. Ab Juni gilt in Zumikon die Aufnahmequote 1,3 bzw. 74 Personen. Zumikon wird kein Durchgangszentrum – alle haben Schutzstatus S oder sind «vorläufig aufgenommen». Die aktuelle Situation der Unterbringung: Schwäntenmos bis maximal 28, Mettelacher befristet bis September 37 Personen und Gastfamilien. Thomas Epprecht, Leiter Liegenschaft, veranschaulicht, wie der Gemeinderat zwölf mögliche Standorte evaluiert hat. Es war ein Abwägen, Rechnen mit Blick auf Umgebung, Bauzone, Landwert, Entwicklung der Gemeinde, Schulen und letztlich auch ein Akt sozialer Verantwortung. Die Wahl Farlifang 28 ist umstritten, ein Nein-Komitee hatte sich gebildet. Thomas Epprecht geht schon vor der Diskussion auf Argumente der Gegner ein, etwa auf den Kostenanstieg von ursprünglich budgetierten 2,9 auf 4,5 Mio. Franken. Dominik Ziegler empfiehlt auch diese Vorlage zur Annahme – mit Blick auf die Dringlich- und Notwendigkeit wie auf die Wirtschaftlichkeit. Besorgte Zumiker melden sich zu Wort – wenige Frauen und Vertreter von Ortsparteien. Der Standort bei der Schule wird kritisiert. Die Haltung von Laetitia Dahl-Bünger, Präsidentin der Schulpflege, zu Asylsuchenden in Schulnachbarschaft interessiert. Sie verweist auf das Kollegialitätsprinzip und signalisiert Zustimmung. Thomas Epprechts Berechnungen werden vor Publikum nochmals analysiert. Plädiert wird für Mietwohnungen, weil sie besser verteilt wären, als eine Art gelungene Integration.
Gegen 22 Uhr stimmen 140 gegen die Asylunterkunft, 175 dafür. Sobald das Resultat offiziell ist, stürmen die Leute zum Ausgang – das offizielle Ende interessiert nicht. Der Gemeindesaal wird wieder zum Bahnhof.
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