Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 23. Juni 2023
Der Architekt Ernst Gisel hat nicht nur viele Jahre in Zumikon gelebt, sondern auch gebaut. Etwa drei Atelierhäuser an der Küsnachterstrasse, die zunächst gar nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprachen. «Die Häuser wurden zum Beispiel als Seilbahnstation bezeichnet», erinnert sich Georg Gisel. Der Sohn hat zusammen mit seinen Schwestern die Kindheit in einem der Häuser verlebt. Das war damals ein ganz anderes Zumikon als heute. «Es war ein Bauerndorf. Die Milchhütte war noch eine Milchhütte und die Kühe wurden mit der Forchbahn in die Stadt gebracht.» 1965 baute der Vater ein neues Haus für die Familie in Zumikon, in der Wengi am Rand des Tobels. Es war ein typisches Gisel-Haus: von vorne eher unscheinbar, doch in der gesamten Grösse immens. Das ist das einzige Haus, das in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Milchhütte gezeigt wird. Im Mittelpunkt stehen Zeichnungen und Aquarelle. Ernst Gisel hat seit den 1980er-Jahren in allen Ferien gemalt. Zeichnungen mit Feder, Blei- oder Farbstift und viele viele Aquarelle. Ernst Gisel ist nicht der Landschaftsmaler im herkömmlichen Sinn. Vielmehr setzt er sich mit Stimmungen auseinander, die er meist flächig zu Papier bringt. Mit Farbe und Geometrie geht er dabei sehr frei um.
Im Nachlass des Architekten, der 2021 kurz vor seinem 99. Geburtstag verstarb, fanden sich rund 1200 Werke, die unter seinen Enkelkindern aufgeteilt wurden. «Andrea Hochuli hat mich angesprochen, ob das nicht der richtige Moment wäre, um diese Bilder auch in Zumikon zu zeigen», berichtet Georg Gisel. Die Leiterin der Galerie hat einen besonderen Bezug zur Familie. Sie wohnte zeitweise im selben Gisel-Haus wie Georg Gisel in Zürich und lebt heute in einem der Atelierhäuser an der Küsnachterstrasse. Diese waren nicht die einzigen kritisierten Gisel-Bauten. Der Turm der reformierten Kirche Effretikon etwa wurde auch als «Seelenabschussrampe» verhöhnt. «Er war oft einfach zu früh mit seiner Art zu bauen», kommentiert der Sohn rückblickend.
Dass Ernst Gisel sich diesem Beruf zuwandte, war zunächst nicht so klar. Nach seiner Ausbildung zum Bauzeichner haderte er, überlegte, doch vielleicht die Malerei zu wählen. Doch an der Kunstgewerbeschule riet man ihm, den Schritt in die Architektur zu wagen. Ein guter Rat, wie sich später zeigen sollte. Ernst Gisel sei sehr stark von seiner Frau, Marianne Gisel-Sessler, unterstützt worden. «Sie hat als Kunsthistorikerin für ihn Texte für Wettbewerbe und Bücher formuliert und sich stark für die Monographie engagiert. Sie hat sich ganz in seinen Dienst gestellt.»
Gisels monumentale Bauweise kam vor allem in Deutschland gut an. «Die Deutschen schätzten schon früh diese Art des Bauens, und so sass er in Deutschland in vielen Preisgerichten als Juror.» Auch in der Schweiz baute er öffentliche Gebäude und Wohnhäuser. In Zumikon zum Beispiel das Wohnhaus von Hans Aeschbach. «Mein Vater wollte gross bauen und das war damals bei den Quadratmeterpreisen in Zumikon noch möglich.»
Für die Ausstellung in der Milchhütte weilte der Sohn vermehrt in Zumikon – angenehm überrascht über die Lebendigkeit. Er erinnerte sich an ein Klassentreffen, das rund zwanzig Jahre zurückliegt und ihn damals etwas schockierte, denn aus dem Bauerndorf seiner Kindheit war eine Gemeinde mit vielen älteren Bewohnern und viel Geld geworden. «Es gab keine eigene Sekundarschule mehr», erinnert
er sich. Das Zumikon von heute erlebe er wieder anders. Die Aktivitäten und Angebote der Gemeinde für die breite Bevölkerung beeindrucken ihn.
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