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Privatunterricht für eine bessere Welt

Von Franca Siegfried ‒ 6. Juli 2023

Margarita Louis-Dreyfus investiert und engagiert sich für Homeschooling. Warum ist ihr die Primarschule in Zollikon nicht mehr genehm? Auf der Suche nach möglichen Antworten.

Ein Schulzimmer für 25 Kinder, bei Homeschooling sind maximal fünf Kinder zugelassen. (Bild: Adrian Michael)

Agora? Das war im antiken Griechenland ein Ort zur Bildung einer gemeinsamen Identität. Agora heisst die neue Lerngruppe in Zollikon. Im August, nach den Schulferien, werden dort aus­erwählte Kinder ihr zweites Schuljahr antreten. Eine Privatschule also? Nein. Das Volksschulamt des Kantons hat keine entsprechende Anmeldung. Agora wird als Homeschooling organisiert. Es sind jeweils nur fünf Kinder pro Gruppe zugelassen. Zwei Lerngruppen sind in Zollikon vorgesehen – insgesamt zehn Kinder. Geplant ist gemäss Inserat, dass diese Kinder während der ganzen Primarschule zusammen lernen. Die Lernziele des kantonalen Lehrplans müssen erreicht, die wöchentlichen Lektionen eingehalten werden. Laut Volksschulamt ist der Privatunterricht (Homeschooling) im Kanton Zürich eine von drei Möglichkeiten, die Schulpflicht zu erfüllen. Wie Kinder diese erfüllen, entscheiden die Eltern. Privatunterricht im Kanton Zürich ist nicht bewilligungs-, sondern meldepflichtig. Unterschieden wird zwischen Privatunterricht, der über ein Jahr dauert mit einer ausge­bildeten Lehrperson, und kurzfristigem Privatunterricht ohne Vor­gaben. Die Anforderung an die Lehrperson ist das Lehrdiplom der Pädagogischen Hochschule Zürich oder das Fähigkeitszeugnis einer Vorgängerinstitution.

10’000 Franken Monatslohn

Der Schlüssel für nachhaltiges Homeschooling ist eine ausgebildete Lehrperson. Das entsprechende Stelleninserat bei job.ch für Agora ist in einem holprigen Deutsch verfasst. Eine erfahrene Lehrperson wird für eine Privatschule in Zollikon gesucht, die Ausbildungsanforderung ist jedoch nicht aufgeführt – dafür der Monatslohn von 10’000 Franken. Bei der Lohneinstufung der Lehrer im Kanton Zürich sind Unterrichts- und Berufserfahrung massgebend – der mittlere Bruttolohn liegt bei rund 6800 Franken. Lehrpersonen mit Geld zu ködern, bekommt eine neue Dimension. Der Hinweis auf die Familie Dreyfus im Stelleninserat wirkt als finanzieller Garant. In der aktuellen «Bilanz» ist nachzulesen, dass sich Margarita Louis-Dreyfus als Investorin für eine Privatschule in Zollikon engagiere. Sie ist Präsidentin der Louis Dreyfus Company (LDC), eines der grössten Agrarhandelskonzerne der Welt, und beschäftigt rund 17’000 Mitarbeitende in mehr als 100 Ländern. Die Handelszentrale ist in Genf, der Holdingsitz in Amsterdam – sechs Milliarden Dollar soll der Konzern wert sein. Das Homeschooling plant die Milliardärin für ihre Zwillingstöchter. Die Mädchen stammen aus der ehemaligen Beziehung mit Ex-Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand und haben bis anhin die Primarschule in Zollikon besucht.

Humanistische Werte vermitteln

In Zollikon wird über die neue Lerngruppe gesprochen und getuschelt. Der Zolliker Zumiker Bote hat zwei Kontaktpersonen von Agora angefragt: Keine Information, das sei Privatsache. Obwohl im Zolliker Zumiker Boten inseriert wurde. Und Margarita Louis-Dreyfus eine der mächtigsten Wirtschaftsfrauen ist – und der Vater der Mädchen zwölf Jahre Präsident der Schweizerischen Nationalbank war. Viele ­fragen sich, weshalb Margarita Louis-­Dreyfus die Primarschule in Zollikon nicht mehr genehm ist? Eine mögliche Antwort ist in ihrem Porträt als «Frau des Monats» nachzulesen (Bilanz, Mai 2023). Dort berichtet sie, ihre Mädchen seien von älteren Primarschülern in Sachen Selbstmord aufgeklärt worden. Der Ratschlag der Primarschüler: In einer schwierigen Lebenssituation solle man sich am besten in einem Autobahntunnel unters Auto werfen. «Ich war schockiert.» Man müsse sich fragen, wie Kinder ihre Menschlichkeit in einer Welt von Social Media und digitaler Erziehung bewahren und wie man vor diesem Hintergrund die Familienwerte weitergeben könne. Hat ­Margarita Louis-Dreyfus ihre ­Lösung mit Agora gefunden? In der Lerngruppe sollen gemäss Inserat «traditionelle humanistische Werte» unterrichtet werden mit einem «minimalen Gebrauch digitaler Medien». Dafür hat sie sieben erfahrene Lehrpersonen engagiert. Wie gross die Pensen sind, ist unbekannt – es wird in Deutsch und Englisch unterrichtet. Und der Schulweg der Kinder? Die Chance für vielfältige Erfahrungen, ein wichtiger Freiraum, in dem die Kinder auch mal unbeaufsichtigt sind: Das passt nicht in einen Homeschooling-Lehrplan. Agora in Zollikon als ­Gegenwelt zum Vorbild der Antike, die eine Gemeinschaft anstrebte?

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