Mit einem Versuch zur Goldmedaille

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 22. Juni 2023

Der Zumiker Andrin Gulich kam von den Ruder-Europameisterschaften in Slowenien mit einer Goldmedaille zurück.

Goldmedaillist Andrin Gulich (rechts) verbringt täglich fast sechs Stunden auf dem Wasser. (Bilder: zvg)
Goldmedaillist Andrin Gulich (rechts) verbringt täglich fast sechs Stunden auf dem Wasser. (Bilder: zvg)

Gemeinsam mit ­Roman Röösli siegte Andrin Gulich in der Kategorie «2er ohne». Im Interview erzählt der 24-Jährige von seinem Sport und von den Schwierigkeiten, Sponsoren zu finden.

Sind Sie mit der Ambition auf den Sieg zu den Meisterschaften gereist?

Wir hatten einen guten Saisonstart mit einem Sieg am ersten Weltcup in Zagreb und machten uns schon Hoffnung auf eine Medaille. Insgeheim vielleicht sogar auf den Sieg. Aber das hätte ich vorher nie offiziell gesagt. Die Freude war auf jeden Fall riesig.

Was versteckt sich hinter «2er ohne»?

Allgemein wird unterschieden, ob mit einem Ruder (Riemen) oder zwei (Skull) gerudert wird. Bei den Riemenbooten gibt es noch die Unterkategorie mit oder ohne Steuermann. Zweier-ohne ist ein Riemenboot. Jeder der beiden Sportler hat nur ein Ruder und es gibt keinen Steuermann. Das ist technisch extrem anspruchsvoll, weil mit exakt der gleichen Kraftkurve und im gleichen Takt gerudert werden muss. Jeder ist hundert Prozent für eine Seite verantwortlich. Beim Achter sind vier Ruderer für eine Seite zuständig. Ist da jemand ein bisschen asynchron, fällt es nicht so ins Gewicht. Wenn Roman und ich nicht exakt gleich rudern, fahren wir eine Kurve oder kommen gar in Schräglage. Roman aber hat das Kommando und sagt zum Beispiel einen Zwischen- oder Endspurt an.

Sie haben gewonnen, trotz eines sogenannten «Krebses» im Finale. Damit ist nicht das Tier gemeint.

Nein. Bei einem «Krebs» verdreht sich das Ruderblatt, wenn es am Heck wieder aus dem Wasser kommt. Wir hatten das nach ungefähr 200 Metern, konnten es aber gut auffangen und wieder aufholen. Bei einem heftigen «Krebs» kommt das Boot fast zum Stillstand. Damit wäre das Rennen gelaufen gewesen.

Wie eingespielt muss man als Team sein?

Roman und ich verstehen uns blind. Aber eigentlich war diese Besetzung nur ein Versuch. Roman und ich ruderten letztes Jahr zusammen im Vierer-ohne. Im vergangenen März haben wir dann die Trials ausgefahren und die Trainer haben uns im Zweier-ohne für den Saisonstart gesetzt, weil ein Teamkollege für den Vierer noch in den USA war. Ich denke aber schon, dass wir nun in dieser Konstellation weiterrudern. Theoretisch wäre es möglich, dass ich in beiden Klassen antrete. Praktisch ist das aber viel zu anstrengend und kräftezehrend.

Sie haben mit zwölf Jahren mit dem Rudern angefangen, waren dann schnell Schweizer Juniorenmeister. Kein schlechter Start, oder?

Sicher nicht schlecht, aber das ist nichts Ausserordentliches. Anders als in Deutschland fängt man mit dem Rudersport in der Schweiz normalerweise erst mit zwölf Jahren an. Und irgendjemand muss ja dann Meister werden. Aber für mich war das natürlich ein toller Titel.

Auf Ihrer Webseite steht, dass Sie täglich rund sechs Stunden trainieren. Sind Sie die ganze Zeit auf dem Wasser?

Fast, ja. Ich trainiere fünf Tage in der Woche im Leistungszentrum Sarnen. Das erste Training findet von 7 bis 10 Uhr auf dem Wasser statt. Das zweite Training über eine kürzere Distanz folgt von 13 bis 15 Uhr – auch im Boot. Am späten Nachmittag geht es dann noch für zwei Stunden ins Krafttraining oder auf den Ergometer. Dazu kommt noch das Aufwärmen und Stretchen, viel Essen und auch viel Schlaf, den der Körper definitiv auch braucht.

Sie haben in Yale studiert. An den amerikanischen Universitäten wird Sport viel intensiver gefördert. Würden Sie sich das auch für die Schweiz wünschen?

Natürlich wäre es wünschenswert, weil das System extrem cool ist. Aber das sind zwei ganz verschiedene Welten. In den USA gehört der Sport von Anfang an zur Schule. Die Kinder oder Jugendlichen gehen in ihrer Freizeit nicht in separate Vereine – wie in den Fussballverein oder den Eishockeyclub. Das Training in den unterschiedlichsten Sportarten wird über die Schule organisiert. Das ist in der Schweiz anders geregelt. Das amerikanische System lässt sich nicht einfach so kopieren.

Neben dem Training und den Wettkämpfen absolvieren Sie noch ein Onlinestudium «Business Analytics» in London. Bleibt da noch Zeit für andere Hobbys?

Eigentlich nein. Wenn überhaupt, dann für die Familie und Freunde. Aber der Sport und das Studium ergänzen sich gut. Ich bin immer gerne zur Schule gegangen und freue mich schon während des Trainings, mich später mal wieder an den Computer zu setzen und den Kopf zu gebrauchen. Vor den olympischen Spielen in Tokyo hatte ich eine Auszeit vom Studium genommen, um mich ganz auf den Sport zu fokussieren. Das war mir dann fast zu langweilig und einseitig.

Während der Siegerehrung in ­Slowenien hatten Sie eine Kappe auf mit der Aufschrift «Hier könnte Ihr Logo stehen». Wie schwierig ist die Sponsorensuche?

Es ist viel schwieriger als man denkt. Obwohl der Rudersport in der Schweiz grosse Tradition und auch Erfolgsgeschichten hat, gibt es wenige aktive Sponsoren. Es ist deshalb sehr schwierig, seinen Lebensunterhalt mit dem Sport zu verdienen. Es macht mir extrem Spass, auf höchstem Niveau zu rudern, aber es ist immens zeitaufwendig. Deswegen setze ich auch nicht ganz auf den Sport, sondern bereite mich auf ein Leben danach vor. Aber erst einmal freue ich mich auf die olympischen Spiele in Paris im kommenden Jahr. Diese sind mein grosser Traum, da möchte ich gerne zeigen, was ich kann.

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